Der Bambägga - Panem et circenses
„Brot und Spiele“ titelt die sechste Langspielplatte der Bamberger Hip-Hop-Crew Bambägga. Im nunmehr fünfzehnten Jahr der Bandgeschichte präsentieren die fränkischen Rapper dreizehn Tunes aus ihrer Backstube. In einem Interview mit Mastermind Jonas Ochs begibt sich ART5drei auf Spurensuche nach den Wurzeln und zieht am roten Faden ins Hier und Jetzt des Trios.
Jonas Ochs: Ja klar, eigentlich war das wie bei vielen. Ich habe in der Schule viel Hip-Hop gehört und wusste, dass es am Clavius-Gymnasium noch ein paar Leute gibt, die das mögen. Franz Bläser, ein Sohn eines Symphonikers, hat damals schon am Computer Beats programmiert. Und wir haben uns dann mit dem Constantin Kern zusammengetan, der auch schon länger gerappt hat. Über die Jahre hinweg ist das dann gewachsen. Als erster Live-DJ kam Michel dazu, der Mighty Mike. Das war uns wichtig, diese eigene Disziplin und Kunstform zu integrieren. Vor neun Jahren hat das dann mein Bruder David, DJ Startklar, übernommen.
Jonas Ochs: Tatsächlich habe ich es initiiert, aber es war schon immer viel mit Banddemokratie, viel mehr als es manchmal vielleicht nach außen scheint. Die neue Platte ist zwar eher eine Solo-Platte, was aber für alle Beteiligten soweit ok ist. Wer eben gerade am meisten schreibt, kriegt mehr Platz auf der Platte. Das wäre anders herum genauso.
Jonas Ochs: Das ging los mit dem Debüt „Der Bäcker hat gerufen“. Danach kamen in etwa dreijährigem Abstand „Zwieback“, „Alarmstufe Brot“, „Laib &Seele“, „Brotlose Kunst“ und nun feiern wir am 11. Oktober den Release von Album Nummer 6: „Brot und Spiele“.
Jonas Ochs: Ja auf jeden Fall. Ich glaube mit dem Alter verschwindet auch so ein bisschen die Diplomatie halb gare Dinge zu machen. Man ist dann klarer und direkter und erzählt dann einfach von sich. Was soll ich den Leuten jetzt auf irgendeiner Metaebene von meinem Hobby erzählen. Das mach ich eben und dann sage ich es auch genauso. Man hat über die Jahre mehr zu sich selbst gefunden.
Jonas Ochs: Unsere erste Platte sind einfach nur Partysongs. Mit der Zeit hat sich da schon einiges verändert. Wir achten heute deutlich mehr auf die Inhalte. Die Mechanismen der Erwachsenenwelt haben uns alle aufgesaugt. Wir haben Vollzeitjobs, Familien. Dieser Reifungsprozess spiegelt sich in den Texten wider. Für die letzten beiden Alben haben wir uns musikalisch geöffnet. Wir hatten viel mit Musikern zu tun und das verändert natürlich das Klangbild. Wir haben uns dadurch aus Genregrenzen gelöst und uns stilistisch emanzipiert. Dann schöpfen wir auch mal aus Funk oder Jazz und ich bringe meinen Text in ein neues, etwas zeitloseres Klangbild.
Jonas Ochs: Nein, es ist ein komplett produziertes Album, aber die Herangehensweise an die Beats, Samples und Sounds wird davon stark beeinflusst. Wir haben mehr auf Musikalität geachtet, weniger Richtung ausproduzierte Plastik mit Zeitgeist-Soundästhetik des aktuellen, eher synthetisch orientierten Hip-Hops gearbeitet. Dort, wo wir das einsetzen, tun wir das überzogen, mit einem Lächeln im Gesicht und mit für junge Leute erst einmal uncoolen Themen wie Presssack, Marmelade und Wirtshaus.
Jonas Ochs: Ja, das wäre sicher wünschenswert. Bei Alarmstufe Brot haben wir auch Livemusik auf der Scheibe. Das war sehr cool. Ich sehe uns perspektivisch auch eher mit Liveband, weil es auch vom Spirit her besser passt. Aber genauso mit Tänzern und Live-DJ. Das ganze Hip-Hop-Museum-Setting, so dass sich jeder zu Hause fühlen kann. DJ-Shows haben ja ebenso ihren Reiz. Sind eben sehr abgeklärt, du bewegst dich in einem klaren Rahmen und das passt.
Jonas Ochs: Ich habe mich da schon neu strukturiert und zwinge mich jeden Tag eine Line zu schreiben. Ich habe sonst eine Schreibblockade. Der Alltag, die Familie, der Job. Da musst du dich disziplinieren, sonst kriegst du nichts auf die Kette. Das Texten muss in den Alltag integriert sein, wie andere meditieren oder Yoga machen. Irgendwann geht das. Manchmal kommt auch totaler Mist raus. Man muss aus der Masse an Ideen filtern. Jeden Tag kommt ja etwas anderes mit rein: Zeitgeist, Politik, irgendetwas. Eine Zeile am Tag. Da geht immer was.
Jonas Ochs: Jeder hat so seine eigenen Dinger. Ich habe früh ganz oft auch schon auf den Kaffeefilter geschrieben, mit dem ich eigentlich Kaffee machen wollte. Oder ich nehme es am Handy auf, mit dem Diktiergerät. Da liegen noch hunderte Sachen, die mir irgendwann einmal eingefallen sind. Die Aufnahmen arbeite ich dann halt immer ab, hab noch 93 Sachen hier. Hier zum Beispiel: Marmeladenamerla. Da kam mir die Idee, ob ich als Scratch nicht Lady Marmalade von Missy Elliot anscratche. Mein DJ hat das dann abgelehnt. Manchmal auch besser, wenn du paar Leute innerhalb der Band hast, die dich bremsen. Die Idee war dazu Damen in einem Marmeladeglas abzudrehen. Da war ich dann bei der Erlebnisernte-Gastronomie Erdbeerfeld, im Businessanzug und hab denen gesagt, ich brauche vierhundert Euro, um den Kameramann zu bezahlen und was von Facebook-Reichweite erzählt. Manchmal bist Du von deinem Produkt so überzeugt. „Der Song heißt Marmeladenamerla“, sag ich und ich erzähl auf so einem Trap-Beat und so. Und die waren nicht abgeneigt und haben gesagt, das machen wir, ist ja voll der Werbeeffekt. Ich bin jetzt ganz froh, dass dann auch einfach die Erdbeerzeit vorbei war. Aber manchmal musst du deinen Film auch ausleben. Da steckst du in der Entwicklung von so einer Idee. Die musst du weiterspinnen.
Jonas Ochs: 1985, der erste Tune auf „Brot und Spiele“ ist so eine Art Storytelling. Das Album geht los, dass ich sage, die Cypher gehen auf, also der Kreis, in dem man sich präsentiert. Alle stehen um einen herum und man muss zeigen: kann man gut rappen, kann man gut tanzen? Und das geht so los, dass ich quasi in eine Welt geboren wurde, meine Traumwelt, in der alles mit Hip-Hop im Einklang ist. Jeder ist gleich und wird rein nach seinen Fähigkeiten beurteilt.
Jonas Ochs: Auf jeden Fall, egal ob im beruflichen Kontext oder schon zur Schulzeit. Ich war kein superguter Schüler, aber ich habe mich immer bemüht, dass wenn ich den Mund aufmache, dass ich gut reden kann. Ich kann mich an Zeugnisse erinnern - meine Mutter hat mir erst wieder eines vorgelesen: „Der faule, aber redegewandte Schüler Jonas“. Ich habe nicht gern geschrieben und mir viel leichter getan zu erzählen. Daher habe ich Referate geliebt. Ich war halt eher so der Typ: „Geil, da ist die Bühne“. Mein Vater hat mich immer auf den Flohmarkt mitgenommen und gesagt, ich soll mich auf den Hocker stellen und die kaputten Schallplatten verkaufen, ich könne die ganze Kohle behalten. Das war für mich…- die Leute haben da weniger wegen der Schallplatten gekauft, als vielmehr ob der Erinnerung an den kleinen verrückten Jungen, den sein Vater da auf den Stuhl gestellt hat. Da habe ich mir ganz viel rausgezogen, aus dieser Hip-Hop-Mentalität: MC - master of the ceremony. Wenn du am Mikro stehst, dann blicken alle auf dich, also mach auch was daraus! Wie man mit Sprache umgeht, auch rhetorisch, das habe ich alles im Hip-Hop gelernt. Da waren meine besten Lehrer gute Rapper, die in Bildern gesprochen haben, mich gefesselt haben, die mir etwas in den Kopf gepflanzt haben, worüber ich lange nachgedacht habe.
Jonas Ochs: Da habe ich mir pädagogisch schon auch Sachen abgeholt, wie ich mit Leuten umgehe, mein Menschenbild usw.. Da bietet Hip-Hop eine unheimliche Bandbreite. Von der „Euch soll es mal nicht so gehen wie mir“-Perspektive, bis zu Leuten, die damit nichts anfangen können. Meine Workshops im Knast in Ebrach haben mir da einen anderen Zugang, ein anderes Verständnis für andere Perspektiven vermittelt. Am Ende gibt der Hip-Hop sehr unterschiedlichen Köpfen die Möglichkeit kreativ über ihre Erfahrungen zu berichten. In einer Form von Lyrik. Geh da mal rein und sag: „Schreib mal ein Gedicht!“ Die lachen dich ja aus.
Jonas Ochs: Der Bezug ist ja natürlich schon über den Namen da. Dazu gibt es nicht wirklich eine Geschichte. Ausschlaggebend war der Bäckerberuf, den fand ich immer ähnlich zu dem Hip-Hop, den wir machen: selbst gemacht schmeckt am besten. Früh aufstehen. Gutes Produkt abgeben. Die ersten Demos hatten wir in Brotzeittüten verschickt. Wir wollten was mit Bamberg machen und irgendwann heißt du dann so und füllst es dann irgendwann.
Jonas Ochs: Heute sehe ich das positiv. Das Bamberg, in das ich hineingeboren wurde, war ja zunächst anders. Ich meine - jetzt bin ich 33. Es war für mich in erster Linie sowas wie eine Arbeiterstadt. Mein ganzes Umfeld, meine Familie waren alles Leute, die gearbeitet haben. Daher war Bamberg für mich als Kind in vielen Punkten erst einmal unattraktiv. Dass die Bambägga heute so stolz auf Bamberg sind, das hat sich dann über die Jahre so entwickelt. Irgendwann kam dann das mit dem Weltkulturerbe. Ich bin ja noch in eine Zeit hineingeboren, da konntest du mit dem Auto durch die Sandstraße fahren. Damals war es auch touristisch überschaubar. In meiner Kindheit war das trotzdem irgendwie so stiefmütterlich alles. Bamberg tauchte in der Musik auch nicht so richtig auf. Ich fand das schade. Wir haben gesagt, dass wir aus Bamberg kommen. Und ich kannte eigentlich nur zwei Songs, in denen Bamberg vorkommt, so als Schnipsel. Das habe ich für mich geloopt, weil ich fand es megacool, dass da ein Rapper Bamberg sagt und dachte mir, wieso traut sich niemand Bamberg zu sagen?
Jonas Ochs: Ja genau, wir wollten Bamberg ganz klar auf die Karte bringen. Und sagen hier ist es geil, hier geht was. Hier haben wir eine Szene und sind nicht der verlängerte Rockzipfel von Erlangen oder Nürnberg, sondern sind die Bamberger. Kommen aus Bamberg. Kommt her. Kommt vorbei, ihr seid hier alle willkommen, wir haben geile Sachen. Und wir haben dann angefangen mit so Quatsch wie, keine Ahnung, „Ba, Ba, Ba, Ba, Ba, Bambägga“ in unseren Performances und haben dazu gestanden. Wir haben von vornherein gesagt, dass unser Fokus hier ist. Das war für uns auch eine Form von authentisch und real: wir sind hier, wir sind ansprechbar, auch beim Bäcker um die Ecke.
Jonas Ochs: Ja genau, wobei, das haben wir uns am Anfang so nicht getraut und da hätte Consti auch was dagegen. Wir sind ja keine Dialekt-Rapper. Ich glaub da habe ich mich selbständig gemacht mit der Nummer. Dialekt fand ich immer super lustig. Und es gab da auch einen Aufhänger. Da hatten wir vor zwei Jahren ein Booking für das Etzerdla-Festival, bei dem nur fränkische Mundartkünstler auftreten. Das klang cool und ich habe gesagt, wir machen es. Und am Eingang meinte der Veranstalter: „Ihr wisst schon, auf dem Festival wird nur fränkisch geredet.“ Und er hat das in so einem militanten Ton gesagt, dass ich gedacht habe, der gibt uns die Gage nicht, wenn wir das nicht machen. Und meine Bandkollegen haben hart gelacht. Ich hatte noch zwei Stunden Zeit und hab dann das Set komplett nach fränkisch umgemünzt. Ich fand es so geil und lustig und dann haben wir es durchgezogen und machen jetzt paar Songs im Dialekt. Das ist ja ein neues Thema für uns und ermöglicht noch mehr Zugang zu dem Seelenleben hier. Ich meine, ich habe da einen Schatz von hundert Geheimwörtern. Fränkisch ist super zum Rappen. Da kannst du manches ganz anders rüberbringen. Aber wir werden jetzt keine Mundart-Band.
Jonas Ochs: Der kann natürlich ein schwieriges Thema sein, ist über Jahre negativ geworden. Aber es hat sich ja niemand ausgedacht, dass er jetzt Franke ist. Wir gehen damit locker um, um politisch schrägen Ambitionen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dass beispielsweise ein Afghane auch selbstverständlich Franke ist. Das ist doch cool. Die Vielfalt. Das moderne Gestalten von lokaler Identität. Für mich war Bamberg immer eine Stadt mit Amerikanern. Und auch Hip-Hop-Kultur. Basketball. Für mich war Bamberg da immer voll am Zeitgeist. Deswegen verbinde ich mit dem lokalen Patriotismus vielmehr, dass wir hier eine bunte Gemeinschaft sind, mit einem breiten Spektrum unterschiedlicher Leute.