Und wieder ist (fast) alles ganz anders: Die regionalen und globalen Barden ziehen von der Nürnberger Altstadt an den See um und sind vom Paddelboot aus zu erleben. Literaten, Theaterleute, Musikanten, allesamt finanziell und seelisch gebeutelt von der C-Krise, tauchen in den Kulissen Nürnberger Museen auf, die spektakuläre Burg-Projektion der Nürnberger Maler-Ikone Peter Angermann wird als Zitat der ausgefallenen Blauen Nacht im September nachgeliefert. Es bleibt der sommerliche Wunsch, die geliebten Klassik Open Airs und Stars im Luitpoldhain in reduzierter Form über die Bühne im Luitpoldhain gehen zu lassen. Fakt ist: Das städtische Projektbüro der Kulturbürgermeisterin, im Normallfall zuständig für Publikumslieblinge wie das Bardentreffen und die Klassik Open Airs, startet mit einem Bündel an Angeboten in die ersehnte sommerliche Lockerheit.
Mit Fördermitteln aus dem Bundesprogramm „Neustart Kultur“ wird unter anderem eine Kooperation mit der Nürnberger Musikzentrale finanziert. Die Schaltstelle der regionalen Pop-Kultur wählte nach einem Aufruf mit überwältigender Resonanz lokale Vereine, Initiativen, Kollektive aus und lud sie ein, sechs Wochen lang eine Sommerbühne am Spittlertor zu bespielen. Das Projektbüro stellt für diesen Freiluft-Ort mit Platz für bis zu 250 Personen die komplette Infrastruktur.
Vom 23. Juni bis 30. Juli sollen dort die verschiedensten Musik-Spielformen einen imaginären „Musikspeicher“ füllen und gleichzeitig die Artenvielfalt der regionalen Szene beleuchten. Die Bandbreite reicht von der „Wanderbühne e.V.“ über „Arsch & Friedrich Kneipenkollektiv“ bis zum Verein Metropolmusik, Zirkus Benetton und der Lebenshilfe Nürnberg-Fürth. Es entsteht – so die Vision – Nürnbergs Erster Bezirk des Pop. Überraschend und vielstimmig. Und gleichzeitig wird ein bislang als Kultur-Raum nicht genutzter Ort entdeckt, an einem urbanen Ort zwischen bekanntem Rotlicht-Milieu und internationaler Altstadt-Kulisse.
Dieser „Musikspeicher“ führt einen Aspekt des nun zum zweiten Mal abgesagten Bardentreffens weiter. Denn die Musikzentrale verantwortet seit vielen Jahren die musikalische Auswahl auf einer Bühne des Nürnberger Weltmusik-Festivals und präsentiert damit einem großen Publikum die Trends der regionalen Akteurinnen und Akteure. An das abgesagte Bardentreffen erinnert auch eine zweite Konzertreihe.
Am Ufer des Dutzendteichs wird vom 30. Juni bis 4. Juli erneut eine kleine Seebühne errichtet. Die Besonderheit: Das Publikum steht oder sitzt in oder auf mitgebrachten Gummibooten, Kajaks und Stand-Up-Brettern. Das ergab schon 2020 ein malerisches, romantisches Bild, das bundesweit Medien-Wellen schlug.
Nun wird an fünf aufeinanderfolgenden Tagen unter dem Motto „Im Paddelboot zu Global Pop“ eine Mischung aus Weltmusik, Songwriting und Musikkabarett präsentiert – eingefangen zwischen Franken und Europa. Vorsätzlich versehen mit der besonders starken Dosis Urlaubssehnsucht. Eingeladen wurden der Volksmusik-Erneuerer Herbert Pixner aus Südtirol, die phantastische Fado-Sängerin Gisela João aus Lissabon, die originellen Bufa y Sons aus Barcelona, das Tribal-Trance-Projekt Orange mit Rainer von Vielen, der Kinderliedermacher Fredrik Vahle, die Musiksatiriker Simon & Jan und Gankino Circus aus Dietenhofen mit der Premiere ihres neuen Musikkabaretts „Bei den Finnen“. Die solidarisch helfenden Hände des Nürnberger Yacht Clubs und des Rudervereins spielen dabei eine wesentliche Rolle: Gemeinsam geht’s zu neuen Ufern, stellt das Projektbüro fest.
Die Gemeinsamkeit und Solidarität betont auch die Veranstaltungsstafette „Muse im Museum“. 22 große und kleine Häuser beteiligen sich an der Aktion, die am 10. Juli mit einem bunten Corso durch die Altstadt startet: Oldtimer, Museumsleute, Artisten, Musikanten senden das Lebenszeichen aus: Wir sind wieder da! Oder noch. Und weil es die darstellende Kunst in den vergangenen Monaten besonders hart getroffen hat, bauen die Museen Autorinnen und Autoren, Musikerinnen und Akrobaten, DJs und Tänzerinnen den Sommer über eine Bühne: in Museumsgärten, Innenhöfen, Freiflächen und irgendwann auch in den Museen drin.
Neben dem Germanischen Nationalmuseum, dem Neuen Museum, dem Deutsche Bahn-Museum und dem Museum für Kommunikation sind auch die städtischen Museen dabei, Mercks-Automuseum, das Haus des Spiel(en)s, das Schulmuseum und gleich drei nagelneue Häuser: das Bibelmuseum Bayern, das Bratwurst-Museum und das Deutsche Museum. 120 bis 150 Veranstaltungen sind geplant. Gemeinsam will man mit solidarischer Strahlkraft locken.
Nürnbergs Stadtspitze ist weiterhin zuversichtlich, dass im Juli und August Open-Air-Konzerte für die Stadtgesellschaft möglich sein werden. Wenngleich es illusorisch ist, bei den Klassik Open Airs und Stars im Luitpoldhain an die Zuschauerkulissen der Vergangenheit zu denken, wo 80.000 Besucher*innen im Luitpoldhain keine Seltenheit waren und damit die Nürnberger Picknick-Konzerte zu den größten in Europa machten. Heuer rechnet man mit maximal zehn Prozent bei den Nürnberger Festival-Lieblingen. Auch sonst wird nach Stand der Dinge einiges anders werden: Zugangsbeschränkungen, Kontaktnachverfolgung, parzelliertes Gelände, Reservierung mit Gebühr. Gleichbleiben soll der Picknick-Charakter.
Gleich bleiben auch die musikalischen Protagonisten. Folglich werden die beiden großen Nürnberger Orchester auf der Rundbogenbühne stehen: die Nürnberger Staatsphilharmonie mit ihrer international gefeierten Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz (24. Juli, 20 Uhr: Abendkonzert; 25. Juli, 11 Uhr: Familienkonzert). „Feste Feiern!“ ist als Motto vorgegeben. Zwei Wochen später dann die Nürnberger Symphoniker unter ihrem Chef-Dirigenten Kahchun Wong und einem „Simply the Best“-Programm (7. August, 20 Uhr).
Einen Abend später gehört die Bühne den „Stars im Luitpoldhain“ (8. August, 20 Uhr). Der Nürnberger Star-Drummer und die hochkarätig besetzte German Allstar Big Band unter Jörg Achim Keller trifft bei der „Night of Jazz & Friends“ auf die isländischen Gardenpartysanen Mezzoforte, Weltklasse-Sänger Thomas Quasthoff, die brasilianische Musica-Popular-Legende Ivan Lins und andere.
Weil auch die regionale Galerie-Szene schwere Monate hinter sich hat, kommt der RathausART, eine im Zwei-Jahres-Rhythmus stattfindende Präsentation mit Messe-Charakter eine besondere Bedeutung zu. Vom 3. bis 5. September wird somit das Historische Rathaus zum Schaufenster für fränkische und internationale Positionen. Von Warhol und Christo bis zu Barbara Engelhard und Andreas Oehlert reicht das weit gespannte Spektrum. Ein umfangreiches Begleitprogramm mit Aktionen, Performances und Familien-Angeboten flankiert das dreitägige Ereignis. Erstmals wurden auch Kunstvereine, die traditionell eine wichtige Multiplikatorenrolle haben, eingeladen dabei zu sein. Erstaunlich und beruhigend zugleich war für die Macher des Projektbüros, dass die Rückmeldungen aus der Galerien-Szene weit mehr waren als bei der jüngsten RathausART-Ausgabe 2019. Das verstärkt die Perspektive: Hurra, wir leben noch!
Der Frühjahrs-Lockdown hatte auch die Burg-Projektion an der Kaiserburg, in normalen Zeiten während der Blauen Nacht im Frühjahr das urbane Leuchtzeichen für Kunst im öffentlichen Raum, zum zweiten Mal nach 2020 zur Absage gezwungen. Nun also der dritte Anlauf vom 8. bis 12. September. Der Maler Peter Angermann, Nürnberger Kulturpreisträger und ehemalige Professor an der hiesigen Kunsthochschule mit prominenten Schülern wie etwa dem Kabarettisten Matthias Egersdörfer, wird seine ironisch-liebevollen Antworten auf Allzumenschliches präsentieren, Kommentare zu Viren, Humanität und Künstlicher Intelligenz. „No risk. No fun.“ nennt er seinen zur Gelassenheit ratenden Bilderbogen. Dieser wird ergänzt durch eine umfangreiche „Making of“-Ausstellung im Kunstverein Kohlenhof, um einen tieferen Einblick in Maler und Werk zu bekommen.
Eines wurde in diesen Monaten immer wieder deutlich: Die Menschen möchten keine Verwirrung, sondern Orientierung. „Wegweiser“ waren in der Menschheitsgeschichte schon immer wichtig. Ob als Person, als Architektur, als Wegmarke, als Idee oder eben als Erfindung. Mit „Wegweiser“ sind auch die diesjährigen Stadt(ver)führungen vom 17. bis 19. September überschrieben, die traditionell in die Befindlichkeit der Städte Nürnberg und Fürth blicken lassen. Der Wunsch, das zu tun, ist in pandemischen Zeiten offensichtlich und zur Überraschung des veranstaltenden Projektbüros gestiegen. Über 1050 Einzelführungen in Bereichen wie Geschichte, Gesellschaft, Innovation & Technik, Körper & Geist, Kunst & Kultur oder Umwelt finden sich in dem prallen Angebot, das damit dem Ruf „Deutschlands größter Führungsmarathon“ zu sein mehr als gerecht wird. Die Attraktivität dieses Formats, das seit über 20 Jahren allen Abnutzungserscheinungen trotzt, besteht darin, dass Profis, Privatleute und bekannte Persönlichkeiten gleichermaßen zu Herzensangelegenheiten und Lieblingsorten führen.
Im vergangenen Jahr übrigens waren die Stadt(ver)führungen das einzige reguläre Angebot des Projektbüros. Das wurde vielfach als Wegweiser durch die Pandemie gesehen und schaffte Vertrauen – bei Führerinnen und Führern, aber auch bei den Geführten. Weitere Informationen zu den einzelnen Projekten des Nürnberger Kultursommers 2021:
www.musikzentrale.com/musikspeicher
www.nuernberg.de/internet/nuernbergkultur/seebuehne_2021.html
www.nuernberg.de/internet/nuernbergkultur/muse_im_museum.html
https://klassikopenair.nuernberg.de
https://stars-im-luitpoldhain.nuernberg.de
www.rathausart.de
www.nuernberg.de/internet/dieblauenacht/burgprojektion.html
www.stadtverfuehrungen.nuernberg.de