Die Adventszeit hat begonnen und mit ihr auch das Grübeln nach dem richtigen Geschenk für Kind, Enkel, Nichte oder Neffe. Wer das Glück hat, einen exklusiven Blick auf den Wunschzettel des zu beschenkenden Kindes zu erhaschen, ist auf der Siegerseite. Allen anderen sei gesagt: Es gibt Rettung – das Buch unterm Baum ist der Helfer in der Not. Nun ist das Durchstöbern des örtlichen Buchladens nach DEM ultimativen Leseschatz natürlich eine Möglichkeit, um zum Ziel zu kommen und auch nicht die schlechteste, denn was gibt es schöneres, als sich durch die Unmengen an schönen Kinderbüchern zu arbeiten! Aber die bittere Realität ist leider, dass dazu oft Zeit und Muße fehlen. Deshalb haben wir das für Sie übernommen und uns mal genauer umgesehen. Sorgfältig gesucht und schließlich auch gefunden haben wir sechs tolle Bücher, mit denen man in jedem Fall ins Schwarze trifft.
Winterhaus
Für „Winterhaus“ sollte man es sich am besten im Ohrensessel mit Decke und Kakao bequem machen, denn Ben Gutersons erster Jugendroman liefert den Gemütlichkeitsfaktor gleich mit. Eingebettet in eine winterliche Szenerie, ist die knapp 400 Seiten starke Geschichte um die Waise Elisabeth Somers und ihre unverhoffte Reise in das sagenumwobene Hotel „Winterhaus“ spannend, geheimnisvoll und sagenumwoben. Schon der Einband, der Winterhaus hinter seinen dicken Mauern zeigt, macht Spaß. Wie ein Scherenschnitt mit ausgestanzten Fenstern verweist er auf das magische Innere, den Klappendeckel, der einen Blick hinter die Mauern gewährt. Was sich wirklich dahinter abspielt, bleibt bis zum Schluss spannend. Das Buch ist ein einziges Geheimnis, das Stück für Stück gelüftet wird. Elisabeth und ihr neu gewonnener Freund Freddy, mit dem sie die Liebe zu Wörtern, Büchern und Anagrammen teilt, werden vor viele kleine Rätsel gestellt, und der Leser ist dazu angehalten, fleißig mitzuraten. Warum wird Elisabeth von ihrer unliebsamen Tante und ihrem mürrischen Onkel, bei denen sie seit dem Tod ihrer Eltern mehr schlecht als recht lebt, über Weihnachten nach Winterhaus geschickt? Was verschweigt der nette Hoteldirektor vor ihr, der sich wie ein Vater um sie sorgt, und was stimmt mit diesem gruseligen Ehepaar nicht, das sie auf der Busfahrt nach Winterhaus so böse angestarrt hat? Welches Geheimnis liegt auf der aberwitzig großen Bibliothek, die bei Nacht stets verschlossen bleibt? Wer ist gut und wer böse und was hat Elisabeth eigentlich mit all dem zu tun? So viele Fragen, die geklärt werden wollen und den Leser in seinen Bann ziehen. Begleitet wird die Geschichte von stimmungsvollen Schwarz-Weiß-Illustrationen, die der Fantasie gelegentlich auf die Sprünge hilft – ein gelungenes Sahnehäubchen auf einem ohnehin schon spannungs- und stimmungsgeladenen Winterbuch.
Ben Guterson: Winterhaus, Freies Geistesleben, Deutsch, 407 Seiten, mit Laser-Cut-Einband und Illustrationen von Chloe Bristol, 20 €, ab 11 Jahren, ISBN: 978-3-7725-2891-0
Igel Ignatz und das Weihnachtswunder-Wupp
Wo geht’s denn hier zum Weihnachtsmann?
Noch nie was gehört vom Weihnachtswunder-Wupp? Das ist – neben Wichteln und Weihnachtselfen – ein nicht zu unterschätzender Helfer des Weihnachtsmannes. Damit der schneller arbeiten kann, wuchtet das Wupp die Geschenke für den Chef durch die Kamine. Soweit, so logisch, wäre das Weihnachtswunder-Wupp nicht plötzlich vom Weihnachtsmannschlitten gefallen. Doch zum Glück ist es direkt auf Igel Ignatz gelandet – ein hilfsbereiter Zeitgenosse, der schon so manches Problem mit Bravour gelöst hat. Ignatz und Wupp machen sich also auf die Suche nach dem Weihnachtsmann und erleben, zusammen mit einem Elfhörnchen und Maulelf, im Wald ein tolles Abenteuer.
In Dirk Hennings interaktivem Bilderbuch geht es um ein verlorengegangenes Wunder, das es zu retten gilt. Wie schon in den zwei Vorgängerbüchern aus der Igel-Ignatz-Reihe besticht auch Band 3 durch witzige Zeichnungen und fröhliche Texte des Garfik-Designers und Kinderbuchillustrators. Besonders schön sind die integrierten Bildlabyrinthe mit Wimmelbildcharakter zum Wegefinden und Dingeentdecken – hier muss man auch als Erwachsener drei Mal hingucken. „Ignatz und das Weihnachtswunder-Wupp“ ist kein Bilderbuch, dass man schnell durchgeblättert hat, sondern eines, für das – und das ist das Schöne – man ein bisschen gemeinsame Zeit einplanen sollte. Empfohlen für Kinder ab 3 Jahren.
Dirk Henning: Igel Ignatz und das Weihnachtswunder-Wupp – Wo geht’s denn hier zum Weihnachtsmann?, Arena, Deutsch, 32 Seiten, mit Goldfolienprägung auf dem Cover, 13 €, ab 3 Jahren, ISBN: 978-3-401-71046-4
Tanz der Tiefseequalle
Ganz nah am Deutschen Jugendbuchpreis 2018 vorbeigeschrammt ist der Jugendroman „Tanz der Tiefseequalle“ von Stefanie Höfler, hauptberuflich Lehrerin. Sie kann gut mit Kindern, schöpft aus einem großen Erfahrungsschatz, das spürt man ab der ersten Seite. Denn sie erzählt eine Geschichte, die sich so oder so ähnlich sicher täglich an zahlreichen Schulen abspielt – von Gruppenzwang und Mobbing, aber auch von Freundschaft und Zivilcourage. Dabei lässt sie ihre zwei Protagonisten in ganz unterschiedlichen Schreibstilen zu Wort kommen: Niko (titelgebende „Tiefseequalle“), der zwar überdurchschnittlich schlau ist, aber auch überdurchschnittlich dick und deshalb den ständigen Gemeinheiten und Schikanen seiner Mitschüler ausgesetzt ist, sich dagegen aber inzwischen mit antrainierter Gleichgültigkeit gewappnet hat; und Sera, eine Schönheit, wie sie im Buche steht, die Mitleid mit Niko empfindet und das Verhalten ihrer Mitschüler im Stillen verachtet, aus Feigheit aber trotzdem nichts dagegen unternimmt. Als Mädchenschwarm Marko sie auf der Klassenfahrt begrapscht und Niko dazwischengeht, wird auch Sera zum Opfer der Intrigen von Marko. Gemeinsam fliehen Sera und Niko aus der Situation und lernen sich dabei immer besser kennen.
„Tanz der Tiefseequalle“ ist kein rühriges oder todernstes Buch, wie es die Themen vielleicht vermuten lassen. Im Gegenteil. Changierend zwischen bestürzend und witzig, ist es vor allem eines: ehrlich und nah an den Jugendlichen. Es macht Spaß, Niko und Sera dabei zuzusehen, wie sie sich gemeinsam Schritt für Schritt weiterentwickeln und wie sie am Ende sogar dem unterbelichteten Marko einen Denkzettel verpassen.
Stefanie Höfler: Tanz der Tiefseequalle. Beltz, Deutsch, 190 Seiten, 7,95 €, ab 12 Jahren, ISBN: 978-3-407-74889-8
Alle Welt – Das Landkartenbuch
Der Weihnachtsmann wohnt ja bekanntlich am Nordpol. Doch sicher fragt sich so manches Kind, wo der eigentlich liegt und wie es da aussieht. Am besten ist es in so einem Fall, man schaut sich das mal auf einem Atlas an. Ein wahrer Wissensschatz und wohl einer der schönsten Kinderatlanten und Sachbücher überhaupt ist „Alle Welt – Das Landkartenbuch“, das heuer in einer neuen, erweiterten Auflage erschienen ist. Mit diesem Atlas vor der Nase, lässt es sich ganz vortrefflich auf Weltreise gehen – ganz ohne Flugticket und Koffer. Einfach Buch aufschlagen, Land raussuchen und los geht’s. Die wunderbaren Illustrationen des polnischen Grafikerpaares Aleksandra Mizielinska und Daniel Mizielinski stellen sich dabei als hervorragende Begleiter des Weltenbummlers heraus. Man sieht Geysire sprudeln und heiße Quellen brodeln, erfährt von der Existenz der Runensteine in Uppsala und weiß nach eingängigem Studium, wo sich die höchste Felsskulptur Europas befindet. Ob die Leibspeise der Peruaner, die Bedeutung Diego Riveras für die Kunstwelt oder der Verdienst Alfred Nobels (er hat das Dynamit erfunden – Hätten Sie’s noch gewusst?) – dieser Wälzer gibt anschaulich Auskunft darüber. Im Gegensatz zu anderen Atlanten kennt dieses Prachtexemplar nicht nur Bodenschätze und Einwohnerzahlen, sondern liefert obendrein einen Überblick über die Kulturgeschichte der einzelnen Länder.
Dazugekommen sind in der Neuausgabe 20 neue Länder: darunter auch Argentinien, Äthiopien, Estland, Norwegen, Litauen, Georgien, Iran, Taiwan und Ungarn. „Alle Welt“ ist ein Buch für junge, alte, angehende oder eingefleischte Entdecker – eine Anschaffung fürs Leben, zum niemals Sattsehen, zum Vererben… zum endlosen Schwelgen.
Aleksandra Mizielinska/ Daniel Mizielinski: Alle Welt. Das Landkartenbuch, Moritz Verlag, Deutsch, 152 Seiten, aus dem Polnischen von Thomas Weiler, 34 €, ab 6 Jahren, ISBN: 978-3-95728-222-4
Wer hat den Schnee gestohlen?
Wie schön und friedvoll der Winter sein kann, wenn er die Landschaft in eine weiße Pracht hüllt, bleibt den meisten Erwachsenen verborgen. In der Hektik des Alltags passiert es irgendwann, dass ihnen der Blick dafür abhanden gerät. Dabei ist Schnee doch etwas so Herrliches, findet auch die kleine Gerda. Nur hat sie seit drei Jahren schon keinen mehr zu Gesicht bekommen. Ihre jüngeren Geschwister sogar noch nie. Da er den großen Leuten laut eigenen Aussagen gestohlen bleiben kann, liegt die Vermutung nahe, dass ihn wohl einer stibitzt haben muss! Also macht sich Gerda auf die Suche nach ihm und schreibt in ihrer Verzweiflung sogar einen Brief an die Tante in den Bergen, die den Schnee vor der Nase hat und ihn nur hinüberschicken zu braucht.
Einfühlsam erzählt von der in Köln lebenden Ukrainerin Yaroslava Black, wird die Geschichte um die Kraft des Glaubens und Wünschens von den wunderbar warmen, sanften und in zarten Farben gestalteten Illustrationen der Hallenserin Ulrike Jänichen begleitet. Ein Vorlesebuch, das seine Stärke in den leisen Tönen entfaltet. Empfohlen für Kinder ab 3 Jahren.
Yaroslava Black/ Ulrike Jänichen: Wer hat den Schnee gestohlen?, Urachhaus, Deutsch, 32 Seiten, 16 €, ab 3 Jahren,
ISBN: 978-3-8251-5176-8
Der Nussknacker
Wer beim Beschenken am liebsten auf einen Klassiker zurückgreifen möchte, darf sich über eine wunderschön gestaltete Neuauflage von E. T. A. Hoffmanns „Nussknacker und Mäusekönig“ freuen. Das kürzlich bei Knesebeck erschienene Büchlein kommt im tieforangenen Leinengewand daher und ist nicht nur wunderbar anzufassen, sondern auch anzuschauen. Denn untermalt wird die Geschichte um Marie, die am Weihnachtsabend Zeugin wird, wie der Nussknacker mitsamt der Spielzeugarmee von Bruder Fritz zum Leben erwacht und kampfbereit dem Mäusekönig inklusive Gefolgschaft gegenübertritt, von selten schönen Illustrationen. Diese gehen auf das Konto der finnischen Stoff- und Musterdesignerin Sanna Annukka. Unverkennbar sind ihre skandinavisch-slavisch geprägten Illustrationen im Siebdruckverfahren, die den Figuren eine besondere Märchenhaftigkeit verleihen und sich durch ihre Geometrie, Reinheit und intensive Farbgebung auszeichnen. Ebenfalls von ihr illustriert und bei Knesebeck erschienen: „Die Schneekönigin“ von Hans-Christian Andersen. Bleibt zu hoffen, dass sich ihre Illustrationsfreude mit diesen beiden „Allroundern“ der Welt- und Weihnachtsliteratur noch nicht erschöpft hat. Gerne mehr davon!
Sanna Annukka/ E. T. A. Hoffmann: Der Nussknacker, Knesebeck, Deutsch, 96 Seiten, 15 €, ohne Altersbeschränkung,
ISBN: 978-3-95728-222-4