Es gibt viele Gründe nach Wien zu fahren, nicht zuletzt der, weil dort die Lebensqualität am höchsten ist. Zumindest wenn man dem Ranking der internationalen Beratungsagentur Mercer glauben darf, die die österreichische Hauptstadt von 2009 bis 2019 (2020 und 2021 wurde aufgrund der Corona-Pandemie auf das Ranking verzichtet) durchgehend auf dem Spitzenplatz führte. Teil dieses „Lebenswert-Gefühls“ ist sicherlich auch das kulturelle Angebot, das die Stadt an der Donau ihren Bewohnern und Gästen das ganze Jahr über zur Verfügung stellt. Grund genug für uns auch in diesem Frühjahr einmal selbst nachzuschauen, ob sich ein Trip in die Mozartstadt lohnt.
Apropos Mozartstadt… über die vielen Angebote an Mozartkonzerten wollen wir an dieser Stelle nicht schreiben, zu groß scheint uns die Gefahr, dass man da eher Durchschnittsware präsentiert bekommt. Gefühlt scheint sich das Angebot seit unserem letzten Besuch noch verbreitert zu haben, was die Auswahl sicher nicht leichter macht. Einfacher hat es der Besucher da schon mit anderen Kunstsparten, wie beispielsweise der bildenden Kunst. Albertina, Albertina Modern, Belvedere, Secession, Kunstforum Wien, das Angebot an hochwertig(st)en Ausstellung nimmt einfach kein Ende.
Noch bis zum 19. Juni präsentiert die Albertina mit „Edvard Munch. Im Dialog“ ihre große Frühjahrsausstellung 2022. Über 60 Werke des norwegischen Künstlers lassen nicht nur einen wirklichen Blick auf das beeindruckende Werk Munchs zu, wie relevant sein Schaffen für die Kunst der Gegenwart war und ist, beweist die Gegenüberstellung der Werke Munchs mit denen von Miriam Cahn, Georg Baselitz, Tracey Emin, Andy Warhol, Jasper Johns, Marlene Dumas und Peter Doig.
Warhol beispielsweise adaptiere Munchs „Schrei“, „Madonna“ und „Selbstbildnis mit Knochenarm“ und transformierte sie in die für ihn typischen Pop-Art-Variationen. Die Darstellung der kolonial-rassistischen Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung Afrikas von Marlene Dumas wiederum hat nicht zuletzt ihren Ursprung im „Der Lebensfries-Zyklus“ Edvard Munchs, in dem er sich mit der Bedrohung des Mannes durch die Frau auseinandergesetzt hat.
Parallel läuft in der Albertina modern die Ausstellung „Ai Weiwei – IN SEARCH OF HUMANITY“ noch bis zum 4. September dieses Jahres. Der als Menschenrechtsaktivist berühmt gewordene Ai Weiwei zählt zu Recht zu den einflussreichsten Künstlern unserer Zeit. Die Albertina modern zeigt seine bislang umfangreichste Retrospektive und gibt damit Einblick in alle Schaffensphasen, die mittlerweile immerhin mehr als 40 Jahre umfassen. Deutlich werden in dieser Ausstellung vor allem seine ästhetischen Gestaltungsprinzipien, die die Kunst Ai Weiweis so einzigartig machen.
Einen Blick in die Sammlung der Londoner Tate Gallery kann man werfen, wenn man noch bis zum 19. Juni das Kunstforum Wien besucht. Zumindest wenn man dem Ausstellungstitel „David Hockney: Insights (Reflecting the Tate Collection) glauben schenken will.
Der 1937 im englischen Bradford geborene Hockney steht erstmals in Österreich im Mittelpunkt einer umfassenden Werkschau. Rund 125 Leihgaben aus 24 internationalen Museen und privaten Sammlungen haben die drei Kuratorinnen zusammengetragen und ermöglichen damit einen Einblick in 70 Jahre künstlerischen Schaffens. Dabei ist das Œuvre Hockneys sehr vielschichtig und durchlief mehrere Werkperioden. Sein Wechsel zwischen realistischer und stilisierender Darstellung geschah ebenso häufig wie der Wechsel in der Wahl seiner Motive.
Wer es gerne bewegter mag, der könnte bei „Klimt – The immersive Experience“ eventuell auf seine Kosten kommen. Dieses „völlig neu konzipierte Multimedia-Spektakel“ (eigene Beschreibung der Veranstalter) vergrößert und animiert mit Hilfe von aufwendigen Lichtinstallationen und Projektoren die Werke Gustav Klimts. Das Ganze findet in einem künstlich geschaffenen, schwarzen Raum in der Wiener Marx Halle statt und hat bereits weltweit über 350.000 Besucher begeistert. Unsere Meinung? Um animierte Kunstwerke in einem wirklich atemberaubenden Ambiente zu erleben, gibt es derzeit keinen besseren Platz als das Kunstkraftwerk in Leipzig. Dort hat man das Gefühl mitten in den jeweiligen Kunstwerken zu stehen. Die Klimt Experience in Wien schafft dies leider nur sehr begrenzt.
Und falls Sie nun den Eindruck haben, wir hätten nur Ausstellungen und Museen besucht, weit gefehlt. Hier noch zwei heiße Tipps für die gelungene Abendgestaltung. Am Burgtheater läuft derzeit unter anderen noch das Stück „Die Ärztin“ mit Sophie von Kessel in der Hauptrolle. Eine Geschichte in deren Mittelpunkt Professorin Ruth Wolff steht, die Leiterin einer auf die Bekämpfung von Alzheimer spezialisierten Klinik ist. Sie verweigert einem katholischen Priester den Zugang zu einem sterbenden Mädchen und verliert anschließend, im Laufe einer nicht enden wollenden, medialen Hetzjagd, nahezu alles: Beruf, Reputation und auch ihr privates Glück. Diese Rolle scheint Sophie von Kessel förmlich auf den Leib geschrieben zu sein. Mit einer unglaublichen Intensität spielt sie das sicherlich nicht schlechte, restliche Ensemble an die Wand.
Abschließend noch ein unbedingtes „Muss“ des Wiener Nachtlebens, das JAZZLAND. Bewacht von einer Tür, durch die auf den ersten Blick schon seit Jahrzehnten kein Gast mehr durchgegangen ist, landet man in einem 500 Jahre alten Keller der seit 1972, also seit 50 Jahren, Wiens beste Adresse für Jazz vom Feinsten ist. Kein Tag im Monat (mit Ausnahme des Sonntags), an dem die Bühne nicht bespielt wird. Sowohl nationale als auch internationale Jazzgrößen geben sich hier am Franz-Josefs-Kai die Klinke in die Hand und begeistern ihr Publikum täglich aufs Neue. Das jeweils aktuelle Programm findet man online unter www.jazzland.at.