Auch wenn der Titel „Hänsel & Greta & The Big Bad Witch“ das andeuten könnte, Weihnachten ist noch nicht. Allerdings nutzt die Autorin Kim de l’Horizon das altbekannte Grimm-Märchen als Basis für dieses Endzeit-Weltrettungs-Szenario. Das Stück feierte am Sonntag, unter der Regie von Wilke Weermann, im E.T.A.-Hoffmann-Theater in Bamberg Premiere und gleichzeitig auch die Deutsche Erstaufführung.
Eine düster graue Landschaft baut sich da auf, beherrscht von zwei großen Kühltürmen, der Ausstatterin Lara Scherpinski einen paradiesisch anmutenden Campingwagen, in pastellfarbenem Retro-Style gegenüberstellt. Dort wohnt die „Big Bad Witch“, die sich aber so gar nicht als böse rausstellt. Quasi ein Safe-Raum für diverse Zuflucht suchende. Auf der Bühne erscheint die Hexe nie, ist aber per Lautsprecher immer irgendwie präsent oder dann, wenn sie die Geschwister kurz durchzuckt. Hierhin kommen der überaus sensible Hänsel und Gretel, später als Weltrettungs-Greta im Einsatz. Schrill bunt kommen die Geschwister daher, mit farbigen Punk-Zopf-Frisuren. Der Hunger trieb sie in den vermeintlichen Märchenwald, den es längst schon nicht mehr gibt. Den hat die Elterngeneration abgeholzt, so die Krise verbockt. Es gibt nur noch „Vitalin“-Plantagen, der Lebensdroge schlechthin, die alle am Laufen halten sollen. Alle leiden darunter, Hunger ist an der Tagesordnung, Erde und Lebewesen sind im Stress. Klar geht es auch um die Klimakrise und ihre Folgen, wird aber nicht explizit aufgerollt. Mystisch magisch entwickelt Constantin John eine vielgestaltige Musik- und Soundkulisse, verleiht der Hexe eine geheimnisvolle Aura, wenn sie mannigfache Übungen zu Weltrettung vorschlägt. Erschwert wird durch den Geräuschteppich stellenweise das Textverständnis. Die literarisch-kunstvoll gewebten Texte de l’Horizons gehen dabei oft unter, was sehr schade ist.
Weermann verdoppelt das Geschwisterpaar, lässt durchgehend ein spielfreudiges Quartett agieren, das auch andere Rollen in diesem posthumanen Zirkel spielt. Wiebke Jakubicka-Yervis, Jeanne Le Moign, Alina Rank und Ewa Rataj warfen sich mit vollem Einsatz in ihre Rollen, erwiesen sich als höchst wandelbare Darstellerinnen, etwa wenn die Hexe nur als Stimme (Florian Walter) da ist. Eindrucksvolle Bilder entstanden, die sicher nachhallen werden, etwa wenn Flechten, eine Buche oder gar Darmbakterien zu Wort kommen. Die Welt retten, geht nicht „zicki zacki“, alleine klappt das auch nicht. Eine Erkenntnis der reichlich schrägen und unterhaltsamen „Apokalypsomödie“.
Näheres zu Stück und Spielplan unter www.theater.bamberg.de.