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Kesselhaus Bamberg - Kunst A Go Go

BBK Ausstellung „Verzweigt“ im Kesselhaus Bamberg

veröffentlicht am 26.09.2012 | Lesezeit: ca. 7 Min.

Seit Mai 2011 hat das Kesselhaus der alten Krankenhaus-Wäscherei wieder eine sinnvolle Funktion. Seitdem haben sich Architekturtreff Bamberg, Kunstverein Bamberg und BBK Oberfranken zum gemeinsamen Bespielen des spannenden Industrieraumes zusammengetan. Auf 180 m² und mit 7 m Höhe bietet der sporadisch und mit viel Ehrenamt hergerichtete Raum in der Unteren Sandstraße aktuell weit mehr als der zeitgenössischen Kunst in Bamberg lange zur Verfügung stand.

Der Zusammenschluss der drei Kulturinitiativen, ein für Bamberg beinahe bahnbrechendes Vorbild, trägt Früchte. Die Bürgerspitalstiftung als Eigentümer duldet die Nutzung derzeit mietfrei, doch betont befristet. Denn an so prominenter Stelle gibt es viele Möglichkeiten mit der Immobilie umzugehen. Und Entscheidungen für Kultur fallen im Schatten schmal

bestückter Kassen nicht leicht. Dabei hoffen die Initiatoren auf ein baldiges grünes Licht für eine Langzeitnutzung in einem sanierten Gebäude. Konkrete Vorstellungen für einen etwaigen Ausbau gibt es nicht. Eine schmale Lösung zur bloßen Sicherung des gegenwärtigen Betriebes scheint allerdings nicht im Sinne der betreibenden Vereine zu sein. Aber es brauche auch keine Kunsthalle in großspuriger Manier für teueres Geld werden, so Christoph Gatz, der Kopf der Initiative. Immerhin das. Denn ein belebter Ort, der Raum für Kunst gibt, braucht nicht zwangsläufig ein Elfenbeinturm sein. Im Gegenteil. Weniger ist manchmal mehr. Der Charme des aktuellen Provisoriums scheint ein großer Pluspunkt zu sein und dürfte auch ein wichtiges Argument für den derzeitigen Erfolg des Kesselhauses sein. Er sollte keinesfalls verspielt werden.

Und vielleicht ist es das einzig mögliche Modell für eine Kunsthalle mit gutem Zulauf – die Bewegung von unten, aus Bürgerinitiativen heraus, von Künstlern und Mitstreitern gestaltet. Vermutlich wäre es der falsche Schritt, ein fertiges Haus mit einer substantiellen finanziellen Ausstattung seitens der städtischen Kulturpolitik einzufordern. Doch genau dafür scheinen die Herzen der Vorstandschaften des BBK Oberfranken und des Kunstvereins zu schlagen. Die Initiative war schließlich als Startschuss für größere Zielsetzungen gedacht, die keinen dauerhaft provisorischen Zustand meinten. Und Vorleistungen wurden inzwischen ausreichend erbracht.

Ein schöner Traum, den die Akteure träumen. Und dessen Umsetzung eigentlich nicht sonderlich kompliziert sein müsste. Wenn das Engagement und die Leistungen der Initiatoren nur ordentlich gewürdigt würde und auf die nötige Unterstützung zählen dürfte. Nun ja, kein Politiker ist dagegen, aber eben auch nicht so richtig dafür. Eine schwierige Situation also für die Hoffungsträger der zeitgenössischen Kunst in Bamberg. Irgendetwas muss dennoch passieren. Denn es wäre mehr als schade, wenn die großartige, gemeinsame Energie für das KESSELHAUS im Keim erstickt würde, jetzt, wo dieser neue Ort für Kunst und Kultur gerade Formen annimmt und uns programmatisch bietet, worauf viele seit langer Zeit warten, wie der großartige Zulauf der neuen Kult(ur)stätte beweist.

Noch bis 07. Oktober ist dort, wie parallel auch in der Stadtgalerie Villa Dessauer, die Jahresausstellung „Verzweigt“ des BBK Oberfranken zu sehen. 36 Künstler des Verbandes haben sich für die Ausstellung beworben. Von 21 wurde sie schließlich bestückt. Die Werke wurden ganz gezielt zum Thema der Ausstellung erschaffen. Viele auch unter besonderer Berücksichtigung der räumlichen Situation.

So zum Beispiel die Arbeiten von GERD KANZ mit dem Titel „Kaskaden“, die in beiden Ausstellungsstätten zu sehen sind und beide Male perfekt an ihre Umgebung angepasst wurden. Farbe und Form der „Kaskaden“ sind ihren Hintergründen, Räumen, Atmosphären und Ekstasen so angeglichen, dass sie sich an Ort und Stelle jeweils ideal einfügen und der Abbau am Ende der Ausstellung nur schweren Herzens wird erfolgen können. So gelungen ist die jeweilige Symbiose von Raum und Werk.

Ebenfalls beide Orte werden von der Papierkünstlerin MICHAELA SCHWARZMANN genutzt. Stark unterschiedlich in ihrer Ausprägung gleichen sich die Werke mit dem empfindlichen Werkstoff in Ihrem Ausdruck von Leichtigkeit, Filigranität aber auch Ordnung sehr. Und leisten in beiden Fällen einzigartige Botschaften, wobei der Arbeit im kleinen Raum Nebenraum des Kesselhauses deutlich anzumerken ist, dass sie für diesen besonderen Ort geschaffen wurde.

Die drei schwebenden Papierschiffe verwandeln den kleinen, beengten Raum, dessen Lichtspiel unglaublich erhaben wirkt, in einen einladenden Ort künstlerischer Kurzweile. Es entsteht eine zauberhafte Atmosphäre, die den Betrachter sich ganz in Raum und Zeit der „Abstellkammer“ verlieren lässt und auch eine spirituelle Ebene in sich trägt.

Auch die Arbeit von GUDRUN BESSLEIN-BAUER spielt mit dem Raum. Wie ein „Puzzle“, so verrät der nahe liegende Titel, erfolgt die Anordnung der Bildteile im kleinsten Raum der Villa Dessauer im 1. Stock. Die Gesamtheit an der Innenwand durch zusammenhängende Bausteine angedeutet, finden sich weitere Teile auch seitlich befestigt und nahe der Fensterbank aufgestellt. Die Puzzles laden stark zur Interaktion, die zu realisieren ein interessanter, weiter gedachter nächster Schritt sein könnte.

MONIKA MEINHART verzerrt die Fotorealität verschiedener Aufnahmen durch gezieltes Nachbearbeiten und den Einsatz von Überlagerung, Transparenz und Licht zu einer „verzweigten“ Ästhetik, einem Spiel von Motiven ohne Gleichgewicht und einer letztlich doch schlüssigen Farbarchitektur. ADELBERT HEIL zeigt plastische Genogramme von Menschen, die sich oder Bestandteile ihrer selbst der Verzweigung unterworfen sehen. Sie verzweigen sich miteinander, suggerieren eine Art Stammbaum, deuten wohlmöglich auf den Generationenvertrag hin, der schwer unter der Last der Alterspyramide zu leiden hat. JARMILA MANKO navigiert künstlerisch zwischen beiden

Ausstellungsorten und verleiht ihnen ein Doppelherz aus Glas. Und auch die weiteren teilnehmenden Künstler aus unserer Region überzeugen mit ihren Arbeiten zum Thema „verzweigt“, geben Raum für Beobachtung und Impulse zur Interpretation. Verschiedenste Weisen der Weltwahrnehmung stecken in den charmanten, anklagenden, kritischen, pfiffigen, intensiven oder auch einfach nur schönen Arbeiten. Von kognitiver Auseinandersetzung bis zur Hingabe an die unterbewusste Führung des eigenen Genies sind alle Facetten vertreten.

Letzteres trägt vor allem das arbeitsintensive Werk von GERHARD SCHLÖTZER in sich, der seine Serie von „Bleistiftzeichnungen nach Musik“ im Rahmen der Ausstellung mit dem Werk „Rotunde I“ krönen wird. Der Schaffensprozess dafür ist für die gesamte Ausstellungsdauer definiert, so dass die 14 Quadratmeter (2,50 m x 5,60 m) große Rotunde erst zur Finissage am 05. Oktober um 18 Uhr fertig gestellt sein wird. Dreidimensionalität einmal anders.

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