Seit Anfang Oktober ist es offiziell: In die bauliche Sicherung der Zeppelintribüne und des Zeppelinfeldes auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg fließen nach abgeschlossener Kostenschätzung 73 Millionen Euro, die sich auf insgesamt 12 Jahre Bauzeit verteilen werden. Zur Schadens- und damit einhergehenden Kostenermittlung wurden zuvor Bauausführungen an ausgewählten Musterflächen auf dem Gelände vorgenommen.
Angesichts der Höhe der endgültig ermittelten Kosten werden erneute Diskussionen um die Erhaltungsmaßnahmen wohl nicht ausbleiben. Der Umgang mit dem nationalsozialistischen Erbe in Nürnberg wurde seit den 1970er Jahren immer wieder diskutiert, zuletzt nach der Offenlegung des 2014 vorgelegten Instandsetzungsberichtes, dem seit 2009 umfangreiche Voruntersuchungen vorangegangen waren. Norbert Frei, Geschichtsprofessor in Jena, regte im Zuge der Untersuchungen eine erneute öffentliche Debatte an, in der er der Stadt Nürnberg eine gezielte Vermarktung der NS-Vergangenheit vorwarf. „Florierender Erinnerungstourismus“ und „Erhaltungsfetischismus“ sind nur zwei Schlagworte, die in diesem Zusammenhang fielen. Im Zuge der öffentlichen Debatte wurde von einer kompletten Rekonstruktion des „Urzustandes“ bis zum völligen Abbruch so ziemlich jedes Szenario durchgespielt. Freis Vorschlag, die Zeppelintribüne hinter einer Glaswand verfallen zu lassen, um dabei zuzusehen, wie sich Hitlers Idee von der für die Ewigkeit erbaute Architektur als unwahr entpuppt, erscheint ebenso kreativ wie fragwürdig. Denkmale bewusst verfallen zu lassen und ihnen damit einen ebenfalls ideologisierten Stempel aufzudrücken, widerstrebt nicht nur der gängigen Denkmalpraxis, sondern führt den Gedanken, der hinter dem Begriff „Denkmalpflege“ steht, geradewegs ad absurdum. Denn die Frage, ob ein Erhalt sinnvoll ist oder nicht, stellt sich schon seit der Unterschutzstellung der übriggebliebenen, allesamt für denkmalschutzwürdig erklärten Bauwerke auf dem Reichsparteitagsgelände im Jahr 1973 nicht mehr. Im Gegenteil: Die Stadt Nürnberg ist seitdem dazu verpflichtet, die Bausubstanz der auf dem Gelände befindlichen Gebäude vor dem Verfall zu schützen und in Absprache mit der Denkmalschutzbehörde zu erhalten. Dementsprechend handelt es sich hierbei also nicht nur um einen kleinen Randvermerk.
Der im Oktober 2016 beschlossene Maßnahmenplan sieht dazu nun umfangreiche Instandsetzungsarbeiten der dem Ziegelmauerwerk vorgeblendeten Platten aus Muschelkalk vor, die mit 20 Millionen Euro bemessen werden. Die 1937 verbauten Jurakalk-Werksteine weisen aufgrund ihrer unzureichenden Ablagerung nach deren Abbau in den Steinbrüchen eine schlechte Frostbeständigkeit auf, was sich bereits wenige Jahre später anhand von Rissbildungen zeigte. Entgegen der Prognosen könne an der Fassade jedoch der größte Teil der Originalplatten erhalten werden. Nur etwa 25 Prozent seien vom Austausch betroffen. Auch die Stufen der Zeppelintribüne könnten an Ort und Stelle verbleiben, es gelte jedoch, die Fugen abzudichten. Im Innern der Tribüne und der Türme werden nach Verlautbarung der Stadt nur notwendige statische Sicherungen durchgeführt. Da die eindringende Feuchtigkeit von oben schon immer ein Problem darstelle, würden nun Abdichtungen gegen Regenwasser vorgenommen. Zudem soll eine kontrollierte Be- und Entlüftung die durchfeuchtete Konstruktion abtrocknen. Bislang für die Öffentlichkeit unbegehbare Teile des Feldes sowie einzelne Punkte der Wallanlage sollen wieder für alle begehbar werden, die Weiternutzung des Zeppelinfeldes durch Sportvereine bestehen bleiben. Lediglich der Flachbau in der Mittelachse des Feldes soll entfernt, die Umkleidekabinen in einige Türme der Wallanlage verlagert werden. In Einbindung des aktuellen Nutzungskonzeptes des Kulturreferats der Stadt, ist laut Beschluss für den dreihundert Quadratmeter großen „Goldenen Saal“, der sich unter der Mitteltribüne befindet, eine ganzjährige Temperierung vorgesehen, um die Räume auch in den Wintermonaten begehbar zu machen. Hier soll unter der Federführung des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände ein Ort der Information entstehen, der, insbesondere junge Menschen betreffend, neue museumspädagogische Ansätze verfolgen und einen Beitrag zur Entmystifizierung des Geländes leisten werde.
Die zentrale Rolle, die dem Reichparteitagsgelände in der Geschichte des Dritten Reiches zukommt, ist kaum von der Hand zu weisen. Deshalb und aufgrund der Verantwortung gegenüber jüngeren Generationen, für die die NS-Zeit inzwischen weit entfernt ist, scheint ein Erinnern unabdingbar – damit die Geschehnisse dieser Zeit auch in weiter Ferne bleiben. „Der Erhalt der Bauwerke im heutigen Zustand ist kein Selbstzweck, sondern Voraussetzung für eine zukunftsgerichtete Erinnerungsarbeit. Das Vermittlungskonzept des Kulturreferats setzt auf Information, aktuelle Vermittlungsformen und größtmögliche Zugänglichkeit“, erklärt Prof. Julia Lehner, Kulturreferentin der Stadt Nürnberg. Bücher, Fotos oder Filme seien für die unmittelbare Auseinandersetzung und Aufklärung über die Propagandaarchitektur nicht ausreichend. Und das würde wohl nicht nur (fast) jeder Denkmalpfleger so unterschreiben, sondern auch der Bund, der sich im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung zusammen mit dem Freistaat Bayern zu einer gemeinsamen Erhaltung des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes bekennt.
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Panorama, Zeppelinfeld, Nürnberg, Tribüne (ehemaliges Reichsparteitagsgelände), Foto © GuidoR
Nürnberg, Parteitagsgelände, Ehrentribüne, Foto © Bundesarchiv, Bild 146-2008-0028