Szene

„Nazi Punks Fuck Off“

Sophie Hunger am 6. März im Erlanger E-Werk

veröffentlicht am 27.01.2016 | Lesezeit: ca. 5 Min.

Ihre Lieder dudeln nicht landauf, landab über den Äther großer deutscher und internationaler Radiosender. Was für andere ein Indiz ausbleibender Erfolge ist, ist für die Schweizerin Sophie Hunger ein Erfolgsrezept. Die 32jährige boomt. Größere Hallen füllt sie mit lockerer Leichtigkeit, ihr liebstes Tun sind allerdings seit jeher schon Club-Konzerte in nicht mehr ganz intimen, aber doch noch überschaubaren Läden. So wie das E-Werk in Erlangen. Am 6. März gastiert die gebürtige Bernerin mit dem großen Überraschungsmoment in der Universitätsstadt.

Man darf sich freuen auf die Diplomatentochter aus dem Franken-Paradies. Schließlich ist Sophie Hunger mit ihrer „Supermoon“-Tour bereits seit Mai des abgelaufenen Jahres auf einer ausgedehnten Reise unterwegs. So richtig lassen kann sie es aber nicht. Und verlängerte den Konzertkalender gleich noch einmal um sieben Auftritte im Februar und März. Der Hunger der Hunger auf die Bühnen der Republiken scheint nach eineinhalbjähriger Konzertpause groß zu sein. Und der Hunger der Anhänger auf Hunger ebenso. Ihr Supermoon-Album kletterte in den Albumcharts auf den sechsten Platz, in ihrer Heimat hat sie gerade eben den Züricher Festspielpreis erhalten.

Der mit 50000 Schweizer Franken dotierte Preis gilt in ihrer Heimat als Ritterschlag. „Sophie Hunger ist eine großartige, sensible Künstlerin. Eine höchst eigenwillige Mischung aus Verspieltheit, geballter Kraft, Witz und Melancholie prägen ihre Musik wie ihre Bühnenperformance“, wird Barbara Frey, Mitglied der Kommission und Intendantin am Schauspielhaus Zürich, im Communiqué zitiert. Knapper könnte man Sophie Hunger kaum charakterisieren. Treffender aber auch nicht. Die seit einigen Jahren in Berlin wohnhafte Schweizerin lässt sich nur ungern auf ein Genre festnageln.

Ein Auswuchs der eigenen Vergangenheit? Schließlich sagt sie von sich selbst, dass sie sich musikalisch nie festlegen wollte, von Punk über Hip Hop bis hin zu Country- und Folkmusik alles Mögliche konsumierte. Mit ihrer warmen, wunderschön anzuhörenden Stimme gibt sie ihren zumeist selbstkomponierten Stücken einen großartigen Touch. Egal, was sie anpackt: Aus dem Player und besonders auf der Bühne bekommen die Ideen der nicht selten melancholisch, aber doch eindringlich daherkommenden Sängerin, fast schon ein Eigenleben. Eigenwillig, aber doch greifbar. Unnahbar, aber sich doch tief in die Seele brennend.

Sophie Hunger ist eines der spannendsten Wesen, dass in den letzten Jahren die Bühne erklommen hat. Dabei hätte ihr Leben so eine andere Wendung nehmen können. Eine Schweizer Diplomatentochter - was läge da näher, als in der Banken- oder der Börsenlandschaft Fuß zu fassen. Nicht mit der Hunger: Schließlich galten schon ihre Eltern als „anders“. Beide berufstätig und dennoch Familie. Was heutzutage der Normalfall ist, war einst die absolute Ausnahme. Sophie Hunger lernte dadurch früh, selbständig zu agieren - und geriet dabei nach dem Großvater, vor langen Jahren einer der berühmtesten Schweizer Radiomoderatoren. Er färbte ab. Und auch der Vater. Diplomat und bekennender Punk-Anhänger. Mit einem Lachen gesteht dessen Tochter, dass sie noch heute all ihre Verträge mit „Nazi Punks Fuck Off“ von den Dead Kennedys signiert. Aber keine Angst: Musikalisch ähnelt sie doch eher ruhigeren Zeitgenossen. Dabei mag sie offensichtlich das rebellische.

Sie ist glühender Fußball-Anhänger. Nahm zusammen mit dem früheren Kult-Kicker Eric Cantona, berühmt geworden auch außerhalb der Kicker-Szene durch einen ikonografischen Kung-Fu-Tritt im Manchester United-Trikot gegen einen Anhänger von Crystal Palace, „La Chanson d‘Hélène“, ursprünglich von Romy Schneider gesungen, auf. „Er ist einer wie Mehmet Scholl“, sagt sie. Womit sich der Kreis wieder schließt: Scholl, einstiger FC Bayern-Star und heutiger TV-Analyst, hat eine eigene Radioshow. Zusammen mit dem gebürtigen Erlanger Achim Bogdahn. Auf Bayern 2 läuft „Mehmets Schollplatten“. Und Bayern 2 präsentiert auch den Gig im Erlanger E-Werk. Es wäre nicht die allergrößte Überraschung, würden Bogdahn und / oder Scholl tatsächlich im E-Werk aufschlagen. Überraschungen mag die für die Öffentlichkeit so undurchsichtige Sophie Hunger seit jeher sowieso.

Auch wenn sie selbst in ihrer medialen Präsenz eher ein Buch mit sieben Siegeln bleibt - allzu private Fragen der Journaille: Die tut sie mit einem charmanten Lächeln und all ihrer Direktheit ab. Nur auf der Bühne. Da öffnet sie sich komplett. Frag nach in Berlin. Dort, wo sie seit einem Jahr wohnhaft ist, fügte sie sich nahtlos in die Kulturlandschaft ein. Mit einer siebentägigen Tour. Auf sechs Bühnen in sechs Bezirken trat sie spontan auf. Und was passiert? Die Gigs sind, wie so oft bei ihren Tourneen, ausverkauft. Und womit? Mit Recht.

Sophie Hunger zu lauschen, ist immer wieder ein Genuss. Ob in Deutsch, in Schwyzerdüitsch, in Englisch oder in Französisch: Emilie Jeanne-Sophie Welti, wie sie in Natura heißt, trifft mit ihrem Stilmix den Nerv der Zeit und der Menschen.

Copyright Fotos:

Sophie Hunger, Foto © Marikel Lahana

Sophie Hunger, Foto © Element-s

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