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In Erlangen steht die Kultur unter Strom

E-Werk Erlangen als Muster für teilprivatisierte Kulturhoheit

veröffentlicht am 23.06.2014 | Lesezeit: ca. 6 Min.

Was tun Kommunen in Zeiten knapper Kassen? Sie verzichten relativ schnell auf sogenannte „freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben“. Darunter versteht man Leistungen, zu denen die Gemeinden rechtlich nicht verpflichtet sind. Hierzu zählen neben Kosten für Märkte, Messen, Krankenhäuser und Suchtberatung auch der Bereich Kultur. Wenn nun eine Gemeinde in wirtschaftlich schwierigen Zeiten diesen Themenkomplex finanziell nicht mehr stemmen kann oder will, dann springt im besten Falle einmal mehr die Privatwirtschaft in die Bresche.

So oder so ähnlich könnte es gewesen sein, als 1982 zwei Jugendclubs aus Lärmschutzgründen ihre bisherigen Standorte verlassen und in das stillgelegte Elektrizitäswerk an der Erlanger Fuchsenwiese umziehen mussten.

Und nun ist das E-Werk seit über 30 Jahren ein kultureller Dreh- und Angelpunkt in der Region, in dem jährlich ca. 600 Veranstaltungen stattfinden.

Über 250.000 Menschen pilgern zu den Events, die von Berndt Urban und seinem Team erfolgreich auf die Beine gestellt werden. Und mit Erfolg ist natürlich auch der wirtschaftliche Erfolg gemeint, denn über 85 %
der Kosten, die das E-Werk verursacht, wird durch die Einnahmen aus den verschiedenen Tätigkeitsfeldern gedeckt. Hierzu gehören neben den Live-Acts natürlich auch der Ticket-Shop, das Kino und ein Plakatierservice für das Stadtgebiet Erlangen.

Trotzdem reichen die Einnahmen nicht ganz, um alle Ausgaben zu decken. Bis zum letzten Jahr steuerte die Stadt Erlangen jährlich 373.000 Euro zum Gesamtetat des E-Werk bei. Allerdings gab es einige Entwicklungen, die eine Erhöhung dieser Förderung mehr oder weniger unausweichlich machten, die dann auch 2013 beantragt und, nach einem heftigen Rauschen im Blätterwald, zumindest in großen Teilen genehmigt wurde. Wer nun glaubt, dass Geschäftsführer Berndt Urban einfach eine Zahl aufgeschrieben und eine entsprechende Zuschusserhöhung gefordert hätte, der irrt. Der Kulturmanager konnte natürlich ausnahmslos die benötigte Steigerung begründen und führte u. a. drei Hauptursachen für seinen Antrag an.

Bis zum Ende der 90er Jahre wurden die Mitarbeiter des Kulturzentrums nach dem Tarifrecht des öffentlichen Dienstes entlohnt. Seit dem Ausstieg aus dem Tarifvertrag sank das Lohnniveau stetig, derzeit liegt es gerade noch bei ca. 80 % des ursprünglichen Levels. Ein Umstand der es nicht nur sehr schwierig gestaltet qualifiziertes Personal zu halten, auch neue Mitarbeiter mit guten Ausbildungen zu gewinnen ist mehr als problematisch. Alleine die Erhaltung des Status Quo, also eine Verhinderung der weiteren Absenkung führte zu einem Zuschussmehrbedarf von jährlich 110.000 €.
Um es noch einmal zu betonen, damit kann lediglich der derzeitige Stand gehalten werden. Reale Anhebungen auf ehemaliges Niveau sind damit nicht zu finanzieren. Und volle Sonderzahlungen wie sie im öffentlichen Dienst üblich sind, gibt es ohnehin nicht (mehr).

Eine weitere Baustelle, und diesmal im wahrsten Sinne des Wortes, sei der Gebäudeunterhalt, so Berndt Urban. Nachdem man 2009 die Sanierung nach fünf von eigentlich sechs nötigen Bauabschnitten abgebrochen hatte, sieht man sich weiterhin dringend durchzuführender Baumaßnahmen gegenüber. In der Kellerbühne und im Kino müsste an der Lüftungsanlage gearbeitet werden, die Saaltoiletten könnten eine Aufhübschung vertragen, zum Transport notwendiger Konzert-utensilien müsste der Aufzug erneuert und dabei vergrößert werden und im Hygienebereich stehen dringende Maßnahmen an. Dazu kommt noch, dass allein jährlich 25.000 Euro für Wartungsverträge anfallen, die für die technisch anspruchsvollere Ausstattung abgeschlossen werden mussten.

Und als ob das alles nicht schon genug wäre, spukte 2013 auch noch das Gema-Tarif-Reform-Gespenst durch die Lande, für Kulturbetriebe wie das E-Werk ein kaum zu schulternder Brocken. Allein dieser Posten hätte, wenn er denn im ursprünglich angedachten Umfang umgesetzt worden wäre, 55.000 Euro jährlich an Mehrkosten für den Etat bedeutet.

In seinem Kampf um höhere Zuschüsse und damit den Fortbestand des E-Werkes hatte Berndt Urban alle Argumente auf den Tisch gelegt, und davon gab es einige. Er betonte noch einmal die herausragende Bedeutung für die Kulturszene und insbesondere auch die Jugendarbeit in Erlangen und machte auch klar, dass das Kulturzentrum eines der größten und besucherstärksten seiner Art in Deutschland ist. Der Geschäftsführer muss überzeugend gewesen sein, schließlich bewilligte der Stadtrat eine Erhöhung des Zuschusses auf jährlich 591.200 € und sicherte damit zunächst einmal den Bestand der Kultureinrichtung. Sicherlich kein Schnäppchen, aber im Vergleich zu einer ähnlich gelagerten Einrichtung, die unter kommunaler Egide betrieben würde, immer noch ein Sonderangebot. Schließlich trägt die Betreiber GmbH das gesamte wirtschaftliche und arbeitsrechtliche Risiko, ein Umstand, den man in der Kommunalverwaltung sicherlich zu würdigen weiß. Und ganz ehrlich, was wäre Erlangen schon ohne das E-Werk? Wir glauben an die Zukunft und das Team des E-Werks sicher auch. Pläne gibt es reichlich, sei es ein dem E-Werk angegliederter, „offizieller“ Jugendtreff mit entsprechender Betreuung oder die vor kurzem öffentlich gewordenen „Open-Air-Expansionspläne“ in Richtung Camping-Platz an der Wöhrmühle. Beides tolle Ansätze, die das Gesamtkonzept E-Werk sicherlich noch ein wenig runder machen würden.

Copyright Fotos: © 2mcon märthesheimer consulting

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