Wir haben ja schon einige Male aus Leipzig und den verschiedensten Kulturinstitutionen berichtet. Vom Museum der bildenden Künste, vom Grassi Museum, aus der Spinnerei, der Oper und so weiter. Jedes Mal war das Kunstkraftwerk Leipzig auch Bestandteil unserer Berichterstattung, waren wir doch begeistert von der kulturellen Initiative, die das ehemalige Gelände der Großen Leipziger Straßenbahn zu einem Ausstellungs- und Kulturzentrum weiterentwickelt hatte. Insbesondere die großen, multimedialen Ausstellungen, die das Kunstkraftwerk zu Deutschlands größtem digitalen Videoprojektionsraum für immersive Kunst machten, zogen die Besucher in ihren Bann. 3.400 Quadratmeter Projektionsfläche, aufgeteilt auf zwei Hallen mit bis zu 8 Meter hohen Projektionswänden ermöglichten ein wirklich intensives Kunsterlebnis. „Giganten der Renaissance“, „Hundertwasser Experience“ oder auch die „Van Gogh Experience“ erweckten die Kunstwerke der jeweiligen Künstler beziehungsweise Epoche wie von Zauberhand zum Leben, so dass der Betrachter sich teilweise inmitten der jeweils gezeigten Bilder aufzuhalten schien. Einzigartig und impulsgebend, sicherlich ein erster Meilenstein bei der Darstellung digitaler Kunst. Eine Erfolgsgeschichte, die man unbedingt fortsetzen sollte. Dachten wir uns und deshalb war unsere Erwartungshaltung wohl auch entsprechend hoch, als wir anlässlich der Wagner-Festspiele einmal mehr die sächsische Großstadt besuchten. Der Sonntag war für das Kunstkraftwerk reserviert, insbesondere für Tübke Monumental, ein vom Kunstkraftwerk initiiertes und veranstaltetes Projekt, bei dem der Besucher „einen völlig neuen Zugang zu einem der bedeutendsten Kunstwerke der figürlichen Malerei des 20. Jahrhunderts, dem Panoramabild “Frühbürgerliche Revolution in Deutschland” von Werner Tübke (1929–2004)“, erhalten soll. Das Original, das im Panorama Museum in Bad Frankenhausen beheimatet ist, lässt mit einer Größe von 14 m x 123 m, das sind immerhin 1.722 Quadratmeter, schon einiges erwarten. Und geradezu ideal für dieses Projekt erscheinen die beiden bereits oben genannten Hallen, die schon vorher Schauplatz ähnlicher Veranstaltungen waren. Leider war dem aber nicht so.
Aufgrund der gleichzeitig im Kunstkraftwerk laufenden, maximalkommerziellen Ausstellung „Mystery of Banksy“, die quer durch das Gebäude führte und dabei eine Reihe an „vom Künstler nicht autorisierter Werke“ präsentierte, wird „Tübke Monumental“ zwar in der Maschinenhalle, aber nur an drei Tagen und nur ab 13 Uhr gezeigt. Wenn man wie wir Zeitfenstertickets für 11 Uhr bucht und durch die „Banksy-Fake-Ausstellung“ durch ist, dann bleiben einem noch gut und gerne 1,5 Stunden Wartezeit auf „Tübke Monumental“. Ist es nicht schon frech genug, dass die Veranstalter der angeblichen Banksy-Ausstellung die selbstgewählte Anonymität des britischen Graffiti-Künstlers als Rechtfertigung dafür heranziehen, dass sie überall ungefragt Fälschungen seiner Werke zeigen? Nein, wegen dieses Kommerzdesasters musste ein eigentlich großartiges und künstlerisch wertvolles Projekt weichen und ein zeitlich sehr limitiertes Dasein fristen. Wer die vorherigen Monumentalinstallationen im Kunstkraftwerk gesehen hat, der wird wissen was wir meinen. Wie schön war es früher, einfach in die Saalfelder Straße zu fahren, zu parken, sich ein Ticket zu kaufen und dann diese wunderbaren, multimedialen Projektionen zu genießen. Kein Druck über Zeittickets, keine leeren Versprechungen auf schön gestalteten Internetseiten…. einfach ein direkter Zugang zu Kunst und Kultur, niederschwellig, begreifbar und ja, auch konsumierbar. Wir wissen nicht was passiert ist während der Corona-Pandemie, aber scheinbar hat auch im Kunstkraftwerk ein Paradigmenwechsel stattgefunden, weg vom kulturwissenschaftlichen Ansatz hin zur reinen, betriebswirtschaftlichen Theorie und Praxis.
Das was im Kunstkraftwerk in Leipzig derzeit zu sehen ist, mag vielen Menschen genügen, leben wir ohnehin in einer Zeit von Fake-News und Desinformation, was macht da Fake-Kunst schon für einen Unterschied. Könnte man meinen. Wir aber nicht. Wir meinen, dass man dieses einzigartige Projekt nicht so gnadenlos hätte dem Kommerz unterordnen dürfen. Es mag für die Betreiber wirtschaftlich sinnvoll sein, ihre Räumlichkeiten Fremdveranstaltern dauerhaft zur Verfügung zu stellen, hier halten wir es aber für falsch. Das Original einer Fälschung zu opfern, zahlt sich sicher nicht aus. Wie sagte der frühere Landshuter Oberbürgermeister und bayerischen Städtetagspräsidenten Josef Deimer einst: „Kultur rechnet sich nicht, aber sie zahlt sich aus“. In diesem Fall stimmt das leider nicht.