Die Arbeitswelt ist im Umbruch. Ein Wandel, der schon lange vorhersehbar war, vollzieht sich nun. Bis ca. 2030 werden alle sogenannten Babyboomer in den Ruhestand eingetreten sein. Es handelt sich in Deutschland um die geburtenstarken Jahrgänge nach dem Zweiten Weltkrieg, grob zwischen 1945 und 1964. Betrachtet man den demografischen Wandel, sind die nachfolgenden Generationen X, Y und Z immer kleiner geworden, sodass die unseren Sozialstaat stützende Gesellschaftspyramide – vereinfacht gesagt: wenige Alte werden von vielen Jungen getragen – künftig auf dem Kopf stehen wird. Viele Menschen im Ruhestand werden jetzt weniger Menschen im Arbeitsmarkt gegenüberstehen. Das sind die landläufig bekannten Fakten. Doch natürlich ist dieser Wandel nicht nur ein Zahlenspiel auf Papier. Er ist real, löst Ängste und Sorgen, aber auch Energie und Zuversicht aus. Auch wenn die Generationenforschung immer wieder betont, dass man nicht alle Vertreter:innen einer Generation über einen Kamm scheren kann, wurden bestimmte Alterscluster von verschiedenen gesellschaftlichen Ereignissen geprägt und unterscheiden sich in ihren Denk- und Handlungsweisen. Diese Unterschiede werden nun als besonders zugespitzt vor allem zwischen den Babyboomern und der Generation Z (ca. 1996-2010) wahrgenommen, also denen, die gerade am Ende ihres Arbeitslebens stehen und denen, die in die Berufswelt eintreten. Gerne wird hier polemisiert und die hohe Arbeitsmoral der „Alten“ gegen den Egoismus der „Jungen“ ins Feld geführt. Umgekehrt werden den „Alten“ Machtmissbrauch und Gier vorgeworfen, die die Welt an den Rand des Kollapses getrieben haben. Ein Weg der Zusammenarbeit und eine Form der Staffelübergabe muss gefunden werden, was viele Unternehmen und Institutionen umtreibt.
Wenn sich eine Gesellschaft verändert, vollzieht sich dieser Wandel logischerweise auch in der Kunst- und Kultur und mit ihm verändern sich Herangehensweisen, Themen und Ästhetiken. Anders als beim regulären Arbeitsmarkt sind Künstler:innen oft weit über das Renteneintrittsalter hinaus produktiv und auch der Beginn einer Karriere lässt sich nicht immer mit dem Eintritt in die Berufswelt gleichsetzen. Diese Grenzaufweichung gilt selbstverständlich auch für die Rezipient:innenseite. Hier hört niemand schlagartig mit dem Eintritt in den Ruhestand auf, sich für Kultur zu interessieren – ganz im Gegenteil! In Kunst und Kultur sind seit jeher viele Generationen gleichzeitig am Werk. Wie begegnen sie sich, was trennt, was verbindet sie und wie wird dieser historisch spezifische Wandel gestaltet? Danach fragt diese Reihe. Den Anfang macht: Die fränkische Literaturszene.
Vier Autor:innen-Generationen im Gespräch
Die literarische Landschaft ist weit und vielfältig. Schon wenn man nicht auf das Alter schaut, gibt es bei Schriftsteller:innen enorme Unterschiede. Während der eine vornehmlich fürs Theater schreibt, ist die andere vor allem in der Lyrik zu Hause oder verfasst bevorzugt Essays, zeigt sich auf Poetry Slams oder hat einen Roman auf der Bestsellerliste. Dramatik, Lyrik, Prosa, Spoken Word und viele hybride Formen zeichnen die Literaturwelt aus. In sich haben alle Gattungen dann zahlreiche Unterformen. Es gibt Well-Made-Plays, Krimis, Haikus und vieles mehr. Dass man in der Literatur sehr verschiedenen Vertreter:innen begegnet, entspringt also dem Gegenstand der Betrachtung. Aber lassen wir all die verschiedenen Formen und Genres beiseite und konzentrieren uns auf die Generationenfrage. Um ein fein abgestuftes Bild zu erhalten, wurden für diesen Artikel Fitzgerald Kusz (*1944), Ewald Arenz (*1965), Pauline Füg (*1983) und Maria Pacurariu (*2002) zum Thema befragt. So viel sei verraten: Allein das Alter der Protagonist:innen der Literaturwelt verändert erst einmal kaum etwas. Es werden Texte geschrieben und es braucht Leserinnen und Leser, die diese rezipieren. An diesem Kern ändert die Zeit wenig. Natürlich aber an seiner Beschaffenheit – wer Texte schreibt, ist in Zeiten von immer stärker werdenden KIs eine ganz neue Frage und auch die Kanäle und Formen, in denen gelesen wird, haben sich im Laufe der Jahre stark verändert. Aber fokussieren wir uns auf die befragten Schriftsteller:innen: Wie ticken sie und hat das was mit ihrem Geburtsjahr zu tun?
Der Drang zu schreiben – und zu lesen
Ein:e Schriftsteller:in hat einen Drang zu schreiben – und zu lesen, wie vor allem Fitzgerald Kusz nicht müde wird zu betonen. Dieses Grundbedürfnis eint die befragten Autor:innen. Während Fitzgerald Kusz vor allem über das Lesen (die Begeisterung hat sein Deutschlehrer am Gymnasium entfacht) zum Schreiben kam, anfing mit Lyrik zu experimentieren und als Fahrschüler Dialoge der Mitfahrenden im Zug zu notieren noch ohne ganz konkretes Ziel, wusste Ewald Arenz schon früh, dass er Schriftsteller werden wollte und entschied sich deshalb, so paradox das klingen mag, für ein Lehramsstudium (Englisch und Geschichte), „um Freiraum fürs Schreiben zu haben“. Pauline Füg, seit ihrem zwölften Lebensjahr nicht ohne Ideen-Notizbuch unterwegs, war begeisterter Drei Fragezeichen-Fan und hat davon beflügelt ihre eigenen Detektivgeschichten entwickelt – damals war Fan-Fiction allerdings noch nicht so verbreitet und wurde öffentlich geteilt wie heute. Auch Maria Pacurariu fasst es kurz und prägnant zusammen: „Ich schreibe, seit ich es kann“. Fast wie einen Instinkt, etwas, was einfach von Anfang an zum Leben gehörte, so beschreiben alle das Verhältnis zu ihrer Kunst. Ähnliches gilt für das Lesen. Bei Fitzgerald Kusz, wie bereits erwähnt, war es der Schlüssel zum Schreiben. In seinem Fall waren die Vorbilder vor allem in der Wiener Gruppe zu finden, viel konkrete Poesie und „Brecht. Der war wie ein Berg“. Für seine Stücke inspirierten ihn dann vor allem Vertreter:innen des Volkstheaters, wie Ödön von Horváth und Marieluise Fleißer, in Sachen Humor Karl Valentin. In der Familie Arenz war der gesamte literarische Kanon von Goethe bis Tolkien im Buchregal zu finden, „aber auch richtig viel Trash und SciFi“. Interessant an dieser Stelle – drei der sieben Arenz-Geschwister schreiben. Sie sind alle aus unterschiedlichen Generationen und in unterschiedlichen Gattungen und Genres unterwegs, gelesen haben sie aber alle exakt denselben Kanon: „Das wurde einfach nach unten durchgereicht. So unterschiedlich waren die ersten Literatureinflüsse also nicht.“ Pauline Füg hat immer schon alles aufgesogen, was sie zu Lyrik in die Finger bekam, betont aber, wie wichtig für sie Hilde Domin und Ingeborg Bachmann gewesen seien: „Es gab leider nicht viele weibliche Role Models direkt um mich herum.“ Maria Pacurariu, die Jüngste im Bunde, nennt dann als einzige zeitgenössische Autor:innen, die ihre Arbeit prägen wie Senthuran Varatharajah und Jule Weber. Vielleicht ist es Zufall, vielleicht aber auch symptomatisch, dass die jüngste Generation sich am weitesten vom Kanon entfernt. Pacurariu sagt: „Ich bin froh über Schriftsteller:innen wie Fatma Aydemir oder Ocean Vuong, weil sie Geschichten erzählen, die der deutschen Mehrheitsgesellschaft unbekannt sind. Das sind Bücher, die ich gerne in der Schule gelesen hätte. Ich habe aber das Gefühl, dass sich da allmählich etwas ändert. Dass der Kanon aufgebrochen wird. Vielleicht bin ich den Generationen über mir dafür dankbar: Für ein Aufbrechen des Kanons, das für „meine Generation“ neue Möglichkeiten eröffnet hat und Literatur zugänglicher macht.“
Lesen und Schreiben bilden bei allen Autor:innen eine zusammengehörende Bewegung. Zwei Pole, die einander immer wieder bedingen. „Die ersten zehn Jahre sind eigentlich meist für den Papierkorb. Dann hat man sich freigeschrieben.“ Mit „freischreiben“ meint Ewald Arenz das Sich-Lösen von den vielgelesenen, stilistisch vielleicht auch anfangs immer wieder kopierten Vorbildern. Füg beschreibt den Prozess zwischen Lesen und Schreiben als kontinuierliche Wellenbewegung: „In den Schreibphasen lese ich eigentlich gar nichts, um mich nicht von meinem eigenen Ton, meiner eigenen Sprache ablenken zu lassen. In den Lesephasen lasse ich mich inspirieren und es ist sehr wichtig für mich beides zu haben.“ Für Fitzgerald Kusz ist diese Bewegung aus Lesen und Schreiben ein „Abarbeiten an der Sprache“. Die Sorge, dass in den jungen Generationen zu wenig gelesen und sich mit Sprache beschäftigt wird, treibt ihn um: „Ich habe das Gefühl, es müsste viel weniger den Neuerscheinungen hinterhergerannt werden. Lieber ein Buch, das einem richtig wichtig war, mehrmals lesen und sich wirklich mit der Sprache auseinandersetzen. Für mich war die Sprache immer wichtiger als die Handlung. Drum habe ich auch nie einen Roman geschrieben.“ Hört man Pauline Füg zu, scheint die Sorge des älteren Kollegen unbegründet. Ganz im Gegenteil, es wird sogar ein recht ähnliches Verständnis deutlich: „Vielleicht bin ich aufgrund meiner Sprachliebe bei der Lyrik geblieben. Hier kann ich Sprache verdichten, ganz neue Bilder erfinden, schneller auf den Punkt kommen und ganz im Detail arbeiten. Das macht mir großen Spaß, auch wenn ich meine Roman-Idee schon gerne vorantreiben würde, aber dafür braucht es wirklich Zeit. Vielleicht klappt es ja mit dem Stipendium, um das ich mich demnächst bewerbe.“
Verschiedene Karrierewege
Stipendien, Literaturstudiengänge, Wettbewerbe, Verlage, Agenturen – ist dem Drang zu schreiben erst einmal nachgegeben, sind die Wege in die Branche vielfältig. Bei allen vier befragten Autor:innen war es die Mischung aus Leidenschaft, Disziplin, Durchhaltevermögen und auch dem berühmten Quäntchen Glück. Fitzgerald Kusz hatte gerade ca. 15 Gedichte „hochdeutsche Pop-Lyrik“ zusammen, als er von einem Freund aus dem Kultur-Asta zu einer Lesung eingeladen wurde und 1967 im Erlanger Redoutensaal niemand geringerem als Peter Handke die Show stahl, „wie die Abendzeitung zu lesen war“. Ewald Arenz ist einen anderen Weg gegangen. Er hat ein Manuskript eingereicht, das vom Verlag Ars Vivendi prompt abgelehnt wurde. Über einen kleineren Kulturverlag konnte er dann trotzdem veröffentlichen, hat so auf sich aufmerksam gemacht und kam schließlich doch zu Ars Vivendi. Sein drittes Buch wurde dann schon ein regionaler Bestseller und verschiedene Kulturpreise folgten. Als er ein gewisses Plateau erreicht hatte, wechselte er aktiv den Verlag, ist jetzt bei DuMont und auf der Spiegel-Bestseller-Liste. Pauline Füg hat während des Psychologiestudiums in Eichstätt eine Literatur-Gruppe gefunden, in der auch immer wieder öffentlich gelesen wurde. Für sie war die Bühne von Anfang an wichtig. 2004 gewann sie den Fränkischen Preis für Junge Literatur, nahm an ersten Poetry Slams teil und bewegt sich seither zwischen Spoken Word, Bühnenpoesie und klassischer Literaturarbeit. „Ich versuche zu beweisen, dass Slam nicht nur Fastfood-Literatur ist“. Lange war sie überall dort, wo gelesen wurde, vernetzte sich und kam so zu ihrem ersten Lyrik-Band im Verlag Stellwerck aus Würzburg. 2023 wird sie mit dem Kulturpreis der Stadt Nürnberg ausgezeichnet. Maria Pacurariu studiert derzeit Philosophie und Politikwissenschaft in Berlin. Sie arbeitet als freie Journalistin. 2021 gewann sie im zarten Alter von 18 Jahren den Fränkischen Preis für Junge Literatur: „Das hat mir geholfen, mein Schreiben ernst zu nehmen. Plötzlich wurde ich auch zu kleineren Lesungen eingeladen. Sonst wäre mein Schreiben vielleicht noch viel länger in der Schublade geblieben.“ Diese glücklichen Momente, in denen einem eine Form von Anerkennung und Förderung zuteil wird, waren für alle unverzichtbar. Dahinter stehen oft engagierte Kolleg:innen. Fitzgerald Kusz und Ewald Arenz verbindet beispielsweise der ehemalige Erlanger Kulturdezernent Wolf Peter Schnetz, der Schreib-Workshops und Vernetzung initiierte. Aber eben auch Verlage wie Ars Vivendi mit Leiter Norbert Treuheit, der immer nach Talenten Ausschau hält und „viel für die Förderung junger Leute getan hat“, wie Ewald Arenz anerkennt oder Preise wie der von der Stadt Nürnberg jährlich vergebenen Fränkischen Preis für Junge Literatur können viel bewirken.
Dass das Schreiben keine Angelegenheit für den Elfenbeinturm ist, bestätigen alle vier. Alle betonen, wie wichtig es ist, mit seinen Texten ein Gegenüber zu suchen, im Austausch zu sein, bestenfalls ein Lektorat zu haben: „Karl-Heinz Braun vom Verlag der Autoren war für meinen Werdegang als Bühnenautor die wichtigste Person. Er war es vermutlich irgendwie auch für meine Generation. Handke, Fassbinder, Sperr – er hatte mit allen zu tun“, erzählt Fitzgerald Kusz. Maria Pacurariu beschreibt die Dringlichkeit dieses Austauschs: „Es ist für junge Schreibende wichtig, dass es Literaturmagazine gibt, Räume der Begegnung, Lesebühnen und Literaturfestivals. In Städten wie Berlin gibt es das natürlich. Aber junge Menschen müssen auch in anderen Städten mutig sein, sich die Räume zu nehmen, die sie brauchen. Und von der Stadt entsprechend unterstützt werden. In Nürnberg beispielsweise entsteht gerade das Projekt Matepoesie. Ein Schreibzirkel mit Lesebühne. Das macht mich sehr froh, weil ich weiß, wie wichtig das Ernstnehmen des Schreibens und der Austausch mit anderen ist.“ Auf die Frage, ob es heute oder früher leichter war, in der Literatur Fuß zu fassen, hat niemand eine eindeutige Antwort. „Die Literaturwelt hat sich enorm verändert“, sagt Ewald Arenz „es gibt heute andere, vielfältigere Zugänge wie Social Media, Self-Publishing, aber ob es dadurch leichter geworden ist?“ Dass es heute mehr Literaturstudiengänge gibt, befürwortet er sehr, denn „Schreiben ist schon auch ein Handwerk und kein Hexenwerk“. Maria Pacurariu glaubt nicht, das wirklich einschätzen zu können und empfindet die vermeintlich erfolgsversprechende Social-Media-Präsenz persönlich eher als stressig und Pauline Füg fasst für sich zusammen: „Ich hatte das Gefühl, ich musste mir immer alles selbst zusammensuchen. Klar, es gab einen Studiengang in Leipzig. Ich wurde beim ersten Mal nicht genommen und hatte weder Zeit noch Geld, es weiter zu probieren. Ich habe mich durchgeboxt und genetzwerkt bis zum Umfallen. Heute würde ich das gar nicht mehr schaffen – Gut, dass ich mal 20 war. Ich denke, für die ganz junge Generation ist es vielleicht leichter herauszufinden, wo man andocken kann, dafür aber vielleicht schwerer wirklich anzudocken. Früher war es eher umgekehrt. Heute drängen einfach mehr Leute auf den Markt.“ Sich zu behaupten und dranzubleiben, das scheint die große Herausforderung zu sein, ganz unabhängig vom Alter. „Ich bin wirklich froh, jetzt erst meine Bestseller gelandet zu haben.“, gesteht Ewald Arenz und führt den Gedanken weiter aus: „Junge Kolleginnen wie Caro Wahl (*1995) beispielsweise beeindrucken mich maßlos. Sie hat mit einem Bestseller losgelegt. Wie schreibt man da danach denn weiter? Das ist ein so enormer Druck. Ich könnte damit leben, wenn es wieder vorbei wäre, aber wenn man so anfängt?“ Konkurrenzdruck herrscht nicht überall gleichermaßen in der Literaturwelt. „In der Lyrikszene sind alle verbundener miteinander, vermutlich, weil dieser Druck fehlt“, konstatiert Kusz. Eine Verbundenheit der Generationen untereinander. Gibt es die?
Die Generationenfrage
„Ich habe über meine Workshop-Tätigkeit eine gute und konstante Verbindung zu jüngeren Kolleg:innen und es ist mir wichtig“, sagt Pauline Füg und auch Ewald Arenz zieht für sich die Bilanz, dass er durch Schüler:innen, eigene Kinder, aber auch jüngere Kolleg:innen, die er in seiner Reihe „Fürther Freiheit“ in den Fürther Nachrichten über einige Jahre gefördert hat, immer in gutem Austausch war. Fitzgerald Kusz hat so viel am Theater, einem an sich sehr generationenübergreifenden Ort, gearbeitet und den Austausch immer genossen und auch Maria Pacurariu hat „das Glück, einige ältere Freund:innen zu haben, die mir helfen, mich produktiv mit meinem Schreiben auseinanderzusetzen.“ Ein paar Unterschiede stellt man dann aber doch fest, wenn man auf die Jüngeren oder Älteren blickt. Fitzgerald Kusz empfindet vieles bei den Jungen als Ex-und-Hop-Mentalität, die vor allem den schnellen Erfolg suche und „nichts mehr von Bestand schreiben will.“ Ewald Arenz konstatiert eine Art Saturiertheit, die das Leiden an der Welt oft abstrakter macht, wägt aber im gleichen Atemzug ab, dass es vielleicht von den empfindsamen Seelen, die es zu allen Zeiten gab, heute mehr geben könnte. Pauline Füg findet erstaunlich, wie sehr sich die Jüngeren dem Geschlechts- und Identitätsthema zuwenden und ältere Kolleg:innen sich davon triggern lassen. Maria Pacurariu sträubt sich ein wenig gegen die Kategorisierung. Ihr Fazit: „Ich denke, viele Themen bleiben gleich, weil wir eben Menschen sind. Und Literatur ist ja vor allem das: ein anderer Mensch erzählt uns, was Menschsein für ihn bedeutet. Nur die Perspektiven darauf werden vielfältiger, weil mehr unterschiedliche Stimmen gehört werden. Das macht mich froh. Sonst glaube ich, dass „meine Generation“ keinen Konflikt sieht zwischen digitalen Medien und dem Schreiben. Da wird viel interdisziplinär gearbeitet und herumprobiert.“ Und da ist das Stichwort: Digitalisierung - sie wird von den vier Generationenvertreter:innen tatsächlich recht unterschiedlich eingeordnet. Während sie für Pacurariu positiv besetzt ist, hat sie für Fitzgerald Kusz das destruktive Potenzial, zu einem „Auseinandertreiben der Gesellschaft“ zu führen. Ewald Arenz sieht erstmal die massivste Veränderung, die Digitalisierung für die Literaturwelt mit sich bringt: „Es wird weniger gelesen!“ Und Pauline Füg wartet auf den ersten Bestseller, bei dem erst Jahre später enthüllt wird, dass ihn eine KI verfasst hat: „Wäre das schlimm? Ich versuche erstmal die neuen digitalen Interaktionsmöglichkeiten als Mehrwert zu begreifen, probiere auch selbst einiges aus, wähle also eher den Weg der Konfrontation, als einfach davor wegzulaufen. Aber man wird kritisch schauen müssen, wo sich das hin entwickelt.“
Und was ist jetzt mit der großen Kluft zwischen paternalistischen, besserwisserischen Boomern und der Generation Z? „Das nehme ich persönlich nicht so stark wahr. Auch glaube ich, dass dieser Generationenkonflikt teils konstruiert wird und dass andere Fragen eigentlich im Vordergrund stehen, zu denen Menschen derselben Generation ganz unterschiedliche Positionen beziehen können. Zum Beispiel: Wie politisch muss Literatur sein? Welche Geschichten erzählen wir angesichts der Klimakrise? Wer darf welche Geschichte erzählen? Die Geschichten, die am Ende als Geschichten einer „Generation“ im Regal landen, sagen vielleicht mehr über den Literaturmarkt aus als über das, was tatsächlich geschrieben wird“, zieht Maria Pacurariu klug Bilanz. „Klar wirft mir meine Tochter manchmal Mansplaining vor“, gibt Ewald Arenz zu, „aber das ist ja auch mein Beruf. Ich bin ja schließlich Lehrer und ich werde auch um Rat gefragt. Ich versuche allerdings möglichst wenig Ratschläge zu geben und keine Konkurrenz entstehen zu lassen.“ Konkurrenz ist auch das Stichwort für Pauline Füg, die ja in gewisser Weise eine Art Sandwich-Position innehat: „Den älteren Männern würde ich sagen: man muss keinen Generationenkonflikt sehen. Niemand will irgendjemandem irgendwas wegnehmen. Sie können ja auch gar nicht weggedrängt werden. Sie haben viel erreicht, was sehr wichtig war. Jetzt wäre es doch gut, die Synergien zu nutzen und von den Jüngeren etwas mitzunehmen. Ich suche diese Rolle auch für mich selbst, wo jetzt schon eine Generation nachgewachsen ist, versuche Mentorin zu sein und keine Angst vor Konkurrenz zu haben.“ Trotzdem schmerzt es auch, wenn Formen und Themen, für die man stand und brannte, plötzlich verblassen und unwichtiger werden. „Das Volksstück ist heute nicht mehr sonderlich gefragt. Ich war und bin für das dramaturgisch gut gebaute Stück. Das postdramatische Theater ist nicht mein Ding. Das ist schon nicht leicht, Abschied zu nehmen und Veränderungen zu akzeptieren“, gibt Kusz zu. „Trotzdem“, setzt Maria Pacurariu nach „eine gewisse Selbstsicherheit halte ich für "meine Generation" für wichtig. Denn nur so können Forderungen gestellt und alte Strukturen im Literaturbetrieb aufgebrochen werden.“ Und da muss noch einiges passieren, was Gleichberechtigung und Öffnung anbelangt, das klingt in allen Gesprächen an. „Es gibt so viele junge Frauen, die schreiben und Talent haben, dann aber recht schnell wieder aufhören“, stellt Ewald Arenz bedauernd fest, was Pauline Füg bestätigt: „Viele junge Kolleg:innen fühlen sich in ihrem Schreiben einfach nicht ernstgenommen, werden blöd angemacht und auf ihr Äußeres reduziert. Irgendwann hat man keinen Nerv mehr.“ So lange das immer noch so ist, gibt es etwas zu tun. Wie Veränderung gelingen könnte? Maria Pacurariu schlägt vor: „Vielleicht, indem wir uns vor Augen führen, dass Literatur für alle ist. Und für eine solche Literatur, die uns wirklich bereichert, die nicht in elitären Räumen stattfindet, einstehen. So schreiben wie es einem wirklich ein Anliegen ist und Räume dafür schaffen, statt sich dem Literaturbetrieb anzubiedern.“ Dieser Ansatz wäre auf jeden Fall generationsübergreifend.