Mit 200 Jahren ist der Kunstverein Bamberg einer der ältesten Einrichtungen seiner Art. Das bürgerschaftliche Bamberg war in der Welkulturerbestadt seit je her Keimzelle für kulturelles Engagement. Mehr und auch weniger Prominente trugen, vermeintlich motiviert vom durch die Säkularisation beflügelten Kunstmarkt, ihre Begeisterung für Kunst und Ästhetik vor sich her, institutionalisierten die Kunstpflege frühzeitig aus dem Geiste der Geselligkeitsvereine heraus.
Art5drei gratuliert einem der dienstältesten Kunstvereine in Deutschland von ganzem Herzen in großer Anerkennung seines unermüdlichen Beitrags zur Kunststadt Bamberg und spricht mit der Vorsitzenden, Frau Dr. Barbara Kahle, über den Verein allgemein, seine Pläne zum großen Geburtstag und seinem Status Quo innerhalb der Kulturpolitik der Stadt:
Der Kunstverein Bamberg ist aus einer Art Salon entstanden, der sich um den Freiherren Stephan von Stengel (1750-1822), oberfränkischer „Regierungspräsident“ und zuvor Vizepräsident der Münchener Akademie der Wissenschaften, gebildet hatte. Man traf sich in seinem Haus, heute Domplatz 1, zu feinsinnigen Kunstgesprächen. Mit dabei waren der berühmte Arzt Dr. Marcus, der Maler Friedrich Ruppert und auch E.T.A. Hoffmann; ein Neffe des Dr. Marcus, Friedrich Speyer, sprach 1822 in Bezug auf diesen Kreis „von einer Art Kunstverein“. Das offizielle Gründungsdatum ist der 12.12.1823. Zu den Gründungsvätern gehörten Maler, Beamte, Militärs, Adelige und Geistliche. Frauen fehlten in der Regel, im 19. Jahrhundert sind in den Mitgliederverzeichnissen eher wenige weibliche Namen zu finden. Als Mitglieder wurden 1863/64 auch das in Bamberg residierende Königspaar Otto von Griechenland mit seiner Gemahlin Amalie geführt.
Die Bamberger Bestrebungen müssen im geistigen Rahmen der Restaurationsepoche gesehen werden als Ausfluss idealistischer und spätaufklärerischer Tendenzen zur bürgerlichen Emanzipation durch Bildung. Als Zweck des Kunstvereins wurde formuliert: „Unterhaltung, Belehrung über alle Zweige der bildenden Kunst, Verbreitung des Geschmacks mit der Bildung dafür, Belebung des praktischen Kunstverkehrs, Aufmunterung der Künstler, Bekanntmachung und Würdigung ihrer Dienste, Beförderung jeder künstlerischen Leistung.“ Nur wenige Jahre später wurde dies erweitert auf Beförderung der einheimischen Industrie und deren Belebung durch Erhöhung der artistischen Bildung und des Geschmacks“, um so den ästhetischen Blick auch in den Alltag auszuweiten.
Vom abgeschotteten Zirkel lokaler Honoratioren in den Anfängen wandelte sich der Kunstverein schon im frühen 19. Jahrhundert zu einer zentralen Institution des Bamberger Kulturlebens.
Zu einer besonderen Ära der Nachkriegsgeschichte wurde die Zeit unter dem Vorsitzenden Hans Neubauer. Wichtige Errungenschaften wie der Berganza Preis oder die Sammlung des Kunstvereins sind seiner Initiative zu verdanken. Die Tätigkeiten des Vereins bezogen auch die moderne Musik und Literatur mit ein.
Bambergs kulturelles Leben hat sich in den letzten Jahrzehnten vielfältig erweitert, so dass wir uns heute auf den Bereich der Bildenden Kunst der Gegenwart konzentrieren, der in Bamberg insgesamt unterrepräsentiert ist.
Kunst und Kultur bieten der Gesellschaft unverzichtbare Denk- und Diskursräume. Kunst kann neue Perspektiven eröffnen. Kunst ist vielfältig, herausfordernd und macht Spaß. Unsere Begeisterung für Kunst möchten wir gerne mit anderen teilen.
Der Bildungsauftrag, den die Kunstvereine in ihren Satzungen von Beginn an festgehalten haben, gilt bis heute: Bildung nicht im Sinne von Belehrung, sondern von Aktivierung und einem unmittelbaren sinnlichen Erlebnis.
Wir bemühen uns, ein möglichst breites Angebot an Ausstellungen zu präsentieren: Unbekannte Positionen, die uns wichtig und interessant erscheinen, sind ebenso vertreten wie schon etablierte. Auch mit Ausstellungen von Studierenden-Klassen der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg nehmen wir den Künstler-„Nachwuchs“ in den Blick.
Mitgliederausstellungen gibt es bei uns nicht; wir sind eher überregional ausgerichtet.
Bamberg hat kein eigenes Haus für Gegenwartskunst, eine rein experimentelle Nischenposition, wie dies etwa andere Kunstvereine in größeren Städten besetzen, ist nicht unser Weg, da die Rückbindung an gesicherte Positionen als Basis fehlt. Bei der Auswahl der Künstler*innen entscheidet der Vorstand; zwangsläufig fließen dabei auch persönliche Vorlieben ein.
Wir verstehen uns als eine Institution, die Kunst und künstlerische Fragestellungen auf der Höhe der Zeit erlebbar machen will. Neben der reinen Präsentation von Werken ist der Austausch untereinander und mit den Künstlern ein zentrales Anliegen.
In einer Stadt wie Bamberg, in der die zeitgenössische Kunst und Kultur eher eine Randposition einnimmt, sehen wir uns besonders herausgefordert.
Mit dem Berganza Preis, dessen Preisgeld dankenswerterweise seit Anbeginn von der VR Bank gestiftet wird, zeichnen wir in jedem Jahr auch Personen aus, die sich in besonderer Weise für das kulturelle Leben der Stadt engagieren.
Kunstvermittlung ist in der Tat ein zentrales Anliegen, das mangels Räumlichkeiten, finanzieller Ausstattung und Kapazitäten allerdings nicht immer unseren eigenen Ansprüchen genügt. Wir bieten im Rahmen von Ausstellungen Künstlergespräche an, Führungen, wenn möglich Workshops; dabei arbeiten wir immer wieder mit StudentInnen der Kunstpädagogik zusammen. Ein gelungenes Beispiel war unsere Ausstellung PAPIER (2021), wo trotz Corona- Einschränkungen an jedem Wochenende Begleitveranstaltungen stattfanden: Papiertheater, Musikworkshop mit Papierinstrumenten, Angebote auch für Kinder wie Papierschöpfen, Papierflieger-Basteln und dergleichen mehr. So konnte der Blick auf das Material in vielfältige Richtungen geweitet werden. Seit der Coronakrise haben wir auch verstärkt die digitale Kunstvermittlung ausgebaut. Unsere Veranstaltungen werden von Videobeiträgen und Social-Media-Beiträgen auf YouTube, Facebook und Instagram begleitet. Hiermit erreichen wir z.T. auch ein jüngeres und überregionales Publikum.
Gemeinsame Fahrten zu ausgewählten Ausstellungen oder den Großereignissen wie documenta und Biennale in Venedig sind neben dem gemeinschaftlichen Erlebnis auch unter dem Aspekt der Kunstvermittlung wichtig.
Das Angebot von kostengünstigen Jahresgaben soll die Mitglieder ermuntern, sich direkt, im Privaten, mit Kunst der Gegenwart zu befassen.
Wir haben ca. 320 Mitglieder, es gab aber schon bessere Zeiten etwa in der Ära Neubauer mit ca. 550 Mitgliedern. Seit Jahren stagniert die Zahl um 350 mit einem leichten Abwärtstrend.
Wir haben viele ältere Mitglieder, die leider kaum mehr am Kunstvereinsgeschehen teilnehmen (können). Seit einiger Zeit werden allerdings die altersbedingten Austritte (oder Sterbefälle) durch Eintritte jüngerer Leute ausgeglichen. Der Mitgliederrückgang in Vereinen ist ein allgemeines Problem, hier müssen Strategien entwickelt werden, wieder jüngere Menschen in den Kunstverein zu holen. Unsere Veranstaltungen werden von vielen Menschen, auch jüngeren, besucht, die aber meist keine Mitglieder sind. Sich im Verein zu engagieren ist „unmodern“ geworden.
Das Team besteht aus der Vorsitzenden Dr. Barbara Kahle, Kunsthistorikerin, seit 2010, Maren Jensen, Kunsthistorikerin, stellvertretende Vorsitzende seit 2021 und zugleich Schriftführerin, zuständig auch für Marketing, seit 2014 dabei, Jürgen Wilhelm, Privatier, Künstler, Kassenwart, seit 2016 dabei, Dr. Notburga Karl, Prof. im Bereich Kunstdidaktik, Künstlerin, seit 2014 dabei, Dr. Karlheinz Erbe, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychologie, seit 2018 dabei, Rosa Brunner, Künstlerin, seit 2021 dabei, Judith Weingart, Senior Marketing Managerin, seit 2021 dabei
Wir beginnen am 28. März mit einem Vortrag über die Geschichte des Kunstvereins in der VHS, bei dem wir in einer anschließenden Diskussion mit dem Publikum auch die Frage nach dem „Wie weiter?“ stellen.
Wir feiern das Jubiläum zudem mit drei großen Ausstellungen: im Kesselhaus ab Mitte Mai eine Ausstellung mit Arbeiten von Eduard Winklhofer, im September mit neuesten Zeichnungen zu den Lieblingsfilmen von Richard Wientzek. In Kooperation mit dem Lichtspiel Kino wird es dann auch Filme zu sehen geben. Ende Juli wird es im Kesselhaus ein offenes Sommerfest geben mit einer Kunstinstallation und Mit-Mach-Aktion des Nürnberger „Gras-Künstlers“ Thomas May.
Wir haben das Jubiläum unter den Begriff der Sehnsucht gestellt, ein offener und sehr weiter Begriff, der das Heute mit den Anfängen des Vereins in der Romantik verbindet. Sehnsucht gehört zu den großen Themen, die unterschiedlichste Blickwinkel eröffnen: Das kann die Sehnsucht nach Spiritualität sein - hier sind die Werke von Eduard Winklhofer angesiedelt, es kann aber auch die Flucht in andere Welten sein, wie bei den Kinofilmen von Richard Wientzek. Das Thema wird bestimmend für die große Jahresausstellung ab Ende November in der Villa Dessauer.
Begleitend gibt es weitere öffentliche Vorträge, Diskussionsrunden und künstlerische Darbietungen, um das Jubiläum mit der ganzen Stadt zu teilen.
Ein zentrales Anliegen ist uns die Beschäftigung mit der eigenen Geschichte im Nationalsozialismus. Dazu haben wir den Historiker Andreas Ullmann beauftragt, der seine Ergebnisse in diesem Jahr vorlegen wird.
Nein, die gibt es leider noch immer nicht. Prof. Günter Dippold hatte seinen Festvortrag zum 190-jährigen Geburtstag geschlossen mit dem Satz: „Einen geistigen Ort für die Gegenwartskunst schafft der Kunstverein. Einen dinglichen Ort wünsche ich ihm, rechtzeitig zum 200. Geburtstag.“ Dieser Wunsch ist leider nicht in Erfüllung gegangen. Einmal, 1934, hatte der Kunstverein den verwegenen Plan entwickelt, ein eigenes „Haus der Kunst“ an der Promenade zu bauen. Doch ein Kunstvereins-eigenes Gebäude ist längst nicht mehr unser Plan, vielmehr ein Haus der Gegenwartskultur, ein Kulturforum - wie auch immer man es nennen mag - das von mehreren Institutionen und Gruppierungen genutzt werden kann, ein Haus gemeinsamer Teilhabe, wo immer etwas stattfindet. Es braucht Ausstellungsmöglichkeiten, aber auch Räume für Kunstvermittlung, Vorträge, ein Café für zwanglose Treffen, ein Haus, das interdisziplinär genutzt wird, für Musik, Theater, usw. Der Kunstverein wäre einer der Akteure und zusammen mit anderen könnte sich ein lebendiger Ort entwickeln, der nicht leer steht, wie die Villa Dessauer in vielen Wochen des Jahres. Eine Lösung liegt greifbar nahe, könnte doch der gesamte Komplex des Kesselhauses am Leinritt all unsere Wünsche erfüllen.
Das Programm zum Jubiläum und weitere Infos gibt es unter https://www.kunstverein-bamberg.de/.