Italiensehnsucht im Kulturspeicher Würzburg
Erstmals widmet sich eine Ausstellung den Italienreisen der deutschen Künstlerinnen und Künstler zwischen 1905 und 1933. Das Museum im Kulturspeicher Würzburg zeigt vom 14. November 2020 bis 21. Februar 2021 expressionistische Dramatik und neusachliche Kühle – beide Temperaturlagen finden sich in der Auseinandersetzung mit dem Land, seinen Städten und Orten, seinen Leuten, seiner Landschaft und seinen Legenden.
Denn Italien ist spätestens seit Goethes Reise (1786–88) südliches Sehnsuchtsziel und Inbegriff eines paradiesischen Arkadiens für „Nordländer“! Allein die Fülle antiker Kunstwerke in den Kirchen, Palazzi und Museen zog wohlhabende Bildungsreisende, aber auch Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Welt in das Land jenseits der Alpen. In Florenz ließ sich die Kunst der Renaissance studieren, die Zauberstadt Venedig faszinierte durch ihre Lage in der Lagune und Rom beeindruckte als macht- und prachtvolles Zentrum der katholischen Weltkirche. Einsame Fischerorte an der Küste und auf den Inseln boten Freiraum für experimentelle Lebensformen jenseits der bürgerlichen Konventionen. So verbrachte das unverheiratete Künstlerpaar Wassily Kandinsky und Gabriele Münter 1905/06 kostbare Monate der Zweisamkeit in Rapallo an der ligurischen Küste.
Neben Paris, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur maßgeblichen Inspirationsquelle für die junge Künstlergeneration avancierte, blieb Italien ein begehrtes Reiseziel – zumal wenn dies mit einem Stipendium in den deutschen Künstlerhäusern, der Villa Romana in Florenz oder der Villa Massimo in Rom verbunden war. Beide Einrichtungen formierten sich 1905 bzw. 1910–14 in der Hochzeit des Expressionismus – und hier bildeten sich spannende Netzwerke. So kamen u. a. Karl Schmidt-Rottluff, Helmuth Macke oder Max Peiffer Watenphul als Stipendiaten nach Rom. In der von Max Klinger erworbenen Villa Romana arbeiteten u. a. Max Beckmann, Dora Hitz, Ernst Barlach, Hans Purrmann oder Emy Roeder.
August Macke, Erich Heckel, Max Pechstein und Walter Ophey erkundeten vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges auf eigene Faust Italien. Abseits der ausgetretenen Pfade suchten sie südliches Licht, Inspiration durch verlorene Mythen und eine vermeintliche Einheit von Mensch, Natur und Kosmos – Themen und Motive, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von besonderer Aktualität waren. In den Zwanzigerjahren entwickelten sich vor allem die Amalfiküste rund um Sorrent und Positano, Capri sowie Ischia und Sizilien zu beliebten Treffpunkten. Anita Rée, Carlo Mense oder Richard Seewald ließen sich hier für Monate oder gar Jahre nieder. Für Hans Purrmann, Werner Gilles oder Eduard Bargheer wurde Italien zu einer zweiten Heimat. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten blieben manche von ihnen als Emigranten.
Die Würzburger Ausstellung mit ca. 100 Gemälden, Papierarbeiten, Fotografien und Skulpturen von 31 Künstlerinnen und Künstlern zwischen 1905 und 1933 macht die große Bedeutung Italiens für die deutsche Avantgarde eindrucksvoll sichtbar. Die Ausstellung wurde von Martina Padberg kuratiert und ist eine Kooperation mit den Kunstsammlungen Zwickau – Max Pechstein Museum und dem Museum August Macke-Haus Bonn.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Wienand-Verlag, der an der Museumskasse erworben werden kann. Weitere Informationen, auch zu den digitalen Angeboten des Kulturspeichers, sind unter www.kulturspeicher.de einsehbar.
Tiepolo-Ausstellung im Martin von Wagner Museum
Von Italien zu Tiepolo ist es gedanklich nicht weit. Mitte des 18. Jahrhunderts schuf Giambattista Tiepolo (1696–1770) seine weltberühmten Fresken in der Würzburger Residenz. Der geniale Venezianer sollte, so die Hoffnung des Fürstbischofs, „nach seiner gerühmten stärcke der arbeit die schönheit geben.“ Wie dieser Prozess in der Werkstattpraxis Realität wurde, zeigt die Würzburger Ausstellung „Der Arbeit die Schönheit geben“ bis 31. Januar 2021. Präsentiert wird die Schau vom im Südflügel der Residenz gelegenen Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg anlässlich des 250. Todesjahrs des Künstlers.
Die Ausstellung speist sich im Kern aus eigenen Beständen des Museums und wird durch internationale Leihgaben ergänzt. Insgesamt sind 105 Werke zu sehen. Dazu gehören Zeichnungen, Radierungen und Gemälde Tiepolos, außerdem zahlreiche Blätter aus seinem unmittelbaren Wirkungskreis: Merkskizzen seiner Söhne Giandomenico und Lorenzo ebenso wie Pauskopien seines wichtigsten Mitarbeiters Georg Anton Urlaub. "Auf diese Weise wird die Würzburger Werkstatt des genialen Venezianers zu neuem Leben erweckt", freut sich Museumsdirektor und Kunstgeschichtsprofessor Damian Dombrowski – und erklärt auch das Zustandekommen des ungewöhnlichen Ausstellungstitels: Im Mai 1750 erfuhr Fürstbischof Greiffenclau, dass der begehrteste Maler seiner Epoche das Angebot aus Würzburg angenommen hatte. Dort sollte Tiepolo, so die Hoffnung Greiffenclaus, "nach seiner gerühmten stärcke der arbeit die schönheit geben". In der Ausstellung wird veranschaulicht, wie der Schönheit die Arbeit vorausgeht, wie der Ästhetik das Handwerk zugrunde liegt, wie das Funktionieren einer Werkstatt die Voraussetzung für das Gelingen des perfekten Kunstwerks ist.
"Dieser Zusammenhang wird besonders eindrücklich am Medium der Zeichnung ablesbar", erläutert Dombrowski: "Es verspricht eine intimere Annäherung an den Künstler als das berauschende Erlebnis von Treppenhaus und Kaisersaal. Die unmittelbare Nachbarschaft des Universitätsmuseums zu Tiepolos Wand- und Deckengemälden erlaubt zugleich Nah- und Fernsicht auf den Künstler. Daraus ergibt sich ein vollständigeres Bild der Künstlerpersönlichkeit als aus der exklusiven Betrachtung von Malerei oder Zeichnung." Projektmitarbeiterin Aylin Uluçam ergänzt: "Vor allem wird deutlich, wie sehr das Zeichnerische die Malerei Tiepolos beherrscht, in den Fresken genauso wie in den Staffeleibildern kleineren Formats."
Diesem Wesenszug in der Kunst Tiepolos hat sich der Kunstgelehrte Theodor Hetzer um die Mitte des 20. Jahrhunderts intensiv gewidmet. Hetzer ist dem Würzburger Institut für Kunstgeschichte in mehrfacher Hinsicht verbunden; dort werden auch die Originalaufnahmen aufbewahrt, die für sein Buch "Die Fresken Tiepolos in der Würzburger Residenz" angefertigt wurden. Diese Fotografien bekommen die Besuchenden auf dem Weg in die Ausstellung in Form einer Intervention in der Gemäldegalerie zu Gesicht. So wird der Hommage an Tiepolo eine Hommage an seinen vielleicht tiefsinnigsten Interpreten integriert.
Die Ausstellung gliedert sich in neun Kapitel. Zunächst wird über eine Porträtgalerie das Milieu der Hofkünstler erkundet, das Tiepolo in Würzburg antraf (Kapitel 1). Eine Reihe von Archivalien dokumentiert und konkretisiert sein Leben und Wirken am fürstbischöflichen Hof (Kapitel 2). Eine Rückblende klärt darüber auf, warum die Fresken im Palazzo Labia zu Venedig die "Generalprobe" für die Ausmalung des Würzburger Kaisersaals waren (Kapitel 3). Die großen Dekorationen der Würzburger Residenz werden anhand von Entwürfen und Arbeitsskizzen behandelt (Kapitel 4), bevor die Aufmerksamkeit auf die Zeichenpraxis der Würzburger Tiepolo-Werkstatt gelenkt wird (Kapitel 5). Die individuelle Schaffensweise des Meisters wird in zwei Aspekten nahegebracht: Zum einen wird das Phänomen der „Pendantgemälde“ an Beispielen aus den Themenkreisen Geschichte, Dichtung und Religion aufgezeigt (Kapitel 6). Zum anderen wird Tiepolo als Meisterzeichner gewürdigt, in seiner technischen Virtuosität ebenso wie in seiner stilistischen Bandbreite und seiner voraussetzungslosen Freiheit (Kapitel 7). Eine Begegnung mit den „abgründigen“ Seiten dieser scheinbar so heiteren Kunst erlauben die Radierungsfolgen der Capricci und Scherzi, die auch in den Würzburger Fresken ihre Spuren hinterlassen haben (Kapitel 8). Auffallend häufig haben sich Vater und Sohn Tiepolo dem Thema „Flucht nach Ägypten" gewidmet. Anhand von Zeichnungen und Radierungen wird danach gefragt, ob die Erfahrung der Fremde zu diesem Schwerpunkt beigetragen hat (Kapitel 9).
Der im Deutschen Kunstverlag erschienene Katalog zur Ausstellung enthält 330 farbige Abbildungen. Viele Objekte werden zum ersten Mal überhaupt oder zum ersten Mal außerhalb der reinen Spezialliteratur illustriert und in wissenschaftlich fundierten Texten erklärt, die ebenfalls mit zahlreichen Vergleichsabbildungen versehen sind. Weitere Informationen zur Ausstellung und Digitalangeboten finden Sie unter www.wagnermuseum.de.
Engelsgleiche Ausstellung im Museum für Franken
Fernab Italiens widmet sich das Museum für Franken vom 4. Dezember 2020 bis 21. Februar 2021 dem „ENGEL?!“. Faszinierend und vielgestaltig halten die himmlischen Boten dann Einzug in die Hallen der Festung Marienberg. Gezeigt wird eine Privatsammlung, die mit verschiedensten Motiven, Materialien und Themen aufwartet.
Vorstellungen, Bilder und Figuren von Engeln begleiten die Menschen bereits seit Jahrhunderten und finden ihre Form in Rauschgold, Wachs, Papier, Stein, Holz, Glas, Metall und Porzellan. In sieben Kapiteln begibt sich die winterliche Ausstellung auf die Spur der geflügelten Wesen: Neben ihrer Funktion als „Himmlische Boten“, werden auch „Erzengel“ und „Weihnachtsengel“ in den Fokus genommen. „Schutzengel“ sind von der Wiege bis zur Bahre treuer Begleiter und sollen auf dem Lebensweg vor Unglück bewahren. In „Literatur und Poesie“ finden sich die strahlenden Gestalten ebenso wieder, wie in „Schmuck und Dekoration“ heute und früher. Nicht zuletzt stellt sich beim Blick auf Raffaels kleine Engel-Putten die Frage: Wo verläuft die Grenze zwischen „Kunst und Kitsch“?
Die Ausstellung zeigt die große Spannweite dessen, wie sich der Mensch die Vermittler zwischen Himmel und Erde vorstellt – eine Schau rund um die Faszination „Engel“, die sich nicht nur an Erwachsene, sondern auch an Kinder bzw. die ganze Familie richtet. Kreativangebote sowie eine „Engel-Entdecker/-innen-Tour“ durchs ganze Museum runden die Ausstellung ab. Weiterführende Informationen, ob und wann Führungen und Workshops stattfinden (können), gibt es unter www.museum-franken.de.