Noch bis 25. März 2018 präsentieren die Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg im Stadtmuseum im Fembo-Haus die Sonderausstellung „Von Nürnberg nach Hellas. Carl Haller von Hallerstein zum 200. Todestag“. Sie stellt das brillante zeichnerische Werk Hallers mit seinen stimmungsvollen Skizzen und präzisen Bauaufnahmen in den Mittelpunkt, die ihn zum Begründer des archäologischen Klassizismus in Deutschland werden ließen.
Carl von Haller ist nicht so berühmt, wie er es verdient, und das hat mehrere Gründe: Da ist vor allem sein früher Tod mit nur 43 Jahren. Er hat verhindert, dass der hochbegabte Architekt den klassizistischen Stil in Deutschland noch weiter hätte prägen können. Auch hat er keine Gemälde hinterlassen, die heute in den großen Museen hängen würden – denn sein Nachlass besteht fast ausschließlich aus Zeichnungen und Aquarellen, die für eine dauerhafte museale Präsentation zu empfindlich sind. Und schließlich ist seine künstlerische Hinterlassenschaft zu einem guten Teil recht verstreut: Vieles ist in Privatbesitz, aber auch in der Bibliothèque nationale et universitaire in Straßburg oder in den großen Münchner Sammlungen. So ist manches Exponat in dieser Ausstellung noch niemals öffentlich zu sehen gewesen.
1774 auf dem Schloss des Nürnberger Pflegamts Hiltpoltstein geboren, hatte der Vater wohl an eine militärische Laufbahn gedacht, als er Carl 1789 an den Hof von Ludwig von Nassau nach Saarbrücken sandte. Das künstlerische Talent war jedoch nicht zu übersehen, sodass ihn Ludwig für eine Ausbildung als Militäringenieur nach Stuttgart auf die Hohe Karlsschule schickte. Carl entsprach diesen Erwartungen durchaus, aber der Tod des Fürsten und die Schließung der Hochschule 1794 zwangen ihn zur Rückkehr nach Nürnberg. Ein kurzes Zwischenspiel im nassauischen Miniatur-Hofstaat auf der Cadolzburg war mit dem Tod des Prinzen Heinrich beendet, sodass sich Carl von Haller 1798 auf eigene Faust nach Berlin wandte. Durch ein breit angelegtes Studium der Baukunst unter Einschluss der Innenarchitektur wurde dort die Grundlage für seine späteren außerordentlichen Leistungen gelegt.
Seine Berufung nach Nürnberg 1806 brachte zwar kaum die erhoffte praktische Bewährung, da die Einverleibung der Reichsstadt in das Königreich Bayern die öffentliche Bautätigkeit beinahe zum Stillstand gebracht hatte. Aber mit den Kolonnaden auf dem Hauptmarkt und dem Bestelmeierhaus konnte Haller immerhin zwei bemerkenswerte Akzente setzen. Erst seine Reisen in den Süden führten ihn zur vorzeitigen Vollendung – von der antikisierenden Kunst des Klassizismus zur Klassischen Archäologie war es dann nicht mehr weit.
Italien 1808 bis 1810
Wie viele Maler, Bildhauer und Baumeister seiner Zeit, unternahm auch Haller eine Italienreise, um die Antike zu studieren, die römische und – wenn möglich – auch die griechische; zumindest die Tempel von Paestum bei Neapel standen auf seinem Programm. Und natürlich auch Rom.
Sein Aufenthalt in Italien ist durch viele Zeichnungen dokumentiert. Eine repräsentative Auswahl wird in der Nürnberger Ausstellung erstmals gezeigt. Hinzu kommen Briefe und Tagebücher, die noch einer gründlichen Auswertung bedürfen. Als Carl von Haller dann im Juni 1810 die ewige Stadt wieder verließ, reiste er nicht etwa nach Hause, sondern in die entgegengesetzte Richtung – nach Griechenland.
Griechenland 1810 bis 1817
Dort war nun eine umfassende wissenschaftliche Erforschung des Landes das Ziel. Haller sollte dabei die Untersuchung der antiken Bauten übernehmen und durch genaue Vermessungen die bis dahin vorliegenden Veröffentlichungen überprüfen beziehungsweise ergänzen. Damit begann er bereits auf dem Weg nach Athen, wo er dann in dem jungen englischen Architekten Charles Robert Cockerell auf einen kongenialen Partner traf.
Der unerwartete Skulpturenfund bei der Aufnahme des Aphaiatempels auf Ägina im April 1811 gab dem Unternehmen eine ganz neue Richtung, denn nun wurden Haller und seine Freunde zu Ausgräbern – und im Gegensatz zu ihren Vorgängern blieben sie ihrem wissenschaftlichen Ansatz treu. Das galt auch für die anschließende Untersuchung des Tempels von Bassae, die ebenfalls herausragende Funde ans Licht brachte. Die vor Ort entwickelten Methoden bewährten sich bei weiteren archäologischen Grabungen auf Ithaka und Melos. Wichtig wurden diese Arbeiten vor allem für die spätere Ausführung zweier Hauptwerke des deutschen Klassizismus: die Glyptothek in München und die Walhalla bei Regensburg, für deren Formensprache der antikenbegeisterte bayerische König Ludwig I. immer wieder Hallers griechische Bauaufnahmen heranziehen ließ.
Nach einem vierjährigen Intermezzo als Architekt, war seine letzte Beschäftigung dann wieder der Archäologie gewidmet: Ohne Rücksicht auf sein Fieber – Haller hatte sich wohl schon 1815 eine Malaria zugezogen, aber niemals auskuriert – legte er einen Grabhügel frei. Abends bekam er dann hohes Fieber und ließ sich am 5. November 1817 nach Ambelakia bringen. Dort starb Carl Haller von Hallerstein noch am selben Abend. Er wurde neben der Außenmauer einer Kirche bestattet, doch sein Grab ist heute verschollen.
Ganz vergessen war Carl von Haller, der Freund Griechenlands, dennoch nie: Im Oktober 2001 besuchte eine Delegation der Deutsch-Griechischen Gesellschaft Mittelfranken Ambelakia und gedachte eines großen Nürnbergers an seinem Sterbeort. Seit dem 31. Oktober 2010 erinnert eine Tafel im Heimatmuseum von Ambelakia an Carl Haller von Hallerstein als einen der ersten deutschen Archäologen in Griechenland. Und nun auch die Ausstellung im Nürnberger Fembo-Haus.
Fotocredits:
Carl von Haller, Melos: Rekonstruktion der antiken Stadt mit Theater und Akropolis. Aquarell. Von Hallersche Familienstiftung, Großgründlach
Carl von Haller, Apollontempel von Bassae: Rekonstruktion der Nordfront, um 1811/12. Federzeichnung, laviert. Süddeutscher Privatbesitz
Carl von Haller, Selbstbildnis aus dem italienischen Skizzenbuch, 1808. Bleistiftzeichnung. Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Inventar-Nr. St.N. 22, Bl. 7, (Dauerleihgabe der Stadt Nürnberg im Germanischen Nationalmuseum)