Eine international besetzte Jury zeichnete drei Studierende der Hochschule für Künste (HfK) Bremen als Frese-Design-Preisträger:innen aus: Noriyuki Suzuki, Te I Um und Klara Linde. Außerdem wurden Hanna Paniutsich, Kai Schorowsky sowie Victor Artiga Rodriguez & Icaro Lopez de mesa Moyano für ihre Arbeiten mit den Frese-Design-Belobigungen gewürdigt.
Alle sechs Künstler:innen sind Absolvent:innen der HfK-Studiengänge
„Integriertes Design“ und „Digitale Medien“ und präsentieren mit 23
Kommiliton:innen noch bis zum 16. November 2022 ihre Abschlussarbeiten
im BLG Forum: J22 ist diese Jahresausstellung betitelt.
Die Jury
zeigte sich bei der Preisvergabe während der Ausstellungseröffnung
„positiv beeindruckt von der Qualität der Arbeiten, die sich durch
Originalität, konzeptionelle Raffinesse und sorgfältige Ausführung
auszeichnen und sich mit relevanten Themen der heutigen Gesellschaft
befassen“.
Der Frese-Design-Preis wird seit 2014 an junge
Designer:innen und Gestalter:innen der HfK Bremen verliehen. Er hilft
dabei, Absolvent:innen aus dem Fachbereich Kunst und Design mit ihren
Arbeiten national und international sichtbar zu machen, ihr
gestalterisches Engagement zu fördern und den beruflichen Start zu
unterstützen.
Mit dem Frese-Design-Preis sind Preisgelder in der
Höhe von 5.000 Euro für den 1. Preis, 3.000 Euro für den 2. Preis
sowie 2.000 Euro für den 3. Preis verbunden.
1. Platz: Noriyuki Suzuki (Digitale Medien, Master of
Arts)
Titel: Invisible Hand, Genre:
Installation
Werkbeschreibung: „Invisible Hand“ ist eine
kinetische Skulptur, die die Todeskammer für Delinquenten der
japanischen Todesstrafe symbolisiert, die auch nach dem Zweiten
Weltkrieg noch praktiziert wird. 2021 wurden laut Amnesty
International drei Todesurteile in Japan vollstreckt. Die
Hinrichtungen durch den Strang werden unter Wahrung der Anonymität des
Täters durchgeführt. „Eine unsichtbare Hand führt den Tod der
Verbrecher herbei, als ob niemand an dem Prozess beteiligt wäre“, so
Noriyuki Suzuki.
Aus der Begründung der Jury:
„Die
Mitglieder des Ausschusses waren besonders beeindruckt von der Art und
Weise, wie Noriyuki Suzuki uns mit ,Invisible Hand‘ zu einer Reflexion
über die umstrittenen Themen der Handlungsfähigkeit, der delegierten
Macht und der Verantwortung anleitet und dabei subtil auf die
Verfahren bei der Vollstreckung von Todesurteilen in Japan anspielt.
Suzukis Werk ist sinnlich, emotional und dramatisch, voller Verweise
und Metaphern. Sie kombiniert unerwartete Artefakte wie einen Stuhl
und Vorhänge, um die düstere Atmosphäre japanischer
Hinrichtungskammern nachzustellen, während hydraulisch betriebene
Birkenzweige die verteilte Verantwortung darstellen, indem sie gebogen
und übereinander gepresst werden. Das Werk ist hochpolitisch, eine
Metapher für unsere gegenwärtiges Verhalten, wie wir Verantwortung für
aktuelle Probleme ablehnen und maschineller Autorität Leben einhauchen.“
2. Platz: Te I Um (Integriertes Design, Master of
Arts)
Titel: ChuChu and TuTu, Genre: Installation mit
Animationen, Comics und Grafiken
Werkbeschreibung: „Meine
Forschung zielt darauf ab, die Grausamkeit der alltäglichen
Diskriminierung in unserer Gesellschaft mit Hilfe der Ästhetik des
Kitsches zu enthüllen. Anhand von ChuChu und TuTu – Figuren, die ich
selbst geschaffen habe und die bestimmte Stereotypen in der
Gesellschaft repräsentieren – denke ich in meiner Arbeit über die
soziale Struktur, die Hierarchie und die Grausamkeit der menschlichen
Natur nach.“
Aus der Begründung der Jury:
„Wir fühlen uns
geehrt, Te I Um als Gewinnerin des zweiten Preises zu präsentieren.
Ihr gut beobachtetes, mutiges Werk spricht persönliche und universelle
Aspekte der Erfahrung alltäglicher Diskriminierung und sozialer
Strukturen der Stereotypisierung des Andersseins in eurozentrischen
Sphären an. Durch ihre ausgewogene, qualitativ hochwertige Ausführung
auf allen Ebenen der Projektentwicklung schuf Te I Um eine
spielerische Parallelwelt, in der das Publikum die Erzählung über
verschiedene Medien organisch erkunden kann. Die Ästhetik des
,Kitsches‘ wurde sehr geschickt eingesetzt, um die vorgestellten Ideen
fast bis ins Groteske zu überspitzen, ohne jedoch jemals den
leichtfüßig-satirischen Blick zu verlieren. Uns fiel der virtuose und
professionelle Umgang mit verschiedenen Medien auf, der eindrucksvoll
demonstriert, wie Illustration aus einem zweidimensionalen grafischen
Impuls eine räumliche Empfindung zu einem dreidimensionalen
skulpturalen Erlebnis entwickeln kann.“
3. Platz: Klara Linde (Integriertes Design, Bachelor of Arts)
Titel: Umbruch, Genre: Publikation
Fragen als Ausgangspunkt
des Werkes: „Deutsch-Ossig ist einer von mehr als 300 Orten, die dem
Kohletagebau weichen mussten. Er war Heimat meiner Familie. Ich konnte
ihn nie kennenlernen. Wie war es dort, das Leben? Wie wurde der
Kohleabbau wahrgenommen? Die Umsiedlung? Der neue Wohnort im
Kohleersatzbau? Und was bleibt von einem Ort, der sich nun in der
Mitte eines Sees befindet?“ (Klara Linde)
Aus der Begründung der
Jury:
„Die Zwangsumsiedlung einer ostdeutschen Gemeinde durch den
Einzug des Kohletagebaus und deren Folgen ist das Thema der
Bachelorarbeit von Klara Linde. Der Bezug zu Themen wie Migration und
Vertreibung, die immer mehr an Aktualität gewinnen, wird in der
gründlich recherchierten Arbeit deutlich. Sie besticht durch ihre
Vielfalt und die professionelle multimediale Umsetzung, die aus drei
Teilen besteht: Eine dokumentarisch anmutende Bilderserie zeigt
Reihenhäuser, in denen die Familien nach ihrer Umsiedlung leben.
Scanartige großformatige Bilder zeigen im Detail Fundstücke in
leerstehenden Häusern. Die umfangreiche Publikation, die auch
Interviews mit Betroffenen enthält, besticht durch eine gelungene
Umsetzung, eine durchdachte typografische Gestaltung, zielgerichtet
gestaltete Karten und den gezielten Einsatz verschiedener Drucktechniken.“
Besondere Belobigungen werden Hanna Paniutsich, Kai Schorowsky sowie Victor Artiga Rodriguez & Icaro Lopez de mesa Moyano zuteil.
Hanna Paniutsich (Digitale Medien, Master of Arts):
Vypramienvannie (Radioactivity), Installation
Begründung der
Jury: „Hanna Paniutsich nähert sich mit ihrer Installation der
Verantwortung der Nuklearkatastrophe, die uns alle belastet. Die
Arbeit zeigt uns auf taktile Weise, wie Radioaktivität über lange Zeit
Spuren hinterlässt und den Klimawandel, das Bodenmikrobiom und alle
Pflanzen und Lebewesen beeinflusst.“
Kai Schorowsky (Integriertes Design, Bachelor of Arts):
Myth Private Pool, Drucke/Buch
Begründung der Jury: „Eine lobende Erwähnung geht an
das Projekt von Kai Schorowsky – eine experimentelle und faszinierende
Recherche mit vielen historischen und anthropologischen Bezügen zu den
Phänomenen des Privatpools von der Antike bis heute. Die Zeichnungen
in dem Buch verblüffen durch eine so originelle Art und Weise, dass
wir alle das Buch mitnehmen wollten!“
Victor Artiga Rodriguez & Icaro Lopez de mesa Moyano
(Digitale Medien, Master of Arts): The Paradoxical Myth of
the Crazed Jaguar and Nene de Solar, Performance
Begründung der Jury: „Victor Artiga Rodriguez und
Icaro Lopez de mesa Moyano faszinierten uns mit einer
techno-schamanistischen Performance, in der sie die Grenzen zwischen
digitalen, mechanischen und traditionellen Medien verwischten. Sie
stellten den Mythos von Jaguar und Solar nach und brachten uns das
Problem der Verwestlichung des indigenen Erbes näher.“
Die Jury des diesjährigen Frese-Design-Preises setzt sich zusammen aus Serge Rompza (Grafikdesigner, Designstudio NODE Berlin Oslo), Julia Eberhardt (an der HfK Bremen ausgebildete Modedesignerin, Kleider- und Kunsthistorikerin sowie Kollektionsentwicklerin für die Marke „Vivienne Westwood“), Dr. César E Giraldo Herrera (Sozialanthropologe, Biologe, freiberuflicher Forscher und Autor), Daria Parkhomenko (Gründungsdirektorin der russischen Laboratoria Art & Science Foundation, lebt derzeit in Deutschland, arbeitet am Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe) und Moritz Putzier (an der HfK ausgebildeter Produktdesigner).