Mediatisierung und Digitalisierung sind Schlagworte, deren Wichtigkeit gerade in den letzten Monaten immer wieder deutlich herausgestellt wurde. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Ausstellung zum Thema Papier eher ungewöhnlich. Dass Digitalisierung und Papier durchaus miteinander zu tun haben, zeigen etwa alte Lochkarten, als Startschuss für Rechenmaschinen.
Sei es als Instrument der Bürokratie, als Informationsträger (Urkunde, Zeitung), oder aufgrund seiner materialen Qualität (Backpapier, Hygienepapier) – Papier spielt als Medium und Material nach wie vor eine zentrale Rolle in unserem Alltag. Doch Papier kann viel mehr! Das bezeugt schon seine eigene machtvolle Kulturgeschichte und Materialästhetik. Für viele Künstler seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist es autonomes Werkmaterial und eine wesentliche und primäre Substanz in ihrem Schaffensprozess. Die Ausstellung PAPIER richtet den Focus auf dieses Medium als Rohstoff und Träger des künstlerischen Ausdrucks. Es geht um Arbeiten aus Papier nicht auf Papier. Papier wird autonom und löst sich von seiner Rolle als Trägermaterial. Es wird zu einem unabhängigen künstlerischen Medium, das sich in allen Formen der zweiten und dritten Dimension gestalten lässt. Die eigene Materialität beinhaltet eine schier grenzenlose Vielfalt von physischen Bearbeitungstechniken, die die gewohnte Flächigkeit in körperliche Präsenz transformieren: schöpfen, falten, abformen, schneiden, zerstören, zerknüllen, prägen u.a. Traditionelle Begriffe wie Bild, Relief, Skulptur greifen bei den Resultaten kaum mehr. Diese mannigfaltigen Möglichkeiten der Gestaltung demonstriert die Ausstellung anhand herausragender Werke, die direkt spezifische Intentionen und Strategien reflektieren. Die präsentierten Kunstwerke sind trotz der Unterschiedlichkeit ihres Kontextes durch die Materialkonnotationen des Papiers verbunden. Bis heute bleibt aktuell, warum und aus welchen formalen wie inhaltlichen Gru¨nden sich Ku¨nstlerInnen fu¨r das traditionsreiche Papier als skulpturales ku¨nstlerisches Material entscheiden.
PAPIER ist eine kuratierte Ausstellung sowie ein parallel dazu entwickeltes Interaktions- und Vermittlungsprogramm. Es gibt workshopartige, da handlungsorientierte Units, die in Reaktion auf einzelne Werke vor Ort und digital entstehen. Deren Ergebnisse werden wiederum Teil der Ausstellung. In Zusammenarbeit mit der Universität Bamberg sind Studierende der Kunstpädagogik in das Projekt einbezogen. Folgende KünstlerInnen beteiligen sich durch eine performative Vermittlungsarbeit: Klara Hobza, Johannes Volkmann, Franz Tröger, Stefan Roszak, Rolf Bernhard Essig.
„PAPIER“ – Jahresausstellung des Kunstverein Bamberg mit Arbeiten von Lore Bert, Lucio Fontana, Dorthe Goeden, Klara Hobza, Mohammed Kazem, Via Lewandowsky, Aja von Loeper, Ulrike Möschel, Simon Schubert, Herbert Stattler, Günter Uecker, Andreas von Weizsäcker.
24. April bis 27. Juni 2021 in der Stadtgalerie Villa Dessauer,
Hainstr. 4, 96047 Bamberg.
Öffnungszeiten: Do-So 12-18 Uhr