Die neue Publikation „Systemkritik!“ sammelt facettenreiche Positionen innerhalb der alten und neuen Frage der Reformfähigkeit von Kultureinrichtungen. Nicht nur das fragile Umfeld der corona-Jahre, des aktiven Krieges und des beschleunigten Klimawandels, in denen sich die Kulturbetriebe wiederfinden, auch und gerade das neue Minenfeld an Herausforderungen für Kulturorte werden mannigfaltig thematisiert. Ganz im Stile der jüngeren Debatten der kulturpolitischen Gesellschaft, die die bisherigen Legitimationsthesen zugunsten pragmatischer Erneuerungsstrategien abzulösen sucht, widmen sich Essays wie „Eine Krise der Konzepte“, „New Culture Deal“, „The Artist Is Broke“ oder „Treffen sich Digitalisierung und Gamification in einer Bar“ dem Ganzen in Teilproblemen und beleuchten zweierlei: Zum einen das enorme Potenzial, dass Kulturorten hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Relevanz immanent ist, zum anderen das große Risiko der Überfrachtung derselben mit allzu hohen Erwartungen. Natürlich stehen Kulturmanager, Intendanten und Geschäftsführer heute vor neuen Herausforderungen und selbstverständlich werden sich zukunftsfähige Kulturorte an ihrem Einsatz für gesellschaftliche Transformationsprozesse werden messen lassen, wofür die rein programmatische Ausrichtung nicht mehr hinreichend sein wird. Dass öffentlich verwurzelte Einrichtungen, das zeigten die Rettungsschirme der Pandemie, solche Erdbeben leichter überstehen als der privat ausgerichtete, für die Vielfalt so wichtige, Kulturbetrieb, wurde für viele zur schmerzlichen Realität. Neue Lasten jedoch entstehen auch und gerade für die öffentlichen Betriebe im Zuge ihres Verhältnisses zum Publikum ebenso wie ihre Beziehung zu den Geldgebern betreffend. Pauschale Antworten, das zeigt der Band, kann es nicht geben und viele neue Pfade können nur experimentell und best-practice-strategisch betreten werden. Mit den entsprechenden Schwierigkeiten. Dass die Suche nach Relevanz sich nun auf zeitgemäßen Boden verlagert hat, mit gelebter Offenheit und der Lizenz zu mancher Radikalität, ist die erfreuliche Botschaft in „Systemkritik“. Wer neue Antworten finden will, muss vor allem gute und neue Fragen stellen. Das immerhin leistet der Band in nennenswerter Weise.