Bayreuth verfügt bekanntlich über das schönste Opernhaus der Welt. Aber nein, damit ist mitnichten das Festspielhaus auf dem Grünen Hügel gemeint, dessen Wunderakustik ebenso zu superlativischen Äußerungen Anlass geben muss. Vielmehr ist von dem Markgräflichen Opernhaus die Rede, diesem üppigen Barocktempel im Zentrum der Stadt, das die Bayreuther ihrer bis heute hochverehrten Markgräfin Wilhelmine verdanken. Dass dieses architektonische Wunderwerk nun, nach einer langen Sanierungsphase, wieder bespielt werden kann, hat zur Idee eines hochkarätig besetzten Festivals unter dem Titel „Bayreuth Barock“ entscheidend beigetragen.
Im letzten Jahr fand es trotz der bereits wirksamen Corona-Einschränkungen erstmals statt und hatte großen Erfolg. Sehr überzeugend wirkte die Idee, Werke aufzuführen, die teils in unmittelbarem Zusammenhang mit den Impulsen und Aktivitäten der Markgräfin im seinerzeitigen Bayreuth stehen. 2020 durften nur jeweils 200 Zuschauer die Aufführungen live erleben. Online und in der Mediathek des BR gab es jedoch über 500 000 direkte Abrufe, und Mezzo TV sendete an weltweit 70 Millionen Haushalte. So überrascht es kaum, dass der Künstlerische Leiter von Bayreuth Barock, Max Emanuel Cencic, im März mit dem Ehrenpreis der Deutschen Schallplattenkritik für sein künstlerisches Schaffen ausgezeichnet wurde.
Vom 1. bis 14. September 2021 findet das Festival nun zum zweiten Male statt. Neben der Wiederaufnahme von Nicola Porporas „Carlo il Calvo“ wird eine weitere Oper Porporas das Theaterjuwel Wilhelmines wieder zum Klingen bringen. Max Emanuel Cencic, der ja nicht nur als Initiator und Regisseur fungiert, sondern auch ein gefeierter Countertenor ist, wird – so viel darf schon verraten werden – auch in dieser Oper in einer tragenden Rolle zu erleben sein. Die musikalische Leitung übernimmt George Petrou mit dem Klangkörper der „Armonia Atenea“. Der aus Griechenland stammende Petrou ist nicht nur ein gefeierter Dirigent, sondern hat überdies auch schon eine Karriere als Konzertpianist hinter sich.
Die Termine im einzelnen:
- 1., 3. und 5. September im Markgräflichen Opernhaus: szenische Aufführung von Nicola Porporas „Carlo il Calvo“ unter der Leitung George Petrous und mit den Solisten Franco Fagioli, Max Emanuel Cencic, Julia Lezhneva, Bruno de Sà u.a.;
- 2. September ebendort: Haus- und Hofmusik der Markgräfin mit Dorothee Oberlinger, Olga Watts und Axel Wolf;
- 4. September ebendort: „Canzonetta d’amore“ mit der Sopranistin Simone Hermes und den Amici Veneziani;
- 6. September im Sonnentempel der Eremitage: Orangeriekonzert mit Buffet unter dem Motto „Sechs Saiten zum Parnass“ und mit den Instrumentalisten Magdalena del Gobbo (Viola da Gamba) und Alberto Bussetini (Cembalo);
- 7. September in der Stadtkirche Bayreuth: Oratorium „Judas Maccabaeus“ von Georg Friedrich Händel mit dem Kammerchor „BachPlus“ und prominenter solistischer Besetzung;
- 8. September im Markgräflichen Opernhaus: „Musica Princeps“ mit Martina Pastuszka und dem „Orkiestra Historyczna“;
- 9. und 12. September ebendort: Konzertante Aufführung der Oper „Polifemo“ von Nicola Porpora mit der „Armonia Atenea“ unter der Leitung von George Petrou und den Solisten Max Emanuel Cencic, Yuri Mynenko, Julia Lezhneva, Pavel Kudinov u.a.;
- 10. September ebendort: Unter dem Titel „Anima Aeterna“ begibt sich der Countertenor Jakub Józef Orlinski gemeinsam mit dem Ensemble „Il Pomo d’Oro“ unter der Leitung Francesco Cortis auf die Suche nach barocken Juwelen des Arienrepertoires;
- 11. September ebendort: Vinci-Galakonzert mit Franco Fagioli. Der Countertenor gibt eine Kostprobe seiner virtuosen Gesangskunst mit Arien des Porpora-Antipoden Leonardo Vinci, zusammen mit der „Armonia Atenea“ unter der Leitung von George Petrou.
Unter den Gesangssolisten fallen bemerkenswerte Namen auf, beispielsweise Julia Lezhneva. Bedenkt man, dass die russische Sopranistin aus dem fernsten russischen Osten stammt (nämlich von der sibirischen Insel Sachalin), so überrascht es, dass ihr das schwerblütige russische Repertoire relativ fremd geblieben ist und sie sich vielmehr zur leichtgewichtigen mitteleuropäischen Barockmusik hingezogen fühlt. Seit Jahren ist sie begehrter Gast wichtiger Festivals und bester Ensembles. Der polnische Countertenor Jakub Józef Orli?ski hat sich ebenfalls auf das musikalische Hochbarock spezialisiert, vor allem auf Händel, dessen zentrale Opernpartien ihm auf den Leibe geschnitten scheinen. Originell und bemerkenswert scheint auch, dass er zudem als Akrobat aktiv ist und als Breakdancer schon manche Erfolge errungen hat. Die deutsche Sopranistin Simone Hermes hat an diversen Opernbühnen gastiert und sich zunehmend dem barocken und frühklassischen Repertoire zugewendet.
Das vollständige Programm der diesjährigen Ausgabe des Festivals „Bayreuth Baroque“ ist aus aktuellem Anlass erst nach Reaktionsschluss von art5drei erschienen. Der Vorverkauf hat nach Angaben der Veranstalter bereits begonnen.