Es ist kaum zu glauben: Bonnie Tyler, eine der markigsten Rockröhren der Musikgeschichte, feiert in diesem Jahr bereits ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum. Und das auch in der hiesigen Gegend. Am 29. April gastiert die gebürtige Waliserin in der Nürnberger Meistersingerhalle, am 2. Mai gibt sie sich im Suhler Congress Centrum die Ehre.
Was war das für eine Überraschung, als vor knapp über zwei Jahren die Nachricht über den Äther tickerte, wonach Bonnie Tyler wieder auf Hallentournee durch Deutschland geht. Seither hat sich viel getan. Das Comeback der – mit allem Respekt – großen, alten Dame des Rockzirkus, gelang nach 15 Jahren der fast beharrlichen Bühnenabstinenz vorzüglich. Ihre treue Fanbasis in „good old Germany“ hielt der 67-jährigen mit der charismatischen Reibeisenstimme die Stange. Und Tyler dankte es ihren Anhängern mit markigen Auftritten. Und jetzt auch noch mit einem neuen, ihrem insgesamt 17., Studioalbum. „Between The Earth and the Stars“, ihr erster Longplayer nach sechsjähriger Pause im Studio, erschien vor wenigen Wochen und macht (einmal mehr) Lust auf mehr. Für ihr neuestes Werk hat sich Tyler einige Granden des Geschäfts ins Boot geholt, um gemeinsame Sache zu machen. Kooperationen mit Status Quo-Frontmann Francis Rossi („Someone‘s Rockin‘ Your Heart“), dem großen Rod Stewart („Battle of the Sexes“) und Duett-König Cliff Richards (das von Barry Gibb komponierte „Seven Waves away“) machen einen guten Teil des neuen Tylerschen Stoffs aus. „Ich wusste als Performerin, dass ich etwas ganz Besonderes abliefern musste“, so die Sängerin tiefenentspannt, „genau das habe ich getan. Die neuen Songs klingen unglaublich.“ Man darf gespannt sein, was von der neuen Scheibe den Weg auf die Bühnen der Republik schafft. Eines ist klar: Unzählige Klassiker der Rockgeschichte werden das tun. Wieder und wieder. Seit unzähligen Jahren schon.
Mit Hits wie Holding Out For A Hero, Total Eclipse Of The Heart, Lost in France, It‘s a heartache und I Need A Hero hat sich Bonnie Tyler im Rockgeschäft längst unsterblich gemacht. Keine Schulabschlussfeier, auf der nicht (mindestens) einer ihrer absoluten Klassiker von unzähligen nüchternen wie angetrunkenen Jungspunden lauthals mitgegrölt wird. Eines hat die Sängerin diesen mit ziemlicher Gewissheit voraus: Die weitaus großartigere Stimme. Was die wenigsten wissen dürften: Ihre Reibeisenstimme – und damit letztlich auch ihre unzähligen großen Hits – verdankt die Menschheit nur dem Ungehorsam der Sängerin. Nach einer Stimmlippenoperation hielt sie sich nicht an die Vorgaben des behandelnden Arztes, länger zu schweigen. Heraus kam das, was die Musikfreunde seither verzückt: Eine scheinbar whiskey- und zigarettengeschwängerte Tonlage mit einem grandiosen Sexappeal. Zu dem Zeitpunkt der folgenschweren Operation tourte die nahe Swansea groß gewordene Sängerin schon einige Jahre mehr oder minder erfolglos in ihrer Heimat, ehe Mitte der 70er-Jahre der große Durchbruch gelang. Erst mit einer Namensänderung, ihren Geburtsnamen Gaynor Hopkins legte sie ab, nannte sich fortan Sherene Davis und erst später auf leise Nachfrage der Plattenfirma kam die Umfirmierung zu Bonnie Tyler, übrigens in Anlehnung an Aerosmith-Frontmann Steven Tyler. Und mit „It‘s a heartache“ folgte der kometenartige Durchbruch. Sechs Millionen Mal verkaufte sich die Single in Europa und auch in Amerika. Ein neuer Star war geboren. Einer, dessen Stern nie wirklich unterging. Dank einiger Megahits war die früher für ihre Dauerwelle und die knallengen Lederhosen bekannte Sängerin immer präsent. Auch wenn ihre Karriere in einem Zwischentief steckte: Man konnte sich sicher sein, dass das nächste Hoch folgen würde.
Die Rockdiva mit den wenigen Starallüren dankte ihr das Publikum regelmäßig. Auch jetzt wieder. Die Rückkehr auf die Bühnen der Welt vor drei Jahren verlief mitunter sogar grandios gut. Und heute, fünfzig Jahre nach dem erstmaligen Erklimmen der Bretter, die die Welt bedeuten, ist die Ehrenabsolventin der Swansea University nicht minder müde. „Ich mache solange weiter, bis ich auf der Bühne sterbe“, lacht sie, „anders kann ich gar nicht.“ Die Anhänger hören es gerne. Sie dürfen sich weiterhin an der aus einer Bergbauer-Familie stammenden Sängerin erfreuen. Eine, die sich ihrer Wurzeln trotz aller Grammy- und BritAwards Nominierungen und sonstiger verliehener Preise absolut bewusst ist. Und die den Kontakt zur Basis in schöner Regelmäßigkeit pflegt. Über 100 Millionen verkauften Tonträgern zum Trotz. Oder eben gerade deswegen. Bonnie Tyler weiß um den Status ihrer Fans. Die sie in diesem Jahr mit einem Quartett im Hintergrund auf einer bestuhlten Tour verzückt. Da ist sie dann doch. Die Kleinigkeit, die vom fortschreitenden Alter, auch der Zuhörer, zeugt. Aber keine Sorge. Am Ende wird stehenderweise vor der Bühne gerockt. Mit Sicherheit sogar. Das ist die Tyler den Leuten schuldig. Und sie genießt es. Auch nach 50 Jahren noch.
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Bonnie Tyler auf der Bühne, Foto © Andreas Bär
Bonnie Tyler, Foto © Matt Davis Management