Linde Unrein beschäftigt sich nicht nur als Neurologin, Psychiaterin und Psychotherapeutin sondern auch als Poetin und mit den Mitteln der bildenden Kunst mit dem Menschen als Beziehungswesen, mit seinen Trieben und Antrieben und mit den existenziellen Fragen des Lebens. Die faszinierende Marmor-Skulptur von Bernini, die heute ein Glanzlicht der Kunstsammlung der Galleria Borghese in Rom ist, sei die „Urszene“ für ihr Malen und Zeichnen, sagt sie.
In ihrer Ausstellung „Eros in Bedrängnis“ blickt die vielseitige Künstlerin vor allem auf die libidinöse Beziehungsaufnahme des Menschen zu seiner Umwelt. Dabei ist der Begriff „Eros“ deutlich weiter gefasst als umgangssprachlich üblich und nicht auf die sexuelle Ebene begrenzt. Er schließt alles ein, was mit Lustgewinn, Lebensenergie und Lebensfreude zu tun hat - bis hin zur schöpferischen Synthese.
Doch was meint Linde Unrein, wenn sie unseren Blick auf die „Bedrängnis“ des Eros lenkt? Schließlich war der Mensch nie freier im Ausleben seiner Lebenslust (Stichwort: „Spaßgesellschaft“) als heute. Doch genau das hat auch Schattenseiten. Die Begriffe Freiheit, Lust und Neigung laufen heute Gefahr, zu Maximen der Leistungsgesellschaft zu verkommen. Als solche führen sie zu neuen Zwängen und zu neuartigen, narzisstischen Dispositionen. Der zunehmende Selbst-Optimierungswahn und die 24/7-Selfie-Dokumentation des eigenen Daseins im Rahmen von Instagram & Co. sind beredte Beispiele dafür.
Linde Unrein malt, was sie berührt, worüber sie im Mal- und Zeichenprozess noch mehr erfahren möchte, was sich in ihr Innerstes einschreibt - und was sie liebt. „Durch die Fähigkeit zur libidinösen Besetzung bringen wir die Welt zum Klingen, bleiben wir selbst lebendig“, postuliert die Künstlerin. Mit ihren Arbeiten ermutigt Linde Unrein dazu, sich mit den eigenen Beziehungen, dem eigenen Weltbild auseinanderzusetzen, sich den eigenen Schatten zu stellen, zu lernen, sich selbst und das Leben anzunehmen, wahrzunehmen und zu feiern.
Die Ausstellung Linde Unrein: "Eros in Bedrängnis" ist vom 23. Oktober bis zum 20. November 2022 in der Galerie des Kronacher Kunstverein e. V., Siechenangerstraße 13, 96317 Kronach zu sehen. Geöffnet ist die Ausstellung Donnerstag bis Sonntag, jeweils 15 – 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.