Glosse

Martins Sprachecke (5)

Kompetenz und Exzellenz

veröffentlicht am 22.06.2020 | Lesezeit: ca. 2 Min. | von Martin Köhl

Bei Wörtern wie „Kompetenzorientierungskompetenz“ kann einem schon mal der Kopf explodieren

Bei Wörtern wie „Kompetenzorientierungskompetenz“ kann einem schon mal der Kopf explodieren, Foto © pixabay.com

Nie waren wir so sehr von Kompetenz umstellt wie derzeit. Es gibt kein Entrinnen, sie lauert überall. Früher war es so etwas wie ein Ehrbegriff, als kompetent anerkannt zu sein. Man verneigte sich davor, die wirklich Kompetenten waren die seltenen Ausnahmen. Aber nun ist kein Halten mehr, jeder nimmt den Begriff für sich in Anspruch, er sinkt zu einer reinen Behauptung herab. Kompetenzgehabe, Kompetenzgerangel, Kompetenzhuberei? Was früher eine ganz normale Behörde oder ein Amt war, ist jetzt mindestens ein „Kompetenzzentrum“. Überall schießen sie aus dem Boden und tun sich wichtig, auf Bundes- und Landesebene genauso wie in den kleinsten Kommunen. In den Universitäten sowieso, dort noch valorisiert durch das bedeutungsheischende Exzellenz-Getue.

Wie sehr das alles nur bloßes wichtigtuerisches Wortgeklingel ist, zeigt ein Blick auf die vergangenen PR-Moden. Nur ein Beispiel: Vor einigen Jahren schossen allüberall die „Cluster“ aus dem Boden, die mit „Verklumpungen“ zu übersetzen natürlich recht despektierlich wäre. Auch sie erheischten Respekt allein aufgrund der Namensgebung, nämlich eines Ehrfurcht gebietenden Anglizismus. Heute spricht kein Mensch mehr davon, die Cluster sind längst vergessen, stattdessen hat uns die Diarrhö der Kompetenzzentren angesteckt.

Die Kompetenzinflation hat ihren Ursprung wohl im Bildungswesen, wo schon seit Jahren auch die selbstverständlichsten Petitessen mit diesem Begriff garniert werden. Wer lesen kann, besitzt „Lesekompetenz“, okay, aber wie steht’s denn mit dem Verstehen und Verarbeiten, das dem Lesenden erst bei der Persönlichkeitsbildung helfen kann? An „Schlüsselkompetenzen“ und die jetzt so modische „Selbstkompetenz“ haben wir uns längst gewöhnt, an hunderte andere Wortbildungen mit diesem allgegenwärtigen Begriff auch, aber dass nun sogar die „Kompetenzorientierungskompetenz“ druckreif geworden ist, erstaunt schon ein wenig. Da bleibt einem nur Odo Marquards (jüngst vom Bamberger Slawisten Peter Thiergen kolportierte) ironische Frage, wer wohl die „Inkompetenzkompensationskompetenz“ besitze.

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