Moritz Puschke heißt der neue Künstlerische Leiter der ION, und er bringt außer neuen Ideen auch einen neuen Namen mit: Fortan nennt sich das traditionsreiche Musikfestival Musikfest ION. Dessen 68. Ausgabe steht von Ende Juni bis Mitte Juli bevor. Schon die beiden Auftaktveranstaltungen am 28. Juni betonen die starke regionale Verwurzelung dieses strahlkräftigen Kulturereignisses in Nürnberg. So beginnt die 68. ION mit einem den ortsansässigen Schülern gewidmeten Projekt: Rund 250 Grundschüler aus Nürnberg bestreiten mit „SingBach“ ihr eigenes Konzert. Unter dem Motto „Jeder kann singen“ studieren zahlreiche Schulklassen intensiv eine Woche lang Werke von Bach ein und präsentieren das Resultat im Konzert.
Abends geht es dann schon zum sechsten Mal in die zur Tradition gewordene ION-Nacht. Die Innenstadtkirchen der Noris werden in ein klingendes Labyrinth mit Musik aus mehreren Jahrhunderten in vielerlei Stilrichtungen und unterschiedlichen Besetzungen verwandelt. Das Zentrum des Musikfestes bilden die Konzerte mit herausragenden Künstlern. Am 29. Juni gastieren der Dresdner Kammerchor und ein Instrumentalensemble unter der Leitung von Hans-Christoph Rademann in St. Sebald mit den Psalmen Davids von Heinrich Schütz, einem genau 400 Jahre alten musikalischen Meilenstein. Das britische Vokalensemble VOCES8 präsentiert am 30. Juni in St. Egidien diverse A-Capella-Werke mit Bezug zum Pilgern aus Epochen von der Renaissance bis zur Moderne.
Keine ION ohne den Windsbacher Knabenchor: Das berühmte Ensemble gastiert zusammen mit dem Perkussionisten Simone Rubino unter dem Motto „Und was vom Geist geboren ist“ am 8. Juli in St. Sebald mit Werken von Heinrich Schütz, J.S. Bach, Johannes Brahms, Francis Poulenc und Max Reger. Zu den großen Oratorien mit Ewigkeitscharakter gehört zweifelsohne Felix Mendelssohn-Bartholdys „Elias“, der am 7. Juli von gefeierten Stuttgarter Ensembles unter der Leitung von Frieder Bernius in St. Lorenz erklingen wird. Noch großformatiger geht es zum Abschluss des 68. Musikfestes ION am 13. Juli in der Meistersingerhalle zu: Nürnberger Chöre, der Tölzer Knabenchor und die Staatsphilharmonie Nürnberg interpretieren unter der Leitung von Joana Mallwitz das monumentale „War Requiem“ von Benjamin Britten.
Natürlich steht auch die Orgel als Königin der Instrumente und ursprüngliche Namensgeberin des Festivals im Mittelpunkt zahlreicher Veranstaltungen. So werden die Klassiker „Mittagskonzerte“, „Orgel für Jedermann“ und der beliebte „Orgelwettstreit“ ebenso fortgeführt wie das ION-Schulprojekt „Orgel zum Anfassen“. Die neue Themenreihe „Klangschichten.Essenzen“ stellt als Teil I am 2. Juli den Originalwerken für Orgel von César Franck und Julius Reubke Klavierbearbeitungen gegenüber. Teil II konfrontiert am 6. Juli mit Bachs „Johannespassion“ in einer Version für nur drei Künstler, also quasi als „Passion en miniature“. Ebenfalls neu ist die Reihe „Auf Dürers Spuren“, die Nürnberg und seine Musik um 1500 in zwei Konzerten am 3. und 10. Juli lebendig werden lässt. Beim ersten Konzert in St. Sebald wird Bernhard Buttmann u.a. mit „Septimus Angelus“ von Philipp Maintz eine Uraufführung beisteuern, während beim zweiten in der Kartäuserkirche des GNM Werke aus Nürnberger Archiven erklingen, dargeboten von der renommierten Capella de la Torre.
Im „ION-Lab“ präsentieren Studierende der Hochschule für Musik Nürnberg am 5. Juli zum vierten Mal außergewöhnliche Konzertkonzepte. Auch die Reihe der Symposien wird nach der großen Resonanz der letzten Jahre fortgesetzt. Diesmal diskutiert Ursula Adamski-Stürmer vom BR am 9. Juli im Eckstein-Haus mit Podiumsgästen und dem Publikum über das Thema „Alles Pop?! Oder: Was bleibt von der Musica Sacra?“. Gottesdienste und Vespern, Künstlergespräche und Lesungen vervollständigen das 68. Musikfest ION, dessen Motto „Spuren“ sich explizit durch den Veranstaltungsreigen zieht. So ist im Programmheft von „Glaubensspuren“ bei Mendelssohns „Elias“ die Rede, und der Abend am 1. Juli im historischen Rathausaal spricht von „Spuren unseres Zusammenlebens“, wenn unter der Devise „Glorious Revolution – England 1688/89“ Werke von Henry Purcell aufgeführt werden.
Moritz Puschke scheint es auf Anhieb gelungen zu sein, eine ansprechende inhaltliche Neuausrichtung der ION umzusetzen, und das in einem Festival, dem man ohnehin in den zurückliegenden Jahren eine innovative Strategie nachsagen darf. Der in Berlin ansässige Kulturunternehmer ist in erster Linie als Initiator von Vokalprojekten bekannt geworden, wirkte viele Jahre am Bremer Dom, kuratierte und organisierte verschiedene Festivals, arbeitet regelmäßig für Funk und Fernsehen und ist Mitglied im Präsidium des Deutschen Musikrats sowie künstlerischer Beirat des Deutschen Chorwettbewerbs, kurzum: eine vielversprechende Option für Nürnberg.