Das Museum „Schlösschen im Hofgarten“ in Wertheim organisiert immer wieder Ausstellungen, die sich aus dem durch seine ihm anvertrauten Stiftungen und dem damit verbundenen Leitgedanken ergeben, nämlich die Entwicklung der Malerei hin zur klassischen Moderne aufzuzeigen. Die diesjährige Winterausstellung im Schlösschen setzt dieses Konzept fort und widmet sich den Künstlern des Expressiven Realismus, die in der nationalsozialistischen Zeit verfemt und schließlich zum großen Teil vergessen wurden.
Sie wurden vor oder kurz nach der Jahrhundertwende (1900) geboren, erhielten ihre Ausbildung vor oder nach dem Ersten Weltkrieg und waren dann in den 20er-Jahren bis 1933 tätig. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden ihre Werke zur „Entarteten Kunst“ erklärt, was zugleich mit einem Arbeits- und Ausstellungsverbot verbunden war. Nach dem Zweiten Weltkrieg war ihre künstlerische Darstellungsweise nicht mehr zeitgemäß. Man brachte ihren Realismus zu Unrecht mit der „Neudeutschen Kunst“ der Nationalsozialisten immer wieder in Verbindung, was zum Verschweigen und Vergessen ihrer Werke führte. Unter diesen Bedingungen fiel der Expressive Realismus aus der gängigen und zukünftigen Entwicklung der künstlerischen Ausdrucksweise heraus. Zudem war inzwischen die Gegenstandslose bzw. Abstrakte Malerei zum Gegenpol des Realismus aufgebaut worden. Erst in den 80er-Jahren nahm sich Rainer Zimmermann (1920-2009) mit seiner Publikation „Die Kunst der verschollenen Generation. Deutsche Malerei des expressiven Realismus von 1925-1975“ (1980) den Werken dieser Künstler an.
Die Künstler des Expressiven Realismus wurden in zahlreichen Fällen von den Nationalsozialisten an den Pranger gestellt, diffamiert und diskriminiert. Ihre Werke galten als „Entartete Kunst“. Sie waren vielfach gezwungen, in die „Innere Emigration“ oder ins Exil zu gehen oder wurden gar in einigen Fällen deportiert. Die jüdischen Maler waren vernichtenden Repressalien ausgesetzt. Insgesamt waren die Maler ins „Abseits“ gestellt worden. Sie waren verfemt. Nach 1950 gerieten sie in Vergessenheit. Dennoch überlebte der größte Teil der Künstler und sie waren bis in die 1960er- bzw. 70er-Jahre tätig.
Die Expressiven Realisten sind keineswegs eine einheitliche Künstlergruppe. Sie arbeiteten in der Art das Gesehene wiedergebend als auch in expressiv-realistischer Weise wie auch in realistisch-kubistischer Ausdrucksform. Manche versuchten sich auch dem neuen Trend nach 1950 anzupassen und malten in der Technik der informellen oder tachistischen Kunst. Als Nachfolger der ersten Expressionisten-Generation verfolgten sie mit ihrer Malerei die durch die Ausdrucksweise des Expressionismus errungenen Freiheiten in der Form- und Farbgebung und nahmen damit die neugestaltende koloristische Kultur in Anspruch. Die Farbe zeigt sich nicht nur allein als Ausdrucksmittel, sondern auch als raum- und formschaffende Gestaltungshilfe. Somit versteht sich der Expressive Realismus als Darstellung des Gesehenen unter der Neugestaltung von Form und Farbe, immer dem Wirklichen in subjektiver Weise verbunden. Die Künstler setzten ihre persönlichen Emotionen, bei der Vielfalt an verschiedenen Sujets, in formalästhetischen Innovationen ein.
Für Wertheim von höchster Bedeutung ist, dass einige dieser Künstler zur Stadt einen Bezug haben. So hatten Friedrich Ahlers-Hestermann (1883-1973) und seine Frau Wertheim in den 20er-Jahren zum Malaufenthalt gewählt, bevor diese im Dritten Reich mehr oder weniger Malverbot erhielten. Auch Bruno Müller-Linow (1909-1997) und Charles Crodel (1894-1973) verbrachten mehrere Monate auf Motivsuche in der Stadt Wertheim und ihrer Umgebung.
Diese Maler sind mit ihren Werken neben ca. 30 Künstlern in der Ausstellung vertreten. Zur Ausstellung werden Vorträge angeboten. Zusätzlich erscheint ein Begleitheft mit Biografien der ausgestellten Künstler:
Friedrich Ahlers-Hestermann, Charles Crodel, Harry Deierling, Otto Dix, Conrad Felixmüller, Franz Frank, Willelm Grimm, Carl Gunschmann, Franz Heckendorf, Willi Hofferbert, Paul Kleinschmidt, Wilhelm Kohlhoff, Käthe Kollwitz, Bruno Krauskopf, Alfred Kubin, Paul Kuhfuss, Johann Hans Less, Robert Liebknecht, Karl Friedrich Lippmann, Hans Meid, Hans Meyboden, Ludwig Meidner, Bruno Müller-Linow, Max Oppenheimer, Max Pfeiffer Watenphul, Alexander Posch, Emil Pottner, Alexandra Povorina-Hestermann, Wilhelm Schnarrenberger, Otto Wachsmuth, Alfred Wais, A. Paul Weber, Leo von Welden.
Information:
Am Ortseingang von Wertheim gelegen und von einem englischen Landschaftspark umgeben, beherbergt das Museum der Stiftung „Schlösschen im Hofgarten“, drei private Kunstsammlungen sowie Sonderausstellungen.
Winter-Öffnungszeiten 2018/19
(1. November 2018 – 22. April 2019)
Fr., Sa. 14:00 – 17:00 Uhr
So., Fei. 12:00 – 18:00 Uhr
Am 24.12 und 31.12.18 hat das Museum geschlossen.
Adresse:
Museum „Schlösschen im Hofgarten“, Würzburger Straße 30, 97877 Wertheim
Tel.: +49 (0) 93 42 / 301 511