Fürths Kirchenmusiktage haben mittlerweile eine lange Tradition: Bereits zum 54. Male werden sie in diesem Jahr durchgeführt, genauer gesagt vom 11. bis 26. November. Als Motto haben sich die wie immer der Ökumene verpflichteten Kirchenmusiker und -musikerinnen für die „Reibungsfläche Reformation“ entschieden. Zu den Assoziationen, die dieser Titel auslösen kann, werden die Spannungen gezählt, die sich aus Reibungen ergeben, das Bedürfnis nach Klärung unabgeschlossener Dinge oder solche Begriffe wie Austausch, Dialog, Antwort und Veränderung. In und mit ihrem Programm stellen die Verantwortlichen die These auf, dass die Reformation nicht abgeschlossen sei, dass sie keine historische Angelegenheit sei, die man nach dem 31. Oktober 2017 wieder abhaken und vergessen könne, sondern dass sie ein Impuls, ein Ansporn, gar ein Stachel über dieses Datum hinaus sein sollte.
Vor allem sei sie keine Sache nur für die Evangelisch-Lutherischen, sondern eine Anregung für alle zum Nachdenken über Veränderungen, die wir allerorten spüren und die wir selbst mitgestalten können. Das gelte nicht nur für Gesellschaft und Politik, für Kirche, Kunst und Kultur, sondern – im Rahmen des Fürther Festivals – natürlich in ganz besonderem Maße für die Musik. Die beruhe nämlich, so die Ideengeber, auf dem „Miteinander von Konsonanz und Dissonanz, auf Spannung und Entspannung“. Und weiter: „Sie kann die produktive Kraft von Reibung besonders gut darstellen“, weil sie mit ihren vielen verschiedenen Stilen, Formaten und Besetzungen von Veränderung und Neuerung lebe.
Liest man das dichte Programm der diesjährigen Kirchenmusiktage durch, so erschließt sich auf den ersten Blick, dass deren Konzepte nicht so kopflastig sind, wie sie vielleicht prima vista erscheinen, sondern ihre konkreten musikalischen Begründungen bzw. Bezüge offenbaren. So werden in einem Konzert im Stadttheater (12.11.) die Reibungen zwischen Protestantismus und Judentum, die Mendelssohn in seinem Leben erfuhr, spürbar gemacht und auch auf die Brücken gezeigt, die der Komponist zwischen beiden Traditionen geschlagen hat.
Andere inspirierende Reibungen sind jene musikalischen zwischen Barock und Spätromantik, die sich im Vergleich von J.S. Bach und Max Reger darstellen lassen. Matthias Neumann kann das in einem Orgelkonzert in St. Paul am 17. November demonstrieren. Zwei Tage später wird sich am selben Ort ein Chorkonzert unter der Leitung von Ingeborg Schilffahrt mit der „Reibungsfläche Restauration“ beschäftigen, genauer gesagt mit Franz Schubert, der seine liebe Not mit der kirchlichen und staatlichen Obrigkeit seiner Zeit hatte. Andreas König vergleicht eine Woche später an der Orgel zu St. Heinrich das „Engelskonzert“ aus der Reformationsoper „Mathis der Maler“ von Paul Hindemith mit Lutherchoralsätzen von J.S. Bach und der Orgelmusik von katholischen französischen Komponisten.
Eröffnet werden die 54. Fürther Kirchenmusiktage zunächst mit einem Prolog in der Christkönig-Kirche und tags drauf mit einem „Live-Hörspiel“ über das bewegte Leben von Luthers Frau Katharina von Bora. Der Text stammt von Michael Herrschel, die Musik von der koreanischen Komponistin Yulim Kim, die musikalische Leitung obliegt Sirka Schwartz-Uppendieck. Letztere gestaltet auch, am Klavier spielend und leitend, das Abschlusskonzert mit, in dem es am 26. November in der Auferstehungskirche um „Musik über Aufbruch, Umsturz und Veränderung“ geht. Temperamentvolle Klavierkonzerte von Bach, Mozart und Beethoven erklingen im Wechsel mit zwei Orchesterliedern (über Katharina von Boras Flucht aus dem Kloster und ihre Hochzeit in Wittenberg), die von Dorothee Eberhardt und Lorenz Trottmann komponiert wurden.
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Gospelchor Red‘n Blu, Foto © Pressefoto