Neben den großen, von Städten, Kommunen und Ländern getragenen Kunst- und Kulturinstitutionen gibt es noch einen weiteren, kulturellen Stand, der mitunter nicht immer die Beachtung erhält, die er eigentlich verdient: der lokale Kunstverein. Oftmals bleibt für die dort mit Herzblut konzipierte, ehrenamtlich organisierte Arbeit neben den voluminösen Programmen der großen Theater, Museen, oder Festivals nur eine Randnotiz übrig, wenn überhaupt. Ein mitunter gar nicht so kleiner blinder Fleck, schließlich vereint die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine (ADKV) als Dach- und Fachverband nichtkommerzieller Kunstvereine im deutschsprachigen Raum rund 300 Verbände, in denen sich über 100.000 Bürgerinnen und Bürger engagieren. ART.5|III möchte gerne dazu beitragen, dass diese Institutionen die Beachtung bekommen, die sie nach Meinung der Redaktion auch verdienen. Deshalb stellen wir ab sofort in jeder Ausgabe einen Kunstverein unseres Verbreitungsgebietes vor: Wir sprechen mit den Menschen hinter den Vereinsnamen über das Herz und die Seele ihrer Verbände, die Entstehungsgeschichten, ihre Herausforderungen und Wünsche.
Wir freuen uns sehr, zum Auftakt den Kunstverein Coburg vorstellen zu dürfen, der mit seinen ca. 1.300 Mitgliedern den größten Kunstverein Bayerns darstellt. Dafür sprechen wir mit Hr. Joachim Goslar, seines Zeichens seit bereits 25 Jahren 1. Vorsitzender einer der ältesten Kunstvereine im deutschsprachigen Raum.
Der Kunstverein Coburg fusionierte 1981 aus dem bereits 1824 gegründeten Kunst- und Gewerbeverein Coburg und dem 1901 gegründeten Coburger Kunstverein. Im Jahr 2024 feiern wir daher die 200-Jahr-Feier seines Bestehens.
In der Gründungsversammlung am 8. Dezember 1824 wurden bereits die Ziele des Kunst-, Industrie- und Gewerbe-Vereins formuliert: „Die Belebung des Sinns für das Zweckmäßigere und Beßere, die Erweckung schlummernder Kräfte, Beförderung des Kunst- und Gewerbefleißes" (…) „Der Coburger Verein stand (...) sowohl Künstlern, die durch Schaffung schöner Formen großen Einfluß auf die Erzeugung ansprechender Produkte der Gewerbebetriebe hatten, wie z. B. Malern, Bildhauern, Kupferstechern, Baukünstlern und Architekten offen (Kunst) als auch Fabrikanten und Manufakturisten (Industrie), und nicht zuletzt allen Angehörigen verarbeitender und technischer Gewerbe". (Vgl. hierzu Kunstverein Coburg, 175 Jahre Kunst- u. Gewerbeverein Coburg 1824-1999)
Mit dem sich ausdehnenden Bürgertum wurde auch der neue Gedanke des Erziehungs- und Bildungsauftrags der Kunst stärker. Dieser fand seinen Niederschlag in verstärkten Vortragsaktivitäten. War der Kunst- und Gewerbeverein bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts vorrangig ein Vortragsverein, so wurden Ausstellungen bildender Kunst spätestens durch die Fusionierung mit dem Coburger Kunstverein im Jahre 1981 die Hauptattraktionen. Dieser versammelte vor allem regionale Kunstschaffende wie Heinrich Höllein oder den Theatermaler Max Brückner.
Kunst ist ein ständiger Prozess, also müssen Form und Inhalt ihrer Präsentationen sich diesem Prozess anpassen. Zu den reinen Ausstellungen sind inzwischen Informationsformen wie Flyer, QR-Codes, Filmbeiträge, interaktive 360Grad-Ansichten und didaktische Angebote (z.B. „Erkundungen“ und Gesprächskreise, Zeichnen und Gestalten vor den Objekten, Film und Fotografie mit Schulklassen, Workshops und KinderKunstAtelier) hinzugekommen.
Schon in den Anfängen des Vereins war die Verpflichtung zum allgemeinen Bildungsauftrag im Bereich der bildenden Kunst festgeschrieben und hat nach wie vor Bestand. Mittlerweile zeigen wir die 3. Generation der Kunst Mitteldeutschlands, also die Schüler der Neuen Leipziger Schule wie Verena Landau und Moritz Götze. Wir zeigen Strömungen der zeitgenössischen bildenden Kunst am Original. Daneben ist es für uns genauso Aufgabe, jungen regionalen Künstlern eine Präsentationsplattform anzubieten oder in unseren regelmäßigen Mitgliederausstellungen die Künstler – Profis wie Laien – sozusagen „zu Bilde“ kommen zu lassen. Darüber hinaus vergeben wir Preise und Auszeichnungen an junge Nachwuchskünstler, solche wie der Blau-Orange-Preis durch die VR-Bank Coburg oder der Debütantenpreis durch die Sparkasse Coburg von jeweils 3.000 Euro.
Welche Philosophie also? Bildende Künstler reagieren sensibel auf Zeitströmungen und ihre Auswirkungen auf den Menschen. Lange bevor Worte dafür formuliert werden, bieten uns die bildenden Künstler in ihren Werken ganz persönliche bildhafte Erkenntnisse an, auf die wir reagieren, wenn wir uns in den Werken wiederfinden. Solche in Kunstwerken manifestierten Erkenntnisvorschläge immer wieder neu dem Publikum anzubieten, kommt (m)einer Kunst-Vermittlungs-Philosophie nahe. Ob es die Philosophie des Vereins ist, wage ich nicht zu sagen.
Der Kunstverein Coburg hat sein Domizil seit 1952 am Fuße des Hofgartens. Die ehemalige Vogelvoliere des verstorbenen Zaren Ferdinand von Bulgarien, der in Coburg sein Exil verbrachte, wurde dem Kunstverein als Ausstellungspavillon überlassen. Renoviert und den Bedingungen eines Ausstellungsgebäudes angepasst, wurde dieser Stammbau durch zwei kongeniale Erweiterungsbauten des jungen Architekten Thomas Güntzler in den Jahren 1986 und 2000 ergänzt; v. a. durch einen großen Mehrzwecksaal für Vorträge und Konzerte, einen zusätzlichen Ausstellungsbereich „Studio“ sowie Bereichen für Workshops, Künstlergruppen und das KinderKunstAtelier. Beide Bauprojekte wurden zu großen Teilen aus Mitgliederspenden finanziert.
Mit der Fusionierung der beiden Ursprungsvereine stieg die Mitgliederzahl kontinuierlich von 1950 mit 200 Mitgliedern auf 1.270 im Jahre 2001. Sicherlich haben dazu auch die drei Ausstellungen „Email-International“ beigetragen, die den Kunstverein für viele Jahre zum internationalen Emaille-Zentrum machten. Zwischenzeitlich zählte der Verein in den späten 1980er Jahren bis über 1.500 Mitglieder und hat sich nunmehr bei ca. 1.300 Mitgliedern eingependelt.
Bei der letzten Jahreshauptversammlung sind – neben mir selbst als 1. Vorsitzenden – im erweiterten Vorstand die folgenden Personen wiedergewählt worden: Nicola Gottfried, Sabine Gillde, Jan Happich (als Schatzmeister), Dr. Reinhardt Heinritz, Gerd Kanz und Mario Wolf. Das gesamte Team tritt aber nach diesem Jahr geschlossen zurück, um einem neuen Team mit frischen Ideen Platz zu machen. Darüber hinaus sei erwähnt, dass alle Vorstandsmitglieder rein ehrenamtlich arbeiten.
Mit der Stadt Coburg besteht eine enge Partnerschaft, die sich nicht nur auf den Gebäudeerhalt bezieht, sondern im Besonderen mit der Kulturabteilung auch zu Ausstellungskooperationen wie der großen Friedrich-Rückert-Ausstellung geführt hat.
Weiterhin bestehen Kooperationen mit der Hochschule Coburg, dem Landestheater Coburg, dem Coburger Designforum, der Fa. Brose Fahrzeugtechnik, der Landesbibliothek Coburg, den Kunstsammlungen der Veste Coburg sowie der VHS-Coburg Volkshochschule. Darüber hinaus finden regelmäßig Veranstaltungen befreundeter Vereine in unseren Räumen statt.
Das Grundpolster unserer Vereinsarbeit sind die Mitgliedsbeiträge. Durch die hohe Mitgliedszahl können wir unseren jährlichen Mitgliedsbeitrag noch bei 40 Euro halten. Bei Stiftungen und staatlichen Einrichtungen beantragen wir zudem Zuschüsse für Ausstellungen. Die Stadt Coburg unterstützt uns darüber hinaus finanziell mit einem Mietbeitrag und institutioneller Förderung. Durch die während der pandemiebedingten Schließung der Ausstellungshäuser vom Bund eingerichtete Stiftung „Neustart Kultur“ konnten wir kleinere Baumaßnahmen durchführen.
Unsere Mitglieder waren in der Vergangenheit stets bereit, mit großzügigen Spenden größere Vorhaben ihres Kunstvereins zu unterstützen, und für konkrete Vorhaben konnten wir ebenfalls gezielt Spender ansprechen. Deshalb gehen wir auch in Zukunft von Unterstützungen aus.
Die großen Ausgaben wie Versandkosten von Einladungs- und Informationsschreiben, Transportkosten bei Anlieferung von Kunstwerken u. ä. müssen bereits bei der Ausstellungsplanung Berücksichtigung finden und im Einzelfall abgewogen werden. Bei sehr hohen Kostenvoranschlägen müssen wir eben im Einzelfall auf eine Künstlerpräsentation verzichten. Bisher konnte uns gezieltes Sponsoring kostenintensive Ausstellungen ermöglichen.
Rückläufige Besucherzahlen und ein unterrepräsentierter Anteil von jungen Besuchern macht vielen, wenn nicht allen ausstellenden Kultureinrichtungen zu schaffen. Auch der Kunstverein Coburg zeigt (noch) seine Exponate und unterhält daneben Formen der Vermittlung. Von solch einer didaktischen Belehrungsform müssen wir aber zu Formen der Integration und des Mitmachens gelangen. Zukünftige Ausstellungskonzepte müssen viel mehr für jemanden fassbar sein als über etwas informieren. Die Ausstellung als Format verliert dabei keineswegs an Bedeutung, ihre Relevanz wird aber zunehmend mehr aus dem Blickwinkel der (potenziellen) Besucher gesehen. (Vgl. hierzu Mohr u.a. „Museen der Zukunft“, Bielefeldt 2022)
Das oben Gesagte bestätigen auch Wünsche unserer Mitglieder nach höherer Lebendigkeit im Kunstverein. Es gibt den Wunsch, dem Kunstverein und/oder seinen Exponaten auch mal im Stadtgebiet zu begegnen oder nach Angeboten zum Mitmachen, wohlgemerkt neben oder mit den gezeigten Ausstellungen.