Ohren aufgesperrt, Franken! Wenn Ignatz Netzer am 9. April in Kronach (Cafe am Montag) und einen Monat später in Haßfurt an der Seite von Werner Semmler (Altes Rathaus) die Bühnen der Umgebung bespielt, gibt einer der ganz Großen des deutschen Blues sich in Franken die Ehre.
Semmler, 51-jähriger Bluesbarde aus dem bayerischen Schwabenland, hat sich als einer von nicht vielen in der deutschen Blueslandschaft einen vorzüglichen Namen gemacht. „Obelix fiel einst in den Zaubertrank, der gute Ignaz wohl in den Mississippi. Seine rauchige, tiefe und volle Stimme steht der eines alten Baumwollpflückers in nichts nach…“, rezensierte einst die Rheinpfalz. Ein Zitat, dass Netzer seither quasi überall verfolgt. Es gibt Schlimmeres. Schließlich kann man den gebürtigen Wangener kaum besser beschreiben. Und dass nahezu jeder Schreiberling diese Zeilen deutschlandweit wiedergibt, hat wenig mit Copy-and-paste-Mentalität zu tun. Vielmehr ist es als Kompliment an den damaligen Rezensator zu verstehen: Mehr Ritterschlag geht nicht für einen, der seinen Beruf als Passion sieht. Wer Netzer einmal live gesehen hat, der will ihn immer wieder live sehen. Der Verdienst intensiven Schaffens. Schon mit 20 Jahren begann er sein Studium in Freiburg, in jenen Jahren ein Eldorado der akustischen Folk- und Gitarrenszene. Er traf auf Ray Austin, Werner Lämmerhirt und Hannes Wader, um nur einige Gitarristen-Größen zu erwähnen. Mit dem Liedermacher Dirk Sommer tourte Netzer, die beiden veröffentlichten die Alben „Schnappschuss“ (1981) und „Durschd“ (1983). Über Europa landete der vor seiner Musikerkarriere als Buchhändler und Lehrer tätige Netzer schnell in den Vereinigten Staaten.
Ab 1978 war Ignaz Netzer immer wieder in den Südstaaten, um „vor Ort“ den Wurzeln des Blues zu folgen. In Clarksdale jammte er leidenschaftlich mit dem betagten Wade Walton, der lange Jahre Blues-Legende B.B. King begleitet hatte. Gekrönt wurde das Schaffen des im Hohenloher Land sesshaft gewordenen Vintage-Gitarren-Experten vor drei Jahren. Da bekam er den German Blues Award verliehen und stieg endgültig in die Riege der Blues-Elite auf. Was nicht verwundert. Wenn er zwischen seinen drei Gitarren – darunter eine aus dem Jahr 1933 – hin- und herswitcht und eine so stark bespielt wie die andere, staunt der ein oder andere Netzer-Konzertneuling schon. „Wenn er dann aber seine Mundharmonika aus den Taschen zieht und dieser wunderbare Töne entlockt: Spätestens dann weiß jeder, dass das ein Ausnahmemusiker aus hiesigen Landen ist.“ Um noch eine andere Rezension zu zitieren. Und die war zu lesen in der Süddeutschen Zeitung – dem Mekka der Verrisse. Die SZ schrieb einst von einem Blues-Magier. „Mehr geht fast nicht mehr. Aber nur fast.“ Der Saaner Anzeiger aus der Schweiz schrieb einst: „Der weißeste Schwarze von ganz Deutschland“ – so grammatikalisch umstritten dieser Satz sein mag, so treffend ist er im Kern. Wer es nicht glaubt: Hingehen! Und wer es glaubt: Erst recht hingehen! Die Ohren werden es jedem Besucher danken.
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Ignaz Netzer im Grünen, Foto © Pressefoto