Wenn es in Europa einen Feiertagskreis gibt, dem sich niemand entziehen kann, dann ist es Weihnachten. Auch wer mit diesem christlichen Hochfest nichts anfangen kann, spürt dessen Konsequenzen, spätestens jedenfalls, wenn an Heilig Abend und am 1. Weihnachtsfeiertag das öffentliche Leben zum Erliegen kommt und für die große Mehrheit der Bevölkerung das Zusammensein im Familienkreis angesagt ist. Weihnachten wird am 25. Dezember als Geburtsfest Jesu begangen, was zum ersten Male im Jahre 336 in Rom bezeugt ist und später von Papst Julian I. auch offiziell festgelegt wurde. Allerdings ist der vorchristliche Ursprung dieses Datums als Wintersonnenwende evident und macht daraus quasi ein universelles Fest, das schon Römer, Phönizier und Perser kannten.
Die innerchristlichen Kirchen bzw. Konfessionen unterscheiden sich z.T. beträchtlich hinsichtlich ihrer Auffassungen und der daraus resultierenden Bräuche. Das betrifft weniger Katholiken und Protestanten, deren diesbezügliche Rituale sich kaum voneinander unterscheiden: Christmette, Weihnachtsbaum, Bescherung und Festmahl, so lauten die Stichworte. Die Weihnachtszeit endet je nach Konfession am Fest der Taufe Christi (Sonntag nach dem 6. Januar) oder am Fest der Erscheinung Christi (6. Januar). Der ambrosianische Ritus endet der Weihnachtskreis erst am 2. Februar mit dem Fest der Darstellung Christi (volkstümlich auch Maria Lichtmeß genannt).
In den orthodoxen Kirchen steht seit jeher die Theophanie, also das Epiphaniasfest, im Mittelpunkt. Diejenigen orthodoxen Kirchen, die den Gregorianischen Kalender übernommen haben (z.B. die bulgarische, zypriotische und griechische), feiern Weihnachten am 25. Dezember, während die „Altkalendarier“ (z.B. die russische, serbische und georgische Kirche) die Feste 13 Tage später begehen. Neben den orthodoxen Gemeinschaften, die ja im Wesentlichen durch Immigration entstanden sind, gibt es in Deutschland die autochthone Bevölkerungsgruppe der Sorben, deren Weihnachtsbräuche sich verschiedenen Traditionen bzw. Einflüssen verdanken. So ist in den dortigen katholischen Gemeinden die Geschenksitte am Nikolaustag bzw. in der Vorweihnachtszeit noch lebendig. Am 4. Dezember besucht beispielsweise eine ganz in weiß gekleidete Borborka (= heilige Barbara) die Familien und beschenkt die Kinder. In den evangelischen Gemeinden wurde das Auftreten von Heiligen wie Nikolaus und Barbara als Überbleibsel aus katholischer Zeit empfunden. An ihre Stelle rückte das Christkindel, das in aufwändiger Trachtenkleidung als glücksbringender Vorbote der nahenden Weihnacht auftritt.
Was, so lässt sich nun fragen, können eigentlich die mehrere Millionen Menschen in Deutschland, die sich zu den beiden anderen abrahamitischen Religionen bekennen, mit diesem Fest anfangen, das sie ja in seinen Auswirkungen nolens volens doch betrifft? Da nach jüdischer Auffassung das Kommen des Messias noch bevorsteht, ist das Weihnachtsfest im Judentum prinzipiell gegenstandslos. Im Chanukka-Fest, das an die Wiedereinweihung des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem (146 v. Chr.) erinnert, findet Weihnachten eine nur scheinbare Entsprechung, obwohl beide Feste in zeitlicher Nähe zur Wintersonnenwende stattfinden und vom Kerzenschein geprägt sind (Lichterfest). Gleichwohl gibt es Vermischungen beider Feste, scherzhaft „Weihnukka“ genannt (siehe auch untenstehendes Interview).
Nach islamischem Glauben ist Jesus weder der Sohn Gottes noch Teil einer Dreieinigkeit, aber ein Prophet und Sohn der Maria („Isa bin Maryam“). In der 19. Sure des Korans, Verse 16-34, wird die Weihnachtsgeschichte rudimentär erzählt. Vers 171 der 4. Sure bezeichnet ihn als „Gesandten Allahs“, Vers 45 der 3. Sure als „Messias“, den Allah „das Buch und die Weisheit und die Tora und das Evangelium“ lehren werde. Im moslemischen Volksglauben ist die Erwartung noch verbreitet, Jesus werde am Jüngsten Tag als Richter gegen die Ungläubigen wiederkommen. Eine auf das Ereignis der Geburt Jesu bezogene Festtradition hat sich im Islam nicht etablieren können, obwohl diese zuletzt gekommene der drei großen monotheistischen Religionen die jüdischen bzw. alttestamentlichen Verheißungen sowie die neutestamentliche „Erfüllung“ im christlichen Sinne aufgenommen hat. Wie es jedoch nach langen Jahren türkischer Migration in der bundesrepublikanischen Wirklichkeit aussieht, mag das Beispiel der in Deutschland geborenen Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Aydan Özoguz, lehren: sie bekannte neulich, alle deutschen Weihnachtslieder auswendig zu kennen, obwohl sie Muslima sei…
Drei Fragen an Dr. Antje Yael Deusel, Rabbinerin in Bamberg
Frau Dr. Deusel, welchen Standpunkt hat das Judentum zu Weihnachten?
AYD: Eigentlich gar keinen, weil es im jüdischen Glauben schlichtweg nicht vorkommt. Weder feiern wir die Geburt Jesu, noch gibt es einen Santa Claus bzw. Nikolaus oder ein Christkind, das womöglich auch Geschenke bringt. Nun existiert zwar im jüdischen Festkalender kein Weihnachten, wohl aber in der christlichen Umwelt. Und da wird man spätestens im November mit „Adventskalendern“ konfrontiert, was dem Judentum ebenso fremd ist wie Weihnachten, mit Christbäumen, Weihnachtsmärkten etc., und das in kommerzieller Aufdringlichkeit, wenn ich das mal so ausdrücken darf.
Was sagen Sie zum fast zeitgleichen Chanukka-Fest?
AYD: Das Judentum hat ein eigenes Lichterfest, das auch in den Dezember fällt, heuer sogar zeitgleich mit Weihnachten beginnend. Das ist das achttägige Chanukka zur Erinnerung an die Wiedereinweihung des Tempels zur Zeit der Makkabäer, nach seiner Rückeroberung aus Feindeshand und Reinigung von nichtjüdischen Riten. Das Lichterfest hat damit einen ganz anderen Hintergrund als Weihnachten und ist im Übrigen kaum kommerzialisiert, was den Festcharakter zusätzlich unterstreicht.
Gibt es bezüglich dieses Festes Assimilationstendenzen im christlichen Umfeld?
AYD: Durchaus, denn es gibt natürlich auch Leute, die statt einer Chanukkia, dem neunarmigen Chanukka-Leuchter, lieber einen geschmückten Baum zu Hause möchten – das führte übrigens zu dem Spitznamen „Chanukka-Busch“ in der deutschen Vorkriegszeit und der Wortneuschöpfung „Weihnukka“ in unseren Tagen. Für Kinder ist zudem ein Fest mit Geschenken grundsätzlich sehr attraktiv, was in manchen Familien dazu geführt hat, dass es zu Chanukka doch Geschenke gibt, was abgesehen vom traditionellen „Chanukka-Geld“ eigentlich nicht üblich ist. Entweder gibt es an jedem der acht Abende von Chanukka ein Geschenk, was aber schon sehr üppig ist, oder aber die Kinder erhalten erst am fünften Abend Geschenke, das heißt dann, „wenn das Licht die Dunkelheit überwiegt“. Damit ist gemeint, dass fünf Kerzen brennen plus der „Schamasch“ genannten Anzünder-Kerze, jedoch drei Kerzenhalter noch leer sind. Dass sich Erwachsene gegenseitig Geschenke machen wie an Weihnachten, ist zu Chanukka aber nicht üblich.
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Kronleuchter, Foto © C Rabb. Dr. A. Y. Deusel