Das fränkische Publikum darf sich freuen: Am 20. Februar gastiert einer der Durchstarter des vergangenen Kalenderjahres im Erlanger E-Werk. Im Rahmen seiner „Der Junge, der rennt“-Tour tourt der gebürtige Badenser Max Giesinger zwei Monate lang durch die Clubs der Republik.
Dabei sind nicht mehr ganz kleine Clubs genau das, was Max Giesinger braucht. Für seine intensiven Texte braucht es keine monströsen Hallen. Es braucht ein Maß an Behaglichkeit und Nähe zum Publikum. Nur so kommt er wirklich gut zur Geltung. Dabei hat er, der im Sog vieler neuer deutscher Liedermacher an die Spitze der Charts gespült wurde, durchaus große Pläne. Er will die großen Hallen des Landes erobern. Die Chancen dafür stehen gut. Sieht man sich die Vita des jungen Mannes näher an: Sie stehen sogar sehr gut. Schließlich ist Giesinger einer, der sich grundlegend von fast allen Lebensläufen anderer Shootingstars unterscheidet. Klar, 2016 war für ihn mit seinen beiden Gassenhauern „80 Millionen“ und „Wenn sie tanzt“ das Jahr der Jahre. Und doch: Max Giesinger ist alles andere als ein Newcomer. Ganz im Gegenteil. Schon vor fast sechs Jahren schlug die erste große Stunde des in der Nähe von Karlsruhe aufgewachsenen, charismatischen Songwriters. Gerade war er nach seiner Rückkehr von einer Backpacker-Reise aus Neuseeland und Australien von der renommierten Popakademie in Mannheim nach der nicht bestandenen Aufnahmeprüfung abgelehnt worden. Wo andere ihren Traum einer Musikerkarriere endgültig zu den Akten legten, legte Max Giesinger – ganz trotzkopflike – erst richtig los. Angesprochen von den Produzenten der Castingshow „The Voice of Germany“ gab er sich die Ehre. Und, man möchte sagen ausgerechnet, Xavier Naidoo nahm sich des Strubbelkopfes an. Naidoo, einst Dozent an der Mannheimer Akademie, führte seinen Schützling bis ins Finale, wo er letztlich auf dem vierten Platz landete. Kaum war der Erfolg eingeheimst, setzte sich Trotzkopf Giesinger erneut (diesmal freiwillig) ins musikalische Abseits. Fünf Singles, eine EP und eine Tour später kündigte er die Zusammenarbeit mit seinem Label auf. Der gefeierte Shootingstar, unter anderem landete sein „Dach der Welt“ auf Rang 14 der deutschen Singlecharts, stand ohne jegliche Hintermänner da und drohte im Sumpf der zahlreichen One-Hit-Wonder in der Versenkung zu verschwinden. Er wäre damit nicht der erste gefeierte Sänger einer Castingshow, dem dieses Schicksal gedroht hätte. Es waren viele, die dieses Schicksal ereilte. Zumeist Musiker, die ihr Handwerk von klein auf gelernt hatten und am plötzlichen Ruhm zerbrachen. Eine Gemeinsamkeit hat Max Giesinger mit diesen zumindest: Er hat das Musikergen schnell aufgesogen und das Metier von frühester Kindheit an professionalisiert. Schon im zarten Alter von 13 Jahren spielte er in seiner ersten Band, es folgten zahlreiche Engagements bei verschiedenen Kombos. Der große Erfolg war denen nicht vergönnt. Und doch: Bis zum eingeheimsten Abitur und der schon erwähnten Reise nach Down Under verschaffte er sich den Ruf eines mehr als anständigen Livemusikers, der munter durch die Region tourte. Und ganz nebenbei entdeckte Giesinger schon 2006 die Möglichkeiten des Streamings. Genauer gesagt des Videoportals You Tube. Er veröffentlichte seine Werke regelmäßig dort und feierte nicht wenige Achtungserfolge. Auf diese Achtungserfolge sollten irgendwann echte Gassenhauer folgen. Doch bis dahin führte er ein Musikerleben, das von mehr Tälern als Höhen geprägt wurde. Mit der Trennung seines Labels sorgte er mit einer glorreichen Idee für mächtig Rückenwind. 2014 hob er ein Crowdfunding-Projekt aus der Taufe. Seine nächste Scheibe sollte so finanziert werden. Und wie! Nicht einmal einen Tag dauerte es, bis das in Eigenregie produzierte „Laufen lernen“ finanziert war. Einzig der Erfolg blieb aus. Wo andere die Brocken wohl spätestens jetzt hingeworfen hätten, tat Giesinger, was er mit dem Albumnamen propagierte: Er lernte laufen. Um zwei Jahre später imposant nachzulegen. Jetzt läuft er nicht mehr, jetzt rennt er. Ganz nach dem Vorbild von Filmstar Tom Hanks und seinem „Forrest Gump“ – ein Klassiker der Filmgeschichte. Den Platz in der Musikgeschichte, den könnte sich auch Max Giesinger jetzt sichern. Mit BMG hat er jetzt gleich einen absoluten Big-Player als Label im Rücken. Und die Fußball-Europameisterschaft im letzten Jahr tat ihr übriges, den Badenser überregional perfekt zu platzieren. Mit einer eigens für die EM komponierte Version seines Megahits „80 Millionen“ lief er tagein, tagaus in den Radiostationen über den Äther. Und er legte mit „Wenn sie tanzt“ noch einmal hochkarätig nach. Der Weg in die Ruhmeshallen der deutschen Singer-Songwriter gelang dem mehrfach fast schon gescheiterten Giesinger in Rekordtempo. Und jetzt, da er auf dem Olymp angekommen ist, in einem Atemzug mit Andreas Bourani, Mark Foster und Co. genannt wird, will er diesen Platz nicht noch einmal freiwillig hergeben. Er hat das, was man dazu benötigt: das nötige Gesangstalent (sowieso klar), das nötige Glück (wer bekommt schon so viele Chancen im Leben?), die nötige Hartnäckigkeit (wer lässt sich von so vielen verpassten Chancen schon nicht beirren?) und vor allem auch das nötige Charisma, um im harten Popbusiness zu bestehen. Nicht verkehrt ist da die (zufällige) Namensgleichheit mit Model Stefanie Giesinger, die zusammen mit ihm „80 Millionen“ einspielte und ihm ad hoc auch den Platz in den Klatschspalten einbrachte. Was noch fehlt? Eigentlich nur die Beständigkeit. Ob er die im Kampf um die Pole-Position mit zahlreichen anderen in seinem Genre aktiven Sängern an den Tag legt? Man darf gespannt sein: Bei Max Giesinger soll man nichts, aber auch gar nichts, ausschließen. Zumal die Leichtigkeit in seinem Leben sich nahezu punktgenau auch auf die Bühne produziert. Dort ist er der, der er bei kritischer Sicht auf sein bislang erfolgreichstes Album dort – leider – nur zu selten war: Charismatischer, witziger und sich von anderen abhebender Künstler. Einfach einer, der für die Bühne lebt. Von daher: Weiterrennen, Giesinger. Immer weiter.
Fotocredits:
Max Giesinger, Foto © Pressefoto