Isaiah Callier, der junge Wilde der Jazzszene Chicagos, bereits für seine Vorgängeralben und als Saxophon-Hoffnung heimlich gefeiert und live in Europa gewesen, legt mit Parallel Universe aktuell seine zweite Reifeprüfung ab. In einer außergewöhnlich versatilen direct-to-disc-Session entstehen Songs, deren Überlänge ein stolzes Vinyl-Doppelalbum füllt. Jazz ist darauf zu hören. Auch. Zuvorderst. Afrikanischer Folk, Soul, Blues, mal spirituell, mal originell, immer innovativ und fordernd wie einnehmend. Die kommunikative Freude der acht Tracks ist beachtlich, beinahe euphorisch, die instrumentale Vielfalt präsentiert den Multiinstrumentalisten in seiner ganzen Breite. Erst im Laufe des Longplayers entwickeln sich die Positionen zu strukturierten Kompositionen, die mehr oder weniger eingängig zahlreiche musikalische Facetten zelebrieren, zum Tanze bitten und unsere Hörgewohnheiten provozieren, um schließlich versöhnlich zum Finale zu laden. Oder eben auch mal nicht. Die Session ist an vielen Stellen herausfordernd, extrovertiert, progressiv, dem Roten Bereich nahe. Gleichzeitig frisch, aufwühlend, überlagernd und schreiend schrill. Dabei mitreißend und abstoßend zugleich – funky und sexy. Stetig ändernde Magnetfelder musikalischer Überlagerungen. Schreck statt Weichspüler. Hypnose, Avantgarde und Dramaturgie. Es verbinden sich darin mutige und gelassene Jazzmusiker, deren Teile hier und da wild oszillieren und kaum zur Ruhe finden. Ein Jazzalbum wie ein hitziger Aperitif im Longdrink-Glas, in dem die afrikanische Diaspora musikalisch verewigt scheint. Und damit ein höchst politisches Statement.