Andy Sweet, Uriah Heep, Nazareth und Wishbone Ash. Viel mehr Bühnenerfahrung sieht man nicht allzu oft gemeinsam auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Am 17. Januar ist es in der Neumarkter Jurahalle soweit: "Music and stories" tauften findige Macher das Konzerterlebnis. Was steckt da eigentlich dahinter? Art. 5 III-Mitarbeiter Andi Bär traf sich mit Heep-Urgestein Mick Box in dem neuen In-Hotel Jams Music Hotel im Münchener Stadtteil Haidhausen, direkt um die Ecke der legendären Muffathallen gelegen, um sich über die Idee hinter dem Konzept zu unterhalten. Und natürlich auch über alte Zeiten, nostalgische Konzertereignisse während des kalten Krieges und vieles mehr.
Box, der zusammen mit seinem dauernden Wegbegleiter und Tourmanager Heinz Preisch - einem stets gut gelaunten Österreicher mit unzähligen Geschichten im Gepäck - beim Termin erschien, ist einer, der viel zu erzählen hat. Wie so viele andere Künstler auch. Und genau da setzt das Konzept auch an. Es geht nicht mehr nur um die Musik. Es geht um mehr. Es geht darum, den treuen Anhängern einen mehr als intensiven Blick hinter die Kulissen zu erlauben. Im wahrsten Sinne des Wortes. Dorthin, wo normalerweise nur Mitarbeiter mit dem "AAA"-Vermerk auf der Akkreditierung Zugang haben - in die Access all areas-Zone - haben die Veranstalter eine Kamera installiert. Die Besucher werden also unmittelbarer Zeuge davon, was in den Umkleiden der Stars passiert. "Das wird richtig witzig", verspricht der Gitarrist von Uriah Heep im Vorfeld, "weil wir wirklich auch viel Blödsinn im Kopf haben." Mick Box lacht. Wie er es so oft tut. Alleine schon der Gedanke an die Tour lässt seinen Gute-Laune-Level von "richtig gut" in Richtung völliger Vorfreude ausschlagen. Kein Wunder: Schließlich gehen langjährige Weggefährten von Uriah Heep mit auf die Tournee. Allen voran Andy Scott, Leadsänger der Kombo Sweet. Er tritt dabei weniger musikalisch in den Fokus, er ist es, der den Abend als Conférencier leiten wird. Scott ist quasi derjenige, der den Abend abseits des musikalischen mit Geschichten füllen wird. Definitiv eigene, aber genauso sicher viele Erlebnisse derer, die für drei Konzerte verantwortlich zeichnen. Zwischen den Songs wird geplaudert. Über alte Zeiten. Und mitunter längst vergessene Anekdoten. Und davon gibt es unzählige. "Oh ja", lacht Box, als Preisch beginnt, in Erinnerungen zu schwelgen. Gut 30 Jahre ist es her. Box bekam eine neue Gitarre geliefert. Es war ein Konzert in Hamburg. Der neue Sechssaiter - er war nicht gerade billig und noch dazu kein einziges Mal bespielt - sollte verladen werden. Preisch schnappte sich das Goldstück, wollte es schultern. Pech für ihn: Die Gitarre landete schnurstracks über die Schulter gelegt auf dem Boden. Und der Boden war stärker, die Gitarre Schrott. "Aber ich bin ja immer noch an seiner Seite", schüttelt der charismatische Manager lachend mit dem Kopf. Box selbst: Ebenso ungläubig lacht er. "Solche Geschichten werden die Zuhörer an dem Abend auch einige zu hören bekommen." Man darf gespannt sein. Schließlich gibt es auch abseits der Bühne viele erzählenswerte Geschichten. Aus Zeiten, in denen Sex, Drugs and Rock'n'Roll noch gelebt statt erzählt wurde.
Die Abläufe werden sich nicht gleichen
Eines verrät der Mann mit der prägenden hellblonden (weißen?) Matte auf dem Kopf schon heute. "Wie genau die Abende ablaufen werden, das kann ich noch nicht sagen", so Box, "es kann jeden Tag irgendwie anders laufen." Alleine schon, da die Geschichten sich ändern werden, die die drei großen Bands der 70er-Jahre erzählen werden. Mit Sicherheit auftauchen werden dabei auch schier unglaubliche Stories, die manchen Konzerten vorausgingen. "Das war unglaublich", blickt Box auf ein Konzert in Moskau zurück. Man schrieb das Jahr 1987. Der eiserne Vorhang war da noch nicht ansatzweise gefallen. Ein Tourmanager aus Ungarn versprach Uriah Heep nach einem Gig in Budapest ("Die Leute in den Ostblockstaaten sind Wahnsinn!") ein Konzert in Moskau zu organisieren. Es dauerte Jahre, ehe es so weit war. Und dann folgte, was der Gitarrist noch heute und fast schon gebetsmühlenartig als "völlig unglaublich" beschreibt. 180.000 Leute verfolgten den Gig der Engländer. "Es war großartig, zu sehen, wie sehr Musik Menschen begeistern kann", erinnert er sich zurück, "wir kamen in Restaurants, die Leute standen auf, applaudierten". Massenweise mussten er und seine Mitstreiter Autogrammkarten und Fotos signieren. Die unterschriebenen Dokumente widerrum verwendeten die Leute in Russland (und auch anderswo) als Zahlungsmittel in unzähligen Gaststätten. "Komplett verrückt", sagt der 72-jährige Londoner, der nach Zwischenaufenthalten in Amerika und Australien wieder in der Heimat gestrandet ist, "für uns war Russland ja gleichbedeutend mit dem Bösen auf der Welt." Auch in Deutschland durften Uriah Heep vor - und natürlich auch nach - dem Mauerfall einige Konzerte in Ost-Berlin spielen. "Gottseidank haben wir das erlebt", sagt der Gitarrist heute rückblickend, "die Security und die Sicherheitsmaßnahmen dort waren der Horror", merkt er mit einem breiten Lachen an, "aber sobald wir angefangen haben, zu spielen, war das alles vergessen." Für ihn eine der wichtigsten Erkenntnisse, die er aus 50 Jahren auf den Bühnen der Welt (insgesamt bereisten Uriah Heep 62 Länder und spielten dort) mitgenommen hat: "Musik hat noch immer die Kraft, unglaubliches zu erreichen." Mit jedem Satz, den er aus alten Zeiten erzählt, schwelgt er mehr in Erinnerungen. Die Geschichten sprudeln nur so heraus aus ihm. Ohne Punkt und Komma redet er, lacht und schon fällt ihm die nächste Story ein. "Einzige davon sind wirklich herzerwärmend", sinniert er, "es ist verrückt, was manche Songs für eine Wirkung haben." Zu allererst natürlich die unverwüstliche Heep-Hymne "Lady in Black" - aber auch andere Lieder hinterließen nachhaltigen Eindruck.
Neues Konzept, alte Gesichter
Mit "Music and stories" geht Veranstalter Paco Agency GmbH neue Wege. So attraktiv die derzeit angesagten "Rock meets classic"-Reihen auch sein mögen: Das Konzept der Macher verspricht schon vor der ersten Vorstellung Hochspannung. Angedacht ist die Veranstaltungsreihe nicht als einmalige Angelegenheit. Vielmehr wollen die Verantwortlichen diese jährlich in den Tourneekalender aufnehmen. "Es wird großartig", verspricht Mick Box, "es wird einfach Klasse sein, mit Andy Scott, Nazareth und Wishbone Ash auf einer Bühne zu spielen und die alten Geschichten auszupacken." Er ist ehrlich. "Natürlich ist das ein Traum, den wir leben", sagt er angesprochen auf der neueste Uriah-Heep-Machwerk "Living a dream", das von Fans und Kritikern gleichermaßen gefeiert wird. "Es hat uns auf ein neues Level gehievt", sagt auch Box, "wir hatten einfach fünf Jahre Zeit und haben mit einem brillianten Produzenten etwas richtig gutes geschaffen." Aufhören? Für den Rockveteranen kein Thema. "Wir haben richtig Lust und auch den Ansporn, neues zu machen", grinst er. Bis dahin aber wird noch einige Zeit vergehen. Und sicherlich auch das ein oder andere Konzert über die Bühne gehen. "Ich freue mich darauf, nach Deutschland zu kommen", verrät das Gesicht Uriah Heeps, "die deutschen Anhänger waren die ersten, die sich unsere Musik zu Herzen genommen haben. Lady in black war sechs Monate Nummer eins hier. Und vor allem sind die Fans und die Medien sehr respektvoll mit uns umgegangen. Schon immer. Und das vergisst du als Künstler nicht." Respektvoll wird Andy Scott als Moderator in Neumarkt mit den drei Bands vermutlich umgehen. Und doch schonungslos direkt. "Da werden einige coole Geschichten ausgeplaudert", lacht Mick Box. Nicht nur von Sex, Drugs und Rock'n'Roll. Die ein oder andere Panne wird ebenfalls dabei sein. "Irgendwie wird das wahrscheinlich wie ein Abend an der Hotelbar", sagt er grinsend, "nur halt vor 5000 Leuten." Garniert wird die sowieso schon spannende Show mit Bildern von Kult-Fotograf Didi Zill. Der Münchner, in den 70er- und 80er-Jahren des letzten Jahrtausends einer der bedeutendsten Fotografen im Rockzirkus, stellte eine Vielzahl seiner Machwerke zur Verfügung, in den Foyers der Spielstätten wird die Ausstellung zu sehen sein. "Es wird eine Zeitreise zurück in gute Zeiten", freut sich der Künstler auf die Tournee. Auch wenn er einschränkt. "Heutzutage gibt es für mich keinen Gin und kein Bier mehr. Ich trinke jetzt Wasser. Irgendwas musste ich meinen Lebensstil echt ändern. Schließlich will ich ja noch weitermachen." Er lacht, nippt an seinem Mineralwasser. Um nur Sekundenbruchteile später die nächste von unzähligen verrückten Geschichten auszupacken.