Eine leichte Brise, die unser Haar wohlwollend zerzaust. Wir blinzeln in die Sonne, beobachten kleine Schäfchenwolken und atmen tief ein. Die leichte Brise weht Meeresluft zu uns hinüber und all die maritime Sehnsucht, die von Zeit zu Zeit aufkommt und uns ans Meer lockt, wird gestillt. Wir fahren gen Ostsee und mit jedem Kilometer steigt die Vorfreude auf eine ganz besondere Universitätsstadt an der Küste: Greifswald. Eine pittoreske Bilderbuchstadt, mit ihren kleinen Gassen, ihrer typisch nordischen Backsteingotik, ihrem seemännischen Charme und ihrer Leichtigkeit. Greifswald erweckt Urlaubsgefühle in uns und lässt uns diese einzigartige Gegend im schönen Mecklenburg-Vorpommern auf eigene Faust erkunden wollen und auf den Spuren eines wahren Ausnahmekünstlers wandeln, der Greifswald seine Heimat nennt.
Die Rede ist von keinem geringeren als Caspar David Friedrich, der wie kein anderer unsere Vorstellung von Romantik und Landschaftsmalerei geprägt hat.
Am 5. September 1774 kam Caspar David Friedrich mitten in der Greifswalder Altstadt in dem Wohn- und Geschäftshaus der Familie Friedrich zur Welt. Damals fand sich hier eine Seifensiederei, heute das Caspar-David-Friedrich-Zentrum, welches als Museum sowie als Dokumentations- und Forschungsstätte fungiert. Zu besichtigen sind hier noch die alte Seifensiederei des Vaters, das Familienkabinett mit einem Stammbaum und der Rügen- und Eldena-Raum, die bekannte Motive aus Friedrichs Œuvre widerspiegeln. Auch wird hier die Geschichte der Familie nacherzählt und Friedrichs Werdegang sowie seine Schaffensweise detailliert beleuchtet. Ergänzt durch wechselnde Ausstellungen aktueller Kunst in der Caspar-David-Friedrich-Galerie gelingt es dem Zentrum, seine Besucher stets auf ein Neues in die romantischen Bildwelten des bekanntesten Sohnes der Stadt zu entführen und sie neue zauberhafte Details entdecken zu lassen.
Darüber hinaus markiert das Zentrum die erste von 15 Stationen des Caspar-David-Friedrich-Bildweges, der relevante Orte passiert, die Friedrich als Motive für seine weltberühmten Werke dienten.
Nach der Geburtsstätte des Malers folgen der Dom St. Nikolai, in welchem der junge Friedrich getauft wurde, und die 1456 gegründete Universität Greifswald. Von dieser aus geht es zur Jacobikirche, zum Ryck und zum Hafen, der in seiner maritimen Pracht auch außerhalb des Bildweges einen Besuch wert ist. Ein weiterer Höhepunkt des Bildweges manifestiert sich in der Klosterruine Eldena, welche als Kleinod auf der Europäischen Route der Backsteingotik zelebriert wird.
Bereits 1199 wurde hier, an der Ryckmündung östlich der späteren Stadt Greifswald, ein Zisterzienserkloster gegründet, welches als das bedeutendste der Region galt. Bis 1533 hatte dieses Bestand und wurde in der Folgezeit der Reformation sodann seinem Verfall überlassen, bis 1827 im Sinne der Romantik eine konservatorische Sicherung erfolgte und das Ruinengelände eine neue künstlerische Gestaltung erfuhr, ganz der zeitgenössischen Auffassung dreier hoch respektabler Herren folgend, die keine Geringeren waren als der Architekt Karl-Friedrich Schinkel, der Gartengestalter Peter Joseph Lenné sowie Caspar David Friedrich. Der Letztere war es auch, der die sich in der Klosterruine Eldena darbietende Einheit von mittelalterlicher Architektur und Naturlandschaft aufgriff und auf unzähligen Leinwänden in Öl verewigte. So erhob er den Bau zum Wahrzeichen der romantischen Kunst- und Architekturtheorie und verhalf ihm zu internationaler Bekanntheit.
Nach der Klosterruine Eldena führt der Bildweg an die Dänische Wiek und schließlich zum historischen Marktplatz zurück, der zum Verweilen einlädt und sich dafür eignet, ganz im Sinne der Romantik malerische Sonnenaufgänge zu erleben. Die letzte Station findet sich sodann wenige Gehminuten vom Marktplatz entfernt an der Stadtmauer in Form des Pommerschen Landesmuseum mit seinen bekannten Originalen Caspar David Friedrichs. In der Gemäldegalerie des Museums finden sich die zuvor auf den Stationen des Bildweges betrachteten Motive auf Leinwänden wieder. Hier leisten namhafte Künstler den wertvollen Gemälden Friedrichs Gesellschaft. Von der Malerei des Barock, die sich nicht zuletzt in einem Herrenbildnis Franz Hals’ widerspiegelt, bis zu den expressiven Arbeiten des 20. Jahrhunderts, die unter anderem durch Max Lieberman sowie Max Pechstein repräsentiert werden, spannt sich hier ein illustrer Bogen, wobei ein deutlicher Schwerpunkt im 19. Jahrhundert und seinen Naturdarstellungen zu finden ist.
Neben dieser exquisiten Malerei mit Bezug zum Norden bietet das Pommersche Landesmuseum Dauerausstellungen zur Erd- wie auch Landesgeschichte, die Exponate aus 14.000 Jahren pommerscher Landeskunde beinhalten.
Die Exposition zur Erdgeschichte befindet sich passend zur Thematik im umfangreichen Kellergewölbe des Museums und erstreckt sich von der Kontinentalverschiebung über die Saurier bis zur Eiszeit, von den Urmeeren bis zur heutigen Küstenlinie, von der Kreide bis zum Bernstein. Dabei können Besucher die Bernsteinbildung vor 50 Millionen Jahren begutachten, fossile Reste wie Ammoniten, Muschelschalen und Schwämme bestaunen oder die Kreidezeit selbsttätig in den Tiefen des Kreidemeer-Dioramas erforschen. Ein zusätzlicher Höhepunkt besteht in einem eigens gestalteten Gletscher, der uns den Ablauf der letzten Eiszeit lehrt.
Speziell auf die Geschichte Pommerns kann man sich in der weiteren Dauerausstellung zur Landesgeschichte konzentrieren. Hier werden Kultur, Entwicklung der Landschaft sowie Politik, jedoch auch liebenswürdige Besonderheiten der hiesigen Region von den ersten menschlichen Spuren in der Altsteinzeit bis zum ersten Weltkrieg beleuchtet. Nicht nur Liebhaber klassischer historischer Darbietungen kommen auf ihre Kosten, die Exposition ist sehr interaktiv gestaltet, wodurch Geschichte in unserer Gegenwart erlebbar wird. So erzählen Zeitzeugen wie Bischöfe, Herzöge oder eine junge Dorfbewohnerin am Vorabend ihrer Hochzeit aus ihrer Perspektive von Erlebnissen, Erfahrungen und ihrem Leben in Pommern. Doch nicht zur Zuhören gehört zum Programm, auch hier kann man selbst aktiv werden und sich in der Backsteinwerkstatt als mittelalterlicher Baumeister erproben, seine Rechenkünste als Hansekaufmann an einem Rechenbrett unter Beweis stellen oder sich auf die Suche nach der versunkenen Stadt Vineta begeben. Dabei komplettieren zeitgenössische Musikstücke, Hörspiele und Filmsequenzen die Ausstellungen zur Landesgeschichte Pommerns.
Geschichtsträchtig sind nicht nur die Schauen des Landesmuseums, sondern auch der Bau selbst. Bereits um 1250 entstand an diesem Ort ein Franziskanerkloster, welches im Zuge der Reformation unter der Leitung J. G. Quistorps, dem Zeichenlehrer Caspar David Friedrichs, zur Stadtschule umfunktioniert wurde und im 19. Jahrhundert schließlich als eines der modernsten Armen- und Altenheime fungierte. Heute steht der mittelalterliche Komplex um die Klosterbibliothek für Sonderausstellungen und Museumspädagogik zur Verfügung und wird durch eine filigrane, gläserne Museumsstraße mit den anderen Gebäuden des Museumskomplexes und den Gärten verbunden. Diese nutzten die Mönche als Ort der inneren Einkehr und genau dazu laden sie die Besucher auch heute noch ein, indem sie die religiösen, medizinischen, ästhetischen und auch magischen Vorstellungen des Mittelalters in sich vereinen.
Wer ein besonderes Augenmerk auf letzteres legt, dem sei ein 80 Kilometer südlich von Greifswald gelegenes Ausflugsziel empfohlen: Die Alte Burg Penzlin, welche ein Museum für Magie und Hexenverfolgung in Mecklenburg beheimatet. Die im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts errichtete Burg wirkt äußerlich eher unscheinbar, beherbergt jedoch einen unvergleichlichen Schatz magischer Geschichtserzählung, die auch sehr kindgerecht dargereicht wird. Im Obergeschoss sind unter anderem erzählte Hexenprozesse, Mecklenburgische Sagen, magische Funde sowie die Kunst- und Ideengeschichte des Konstruktes Hexe zu erleben. Wer sich traut, gelangt von dort aus durch einen Geheimgang in die Hexenkeller, in denen für starke Gemüter die Folterkammer zu besichtigen ist, die sich mit der Geschichte des Rechtswesens befasst. Erfreulicheres ist nicht zuletzt für die Kleinen hier unten auch zu finden: Exemplare der größten mitteleuropäischen Fledermausart finden in der Burg Penzlin ihr Quartier und können an einer Fledermaus-Schauvitrine besucht werden, die mit einer Lupe und speziellen Lautsprechern, die Fledermaus-Schreie für Menschen hörbar machen, ausgestattet. Draußen erwartet die Besucher sodann ein Hexenspielplatz sowie ein ausgedehnter Kräutergarten, der alle Pflanzen, die im Zauberglauben eine Rolle spielten, enthält. So lässt sich mit Ringelblumen beispielsweise ein Liebeszauber erstellen, mit Maiglöckchen die Zukunft voraussagen und Engelwurz bringt Glück.
Bevorzugt man einen Ausflug in nördlich von Greifswald gelegene Gefilde, ist die 50 Kilometer entfernte Insel Rügen sehr zu empfehlen. Als beliebtes Urlaubsziel ist Rügen mit seinen langen Sandstränden, der unberührten Natur und dem kürzlich eröffneten Baumkronenpfad, der einen unvergleichlichen Blick über die Ostseeinsel sowie das Meer bietet, längst bekannt. Doch zusätzlich hält die Insel mannigfache Museen bereit, die ihre Besucher in die Zeit der DDR zurückversetzen und die Geschichte der NVA beleuchten wie das NVA-Museum Prora, oder eine illustre Auswahl an Oldtimern präsentieren wie das Oldtimer Museum Rügen. Hier kommen Liebhaber irdischer historischer Themen ganz auf ihre Kosten. Auf dem Weg dorthin eignet sich auch ein Zwischenstopp in der malerischen Kleinstadt Stralsund, die das Marinemuseum Dänholm beheimatet, wo die Wiege der preußischen Marine gelegen ist.
Von bedeutenden Künstlern über magische Kapitel unserer Geschichte bis zur Historie unserer maritimen Teilstreitkraft hat Mecklenburg-Vorpommern vielfältige kulturelle und auch landschaftliche Höhepunkte zu bieten, sodass sich abschließend nur der alte Slogan des Bundeslandes zitieren lässt: MV tut gut.