Nazareth. Die Altrocker aus Großbritannien gelten als einer der Big Player im Rockbusiness. Trotz vieler Rückschläge, zuletzt musste Sänger-Ikone Dan Mc Cafferty 2013 wegen einer Lungenerkrankung das Mikrofon ablegen, denken die Schotten nicht ans aufgeben. Am Nikolaustag gastieren Nazareth im Nürnberger Hirschen. Und das Publikum darf sich freuen. Auch wenn Band-Urgestein Mc Cafferty mit seiner markanten Reibeisenstimme (natürlich!) an allen Ecken und Enden fehlt. Doch Nazareth haben vorgebeugt. Und bewiesen das vor einem guten Jahr im Bamberger Live Club eindrucksvoll. Damals erstmals mit im Gepäck: Sänger Carl Sentance. Er, der vor vielen Jahren als Krokus-Ersatz für den ausgestiegenen und fünf Jahre später wieder eingestiegenen Marc Storace von sich reden machte, ersetzte den 2014 wie sein Vorgänger Mc Cafferty gesundheitlich ausgeschiedenen Linton Osborne. Eine spannende Entwicklung – schließlich war Mc Cafferty nicht mehr nur Sänger einer Kultband. Er war Identifikationsfigur, ob seiner Fannähe auch deren Liebling und (auch natürlich) nicht zuletzt stimmlich einer der spannendsten Sänger der letzten Dekaden. Dennoch: Die Neubesetzung der vielleicht wichtigsten Position in einer Kultband ist in ihrer Entwicklung eine, die ein hohes Spannungsfeld und viele neue Erfahrungen in einem altbekannten Umfeld birgt. Und eine Entwicklung, die Früchte trägt. Sentance, stimmlich deutlich mehr an AC/DCs Brian Johnson als an Mc Cafferty erinnernd, spielt mit den Attitüden des Rockstars. Geballte Fäuste, Doubleplays mit den Bandmitgliedern und typisches Rockgepose – und das ohne dabei lächerlich zu wirken. Nazareth sind mit ihm einerseits traditionell (gut), andererseits aber auch spannend neu. Und auch in Sachen druckvoller Stimme präsentiert sich der Waliser, immerhin auch schon 55 Lenze zählend, erfrischend jung geblieben. Satte Riffs von Gitarrist Jimmy Murrison statt leise Töne – die Klassiker im Nazareth-Programm wirken auch in neuer Besetzung weiterhin authentisch. Neben den Nazareth-Klassikern das Highlight des Abends - das lässt sich nach der ersten Bamberg-Erfahrung aus dem Vorjahr bedenkenlos schreiben: „Bad, bad Boy“. Ein virtuos über die Gitarrensaiten zimmernder Jim Murrisson, ein spielfreudiger Drummer Lee Agnew, Filius von Band-Urgestein und Bassist Pete Agnew, und dazu ein wild posender Leadsänger Sentance. Ein Hauch von Kult wehte damals über Bamberg und er wird auch den Nürnberger Hirschen erreichen. Die Altrocker von Nazareth bewiesen, dass sie auch nach 48 imposanten Jahren Bandgeschichte immer noch in der ersten Liga der Rockklassiker beheimatet sind und längst nicht zum alten Eisen gehören.
Ganz im Gegenteil. Konventionellen, sauber gespielten Hard-Rock ohne Experimente mit einem wohlklingend klagenden Gesang: Das war und das ist das Programm von Nazareth bis zum heutigen Tag. Seit 1968 hat sich das nicht geändert. Gegründet wurde die Band von Dan McCafferty (vocals) – der übrigens dem Vernehmen nach seinen Nachnachfolger Sentance als Frontmann höchstselbst ausgesucht hat – Manny Carlton (Gitarre), dem bis heute die vier Saiten zupfenden Bassisten Pete Agnew und dem 1999 vor einem Konzert einem Herzanfall erlegenen Darrel Sweet (Schlagzeug). Der harte Kern der Band blieb über 20 Jahre zusammen, heute ist mit dem glatzköpfig charismatischen Pete Agnew nur noch einer aus der Ursprungsformation dabei. In den zwei Jahrzehnten mit dem ursprünglichen Personal bewährte sich Nazareth als grundsolide und perfekt eingespielte Live-Formation, die mehr als ein Dutzend Top-Hits und fünf Bestseller-Alben verbuchen konnten. Gassenhauer vom Schlag „Love Hurts“, „This Flight Tonight“ und „Dream On“ wurden zu absoluten Meilensteinen der Rockmusik und die Band zu einer der einflussreichsten Hardrock-Formationen der 70er und 80er Jahre. Spätere Koryphäen, ob Guns N‘ Roses oder auch Metallica zählen Nazareth zu ihren wichtigsten Einflüssen. Kein Wunder, dass die Band in einem Atemzug mit Led Zeppelin, Deep Purple und Black Sabbath genannt wird. Kult geworden eine Episode aus dem Jahr 1973: Damals fragte Ritchie Blackmore bei Ex-Sänger Mc Cafferty an, ob er sich die Nachfolge von Ian Gillan bei Deep Purple vorstellen könne. Bassist Pete Agnew, dessen Sohn Lee heutzutage übrigens die Drums bei Nazareth bedient, machte wenig Gefangene: Er drohte Ikone Blackmore kurzerhand an, ihm alle Knochen zu brechen, da „Mc Cafferty ein für alle Mal zu Nazareth gehören würde.“ Harte Worte, die Wirkung zeigten. Bis vor drei Jahren stand der als überragend bodenständige und fannahe Schotte Nazareth vor, ehe er sich von der Bühne zurückzog und nur noch seltene Gigs – so auf Rock meets Classic vor zwei Jahren – absolviert. Bei Nazareth hat Sentance das Kommando übernommen. Und das eindrucksvoll. Auch ohne ihren Dauer-Frontmann haben Nazareth etwas geschafft, was nur wenige schaffen: Sie haben sich ihre Originalität bewahrt und überzeugen durch schnörkellosen, ehrlichen und druckvollen Rock. Man darf gespannt sein, ob die Kombo auch nach zwei Jahren gemeinsamer Tourneen weiterhin so spielfreudig agiert wie noch in den ersten Tagen mit dem neuen Frontmann. Soll man gespannt sein? Oder sollte man besser davon überzeugt sein? Es würde nicht überraschen, wäre das der Fall.
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NAZARETH live auf der Bühne, Foto © Andreas Bär