Das Festivalteam in Hof tat im vergangen Jahr genau das Richtige, als es sich dazu entschied, die 50. Hofer Filmtage trotz des tragischen Todesfalls des Festivalleiters stattfinden zu lassen. Show must go on – so hätte es Heinz Badewitz gewollt und so kam es schließlich auch. Etwas anderes stand Gott sei Dank nicht zur Debatte. Was wäre Hof auch ohne die Internationalen Hofer Filmtage? Eben.
Zum 50. Mal trafen sich also Gott und die Filmwelt in lauschiger Atmosphäre im beschaulichen Hof, das jedes Jahr im Oktober ein Hauch von Glamour umweht. Aber ohne roten Teppich und Schischi, denn die Hofer Filmtage sind eben nicht Glamour, Glanz und Gloria, sondern familiär entspannte Gemütlichkeit, frei von Eitelkeiten und Zwängen. Das Who-is-Who der Filmwelt kommt hier immer wieder gerne zusammen. Gleichwohl gilt das Festival als Talentschmiede. (Film-)Menschen, die sich in Hof kennenlernen, bleiben oft ein Leben lang miteinander verbunden. Schauspieler, Regisseure und Cineasten begegnen sich auf Augenhöhe und schwören drauf. Die Hofer Filmtage haben WG-Charakter, auch – und das hätte Badewitz sicher gefreut – nachdem er nun nicht mehr da ist. Die neue Leitung hat Thorsten Schaumann übernommen, der u. a. bei Bavaria Film im Verkauf und für die Betreuung deutscher und internationaler Filme tätig war und schon 2016 im Kuratorenteam der Internationalen Hofer Filmtage saß. Auch durch seine langjährige Arbeit bei Sky Deutschland, bei der er viele Erfahrungen in den Bereichen Filmrechte, Lizenzen, Einkauf, Vermarktung sowie Neue Medien sammeln konnte, qualifizierte er sich für den neuen Posten.
Den „Spirit von Heinz Badewitz“ in die Zukunft zu retten, das war das wichtigste Anliegen des Teams im vergangenen Jahr. Und bisher sieht es so aus, als würde der Plan ganz gut aufgehen. Was ist und was bleibt – darüber haben wir mit dem neuen Chef gesprochen.
Art. 5|III: Herr Schaumann, vielen Dank, dass Sie sich für unsere Fragen einen Moment Zeit nehmen. Und an dieser Stelle nochmal herzlichen Glückwunsch zum Posten des künstlerischen Leiters! Wie fühlt sich das an, in die Fußstapfen des großen Heinz Badewitz zu treten? Ist die Verantwortung groß oder gehen Sie ganz entspannt an die Sache ran?
Thorsten Schaumann: Vielen Dank, das ist sehr nett! Auf alle Fälle habe ich riesen Respekt. Heinz Badewitz hat ein echtes Home of Films, wie Wim Wenders es definiert, geschaffen. Das ist einzigartig! Und für Entspannung ist natürlich jetzt nicht die richtige Zeit. Ich bin ja erst Anfang August offiziell gestartet und am 24. Oktober geht’s bereits los. Das ist eng getaktet. Aber so ist es und wir arbeiten fleißig daran, dass wir tolle Filme haben und sich alle bei uns wohl fühlen werden.
Art. 5|III: Wie lief der Entscheidungsprozess ab? Haben Sie sich offiziell zur Wahl gestellt und die Entscheidung kam über Nacht oder war das Finden eines Nachfolgers ein sich anbahnender Prozess?
Thorsten Schaumann: Im letzten Jahr zum 50. Jubiläum durfte ich bereits mit Linda Söffker und Alfred Holighaus im Kuratorium für die Auswahl der Filme mit dabei sein. Eine Mega-Ehre und eine wirklich tolle Erfahrung. Dann wurde ich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, weiterzumachen. Da musste ich nicht lange überlegen und hab’ ‚Ja’ gesagt.
Art. 5|III: Vor welche Herausforderungen sehen Sie sich jetzt vor allem gestellt?
Thorsten Schaumann: Die größte Herausforderung ist momentan: Zeit, Zeit, Zeit. Zum Glück gibt es ein tolles Hofer Team, das so erfahren ist – und wir sagen uns immer: Wir werden bzw. müssen es schaffen, die Idee des Home of Films, die Heinz aufgebaut hat, weiterzuführen und zu entwickeln. Bis zum 24. Oktober wird aber alles stehn’!
Art. 5|III: Wie viel Raum wird der neue Posten einnehmen? Werden Sie weiterhin für Sky Deutschland tätig sein?
Thorsten Schaumann: Den Job bei Sky habe ich gekündigt. Ich habe es ja schon kurz erwähnt, die Arbeit des künstlerischen Leiters ist sehr zeitintensiv und das nicht nur während des Festivals. Stetiger Austausch mit den Kreativen, um rechtzeitig über gute Projekte informiert zu sein und diese dann auch für das Festival zu gewinnen, ist ein echter 12-Monatsjob. Und neben den Filmemachern und Produzenten gilt es, nachhaltig den Kontakt zur Filmindustrie auszubauen, um auch sie weiterhin für Hof zu begeistern!
Art. 5|III: Und wie geht es in Hof weiter? Bleibt alles wie gehabt oder werden Sie das Konzept überarbeiten? Bei Theaterintendanten ist Letzteres ja gang und gäbe…
Thorsten Schaumann: Im Kern ist das Festival gut aufgestellt. Es gibt ein eingespieltes Team, das mit Leib und Seele das Festival macht. Das muss auf alle Fälle so bleiben. Aber ich werde den ein oder anderen Schwerpunkt auf digitale Themen legen. Das betrifft sowohl die Produktion, beispielsweise Virtual Reality und Filme On Demand in der Distribution! Da passiert momentan so viel und wir werden das ins Festival einbinden. Ach ja, ich freu’ mich schon auf das Fußballspiel am Samstag. Das wird es selbstverständlich weiterhin geben!
Art. 5|III: Wie ist der „Meeting Point“ im letzten Jahr angenommen worden? Hat er künftig Bestand?
Thorsten Schaumann: Wenn Sie mit dem „Meeting Point“ die Hoftex-Halle meinen, so wird diese auch in diesem Jahr als Ort der Begegnung, für Diskussionen und Partys zur Verfügung stehen.
Art. 5|III: Sicher läuft die Filmauswahl noch… können Sie uns trotzdem schon mal einen konkreten Vorgeschmack auf Oktober geben?
Thorsten Schaumann: Das Festival eröffnen wir mit Jan Zabeils DREI ZINNEN. Darauf können wir uns schon freuen. Und die diesjährige Retrospektive ist dem algerisch-französischen Regisseur Tony Gatlif gewidmet, dessen zentrales Thema die Sinti und Roma sind. Ein spannender Filmemacher, dessen Filme vielfach ausgezeichnet wurden und der in Hof sein neuestes Werk „Djam“ vorstellen wird. Darüber hinaus gibt es vieles mehr zu entdecken. Aber mehr kann ich zum momentanen Zeitpunkt noch nicht sagen. Es lohnt sich auf alle Fälle zum Festival zu kommen!
Art. 5|III: Unter Filmliebhabern zum Schluss noch die wohl wichtigste Frage – wir gehen stark davon aus, dass Sie einer sind – haben Sie einen Lieblingsfilm (oder -Regisseur)?
Thorsten Schaumann: Die Liste würde den Rahmen sprengen und es kommen jedes Jahr neue Filme und Regisseure hinzu.
Art. 5|III: O.K. – eventuelle Grundsatzdiskussion erfolgreich abgewürgt (lacht). Dann wünschen wir Ihnen für die Feuertaufe und natürlich auch darüber hinaus viel Erfolg – und für die heiße Phase einen kühlen Kopf!
Bei den Internationalen Hofer Filmtagen werden jährlich rund 130 Filme aus verschiedenen Ländern in deutscher Erstaufführung oder als Weltpremiere gezeigt. Dazu zählen Filme in Spielfilmlänge, Kurzfilme und Dokumentarfilme. Das Publikumsfestival gilt als wegbereitend für viele deutsche und internationale Filmemacher, deren Karrieren in Hof starteten.
Die Preisträger im vergangenen Jahr waren: Sandra Wollner (Förderpreis Neues Deutsches Kino für ihren Film DAS UNMÖGLICHE BILD), Aylin Tezel (Filmpreis der Stadt Hof für ihre schauspielerische Leistung in AM HIMMEL DER TAG), Dmitry Andreev und Vladimir Nikiforov für das Beste Kostümbild bei PARADIES sowie Irina Ochina und Josef Sanktjohanser für das Beste Szenenbild bei PARADIES (Bild-Kunst Förderpreis), Doris Dörrie (Hans-Vogt-Filmpreis), Anna Koch (GRANIT – Hofer Dokumentarfilmpreis für SCHULTERSIEG / WIN BY FALL).
Information:
Eröffnet wird das Festival 2018 mit der deutsch-italienischen Ko-Produktion DREI ZINNEN von Jan Zabeil. Premiere feierte das Drama bereits im August 2017 auf dem Filmfestival von Locarno. Der Ausflug auf eine Hütte in den italienischen Dolomiten wird zum Schauplatz der Szenerie um Aaron (Alexander Fehling), seine Freundin Lea (Bérénice Bejo) und deren achtjährigen Sohn Tristan (Arian Montgomery). Sohn und Freund kämpfen um ihre Position in der neuen Familie und sehen sich auf einer Wanderung nicht nur mit der Natur, sondern vor allem mit sich selbst konfrontiert.
Fotocredits:
Thorsten Schaumann neuer künstlerischer Leiter der Internationalen Hofer Filmtage, Foto © Hofer Filmtage