Alle zwei Jahre freuen sich das Kulturforum in Fürth und die Jazzfreunde der Region auf die Fürther Jazzvariationen im Herbst. Dieses Jahr pausiert das längst Tradition gewordene Festival. Das Alternativprogramm der Macher lässt sich aber mindestens genauso gut sehen: Am 18. Oktober gastieren Mulo Francel & Friends mit ihrem „Mocca Swing“ im kleinen Saal, am 20. und 21. Oktober dürfen sich die Anhänger auf das Musikprojekt „Orpheus has just left the building - ein Konzept zwischen Barock und Jazz“ freuen.
Einige – in ihren jeweiligen musikalischen Fachbereichen als durchaus verrückt und experimentierfreudig bekannte – Musiker übten einst den Schulterschluss. Und arrangierten eines der vielleicht spannendsten regionalen Projekte. Die barocke Musik, in Form des „notorischen Grenzgängers“ (Süddeutsche Zeitung) Johannes Reichert, und der moderne Jazz, den Komponist und Pianist Peter Fulda vertritt, taten sich zusammen, um die Symbiose der beiden Musikstile zu üben. Alleine schon der Titel verspricht Spannung. Schließlich ist es hier nicht mehr Elvis, der das Gebäude gerade verlassen hat, sondern Orpheus. Während Frank Zappa den legendären Ausspruch eines Konzertmoderators nach einem Gig des Rock‘n‘Rollers wörtlich in einer der brillantesten Nummern seiner Schaffenszeit verarbeitete, ersetzen die beiden mittelfränkischen Musiker Elvis durch Orpheus. Und stoßen damit inmitten des Marks vieler Musikfreude. Schließlich galt Henry Purcell als „britischer Orpheus“. Die Musik des mit nur 36 Jahren verstorbenen Briten ist zeitlos, über jeden Epochengeschmack hinweg ergreifend und von edler Schönheit. Johannes Reichert und Peter Fulda haben sich – jeder auf seine Weise – dem Werk des Genies immer wieder mit großer Liebe, tiefem Respekt und gesunder Frechheit genähert. Mit ihrem Orpheus-Projekt lassen sie die Welten kunstvollen Barockgesangs und zeitgenössischer Jazz-Dekonstruktion aufeinanderprallen. Entstanden ist ein Werk, das Grenzen überschreitet, zeitweise genial, zeitweise grenzwertig anmutet. Am Ende sind sich die Kunstkritiker landauf, landab jedoch einig: Es ist ein Gesamtwerk grazilen Schaffens mit imposantem Tiefgang und sinnlicher Schönheit. „Alte Musik und Jazz rücken jeweils allmählich immer näher zusammen, überlagern sich zunehmend, bis sie schließlich in einer Synthese beider Gattungen große hymnische Duette von klangsinnlicher Schönheit bescheren“, attestiert die Süddeutsche. Countertenor, Cembalo und Lauteninstrumente auf der einen Seite, waghalsige Stimmakrobatik, Jazzklavier und Kontrabass auf der anderen. Diese disparate Besetzung hält neben intensiven Farbkontrasten auch überraschende Kongruenzen bereit. Kein Wunder, dass die beiden Macher und ihre musikalischen Mitstreiter gefeiert werden. Kein Wunder auch, dass das Kulturforum nach vielumjubelten Auftritten das heimische Projekt gleich zweimal im großen Haus veranstalten.
Zwei Tage vorher wird es im kleinen Haus nicht minder interessant, wenn Mulo Francel & Friends auf den Bühnenbrettern stehen. Francel, bekannt als kreativer Wirbelwind des erst kürzlich beim Hersbrucker Gitarrenfestival gefeierten Ensembles Quadro Nuevo, und sein Saxophonspiel gelten längst nicht mehr als Geheimtipp in der Szene. Seit 30 Jahren tingelt Francel mit seinem Spielgerät über den Globus. Und allerorten hagelt es Lobeshymnen. Mit seiner extravaganten Spielweise lotet er die Grenzbereiche zwischen Jazz, Klassik und World Music aus. BossaNova und Cool Jazz verweben sich mit Vorlieben für Tango, mediterrane Musizierkunst und alteuropäische Melodien. Das Magazin Kulturnews schrieb ihm den „derzeit sinnlichsten Saxophonsound Europas“ zu. Viel mehr an bauchpinselnder Bewunderung kann man fast gar nicht ausdrücken. Doch verwundert das? Mitnichten! Nicht umsonst ist der im Umfeld des beschaulichen Chiemsees aufgewachsene Münchener zweifach prämierter ECHO-Gewinner und auch sonst nicht wenig preisgekrönt. Doch es ist nicht nur Mulo Francel, der das musikalische Erlebnis ausmacht. Wenn er mit seinen Freunden durch die Lande tourt, stimmt das Gesamtpaket. Mit dem aus Armenien stammenden Münchener David Gazarov am Piano bildet Francel einen schillernden Klangkörper, der die Gräben zwischen U- und E-Musik, zwischen zeitgenössischem Jazz, Klassik und Weltmusik überwindet. Gazarov gilt als funkensprühender Tausendsassa auf der Bühne, der sich einst als Barpianist im Bayerischen Hof in der Landeshauptstadt einen Namen machte. Robert Kainar agiert hochsensibel am Schlagzeug, ist einer der kreativsten Musiker der österreichischen Szene und bereichert Sommer für Sommer das Ensemble des Jedermann in Salzburg, wo er auch herkommt. Nicht zuletzt ergänzt Sven Faller die Kombo aus guten Freunden. Er ist ebenfalls langjähriger Weggefährte, verdiente sich in New York seine Sporen. Nicht nur als Begleiter zahlreicher internationaler Interpreten, sondern auch als Solo-Bassist und Buchautor hat er sich einen Namen gemacht hat. Vier enge Freunde. In jedem ihrer Lieder swingt gemeinsam Erlebtes mit. Am Ende – und da schließt sich der Kreis: Eine Portion Musik belebend wie eine Tasse Mocca. Mocca-Swing.
Fotocredits:
Mulo Francel & Friends, Foto © David Gazarov
Orpheus, Foto © Michael Eckstein