Schaut man sich in der nordbayerischen Theaterlandschaft um, so stößt man fast flächendeckend auf „marode“ Häuser mit erheblichem Sanierungsbedarf. Sie schauen zwar in der Regel noch ganz manierlich aus, aber der Teufel versteckt sich hinter der Fassade, meist heimtückisch in der Technik. Auch das Schweinfurter Stadttheater, 1966 eröffnet, ist jetzt dran mit einer eingreifenden Sanierung und Erneuerung.
Zeitgleich ist auch ein Wechsel in der Intendanz angesagt: Dr. Christof Wahlefeld hat seit Februar 2022 die Leitung des Theaters übernommen. Er ist von Haus aus Dramaturg, hat in Düsseldort studiert und ist über die Stationen Coburg, Regensburg, Lüneburg, Hildesheim und zuletzt Bielefeld, wo er als Künstlerischer Betriebsdirektor gearbeitet hat, nach Schweinfurt gekommen.
Ein chancenreiche Apollo-13-Mission (lacht). In den meisten Fällen ist es so, dass wenn man neu in einer leitenden Position an ein Theater wechselt, man im Changemanagement gegen viele Wiederstände kämpfen muss, weil doch alles gut ist, wie es ist. In Schweinfurt ist das Haus geschlossen, es gab keine Ersatzspielstätte, kein Programm. Es konnte also gar nichts so bleiben wie es ist. Darum habe ich nicht mit vielen Widerständen zu kämpfen gehabt. Ich habe einfach das leere weiße Blatt Papier genommen und angefangen, es voll zu schreiben mit meinen Ideen. So eine Chance, alles anfassen zu dürfen, hat man nicht oft. Es macht zwar wahnsinnig viel Arbeit, ein Theater aus seinem Dornröschenschlaf wach zu küssen, aber ich habe mir mal sagen lassen, ich sei ein guter Küsser.
Das Haus wurde im November 2020 geschlossen und danach nicht mehr eröffnet aufgrund von Brandschutzmängeln, die man gefunden hat während des Lockdowns. Derzeit sind wir in dem Status, dass wir bereit sind für die Ausschreibungen. Die Sanierung ist durchgeplant, wir sind bereit für die Umsetzung. Darum haben wir auch bei der Regierung, die 75% der förderfähigen Kosten bei der Sanierung übernimmt, den vorzeitigen Maßnahmenbeginn beantragt. Auf den warten wir. Sobald er vorliegt, schreiben wir aus, und es geht endlich los. Die Fertigstellung des Hauses ist laut Bauzeitplan für März 2025 vorgesehen.
Das Theater der Stadt Schweinfurt wird seine Pforten am 21. Oktober 2022 im Evangelischen Gemeindehaus in der Friedensstraße in Schweinfurt wieder öffnen. Dort richten wir gerade eine Ersatzspielstätte ein. Für die Attraktivität unserer Ersatzspielstätte tun wir einiges. Wir bauen eine eigene Tribüne ein, ertüchtigen das Gemeindehaus mit einem Riggingsystem, damit Ton und Beleuchtung stimmen, erweitern die Bühne und können somit einen großen Teil des Programms, den man sonst im Theater angeboten hat, auch in der Ersatzspielstätte anbieten. Das einzige was dem Haus fehlt, ist ein Orchestergraben. Darum kann die ganz große Oper leider nicht stattfinden. Aber damit dieses Programmangebot trotzdem im Spielplan vorkommt, biete ich regelmäßig Theaterfahrten an, so dass man als Schweinfurter Theaterbesuchender auch in den Genuss von ganz großer Oper und ganz großem Konzert kommen kann.
Ich kann eigentlich frei planen, und das tue ich natürlich. Freue mich auch darauf, Dinge in der Ersatzspielstätte auszuprobieren. Zum Beispiel im Frühjahr 2023 eine Reihe unter dem Titel „Wissenschaft und Theater“. Das einzige was mich eingrenzt ist, wie schon erwähnt, der fehlende Orchestergraben und die Größe der Bühne, die ganz große Konzerte und ganz großes Musiktheater nicht zulassen. Aber damit man diese Segmente im Spielplan nicht vermisst, habe ich die Theaterfahrten ins Leben gerufen. Außerdem haben wir in der Ersatzspielstätte einen Raum so hergerichtet, dass man dort ein kleines Orchester oder eine Musicalband unterbringen kann. In diesem Raum wird der Ton live durch Mikrofone abgenommen und in den Saal übertragen. Man muss also auch in der Ersatzspielstätte nicht auf Musiktheater, Musical oder Operette verzichten. Es ist nur alles ein wenig kleiner besetzt.
Eröffnen werden wir am 21. Oktober mit einer kleinen Feier. Die erste Vorstellung wird dann am 23. Oktober stattfinden. „Vom Suchen und Finden der Liebe“ ist ein Schauspiel, und dann geht es Schlag auf Schlag mit „Don Pasquale“ weiter. Im Konzertbereich wird das Gürzenich Kammerorchester sein Schweinfurt-Debüt geben, Sängerinnen und Sänger der Bayerischen Staatsoper werden bei einer Spanischen Nacht zu Gast sein und vieles mehr. Der Kalender ist mit 41 Vorstellungen vom 21. Oktober bis 31. Dezember 2022 gut gefüllt und bietet vom Schauspiel über Klassik-Konzert, Jazz-Konzert, Oper, Musical und Mitmachangebote eine ganze Menge. Auf der Homepage des Theaters kann man Einzelheiten erfahren.
Theater ist und bleibt ein Gemischtwarenladen. Ziel ist es, ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Darum auch die oben schon erwähnte Mischung, die ich im Übrigen im Rest der Spielzeit fortsetzen werde. Eine neue Idee hatte ich bereits erwähnt: „Wissenschaft und Theater“. Bei diesem Format werden wir uns mit Themen wie KI, Klimawandel usw. auseinandersetzen. Ich stelle mir das spannend vor, wenn bekannte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auf eine theatrale Atmosphäre treffen. Derzeit überlegen wir darüber hinaus, ob wir neben dem Spielort Evangelisches Gemeindehaus als Ersatzspielstätte auch eine Veranstaltung beim Volksfest in Schweinfurt machen. Was aber auf jeden Fall passieren wird ist, dass wir neben dem Evangelischen Gemeindehaus auch das Museum Otto Schäfer in Schweinfurt bespielen werden. Ein Theater und ein Museum, das sich mit Buchkunst auseinandersetzt, das sind doch zwei ideale Kooperationspartner! Die erste Vorstellung, die es im Museum Otto Schäfer geben wird, trägt den Titel „Mein Name: Ella“. Ein Programm das sich mit der Jazz-Legende Ella Fitzgerald auseinandersetzt. Termin: 28. Oktober 2022.
Gastspieltheater wie das Schweinfurter Theater und Ensembletheater, wie es sie zum Beispiel in Coburg oder Hof gibt – um Städte mit einer vergleichbaren Größe zu nennen – haben beide Vor- und Nachteile. Man kann nicht einfach sagen, es wäre besser, wenn man hier ein Ensembletheater hätte in Schweinfurt oder in den Städten mit Ensemble zu sagen, es wäre besser, wenn dort ein Gastspieltheater stehen würde. Es hat viel mit der Tradition zu tun. Hier in Schweinfurt ist man es gewöhnt, dass man immer wechselnde Gruppen und Orchester zu Gast hat, während man in Coburg zum Beispiel sehr stolz darauf ist, ein eigenes Dreispartenhaus zu haben. Beide Theaterformen stiften für eine Stadt Identität, und das ist das eigentlich Wichtige.
Bis jetzt habe ich große Unterstützung erfahren. Die Unterstützung war bisher immer so positiv, dass alle Beschlüsse, die ich in den Stadtrat oder in die Ausschüsse eingebracht habe, einstimmig angenommen wurden. Darum habe ich neulich schon in einer Runde, bei der auch Politikerinnen und Politiker anwesend waren, scherzend gefragt, was ich eigentlich tun müsse, damit ich wenigstens mal eine Gegenstimme bekomme.
„Allez Courage“ sage ich immer, wenn ich mich einer Aufgabe widme, die unlösbar oder schwierig erscheint. Darum auch als Schlusswort: Allez Courage, auf geht’s, das Theater der Stadt Schweinfurt wieder zum einem Mittelpunkt der Stadtgesellschaft zu machen.