Das 35. Erlanger Poetenfest
Nora-Eugenie Gomringer liest
veröffentlicht am 27.07.2015 | Lesezeit: ca. 6 Min.
Dass der Klagenfurt-Gewinner, dass die Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin Jahr um Jahr beim Erlanger Poetenfest zu Gast ist, ist kein Geheimnis. Viel mehr aber ist noch nicht bekannt, heißt es aus der beispielsweise mit Friedrich Rückert und mit Hans Magnus Enzensberger, der dort mit einer Arbeit über Clemens Brentano promoviert wurde, verbundenen mittelfränkischen Universitätsstadt. Das Programm werde voraussichtlich am letzten Julitag veröffentlicht, und vorher könnten leider keine detaillierten Informationen preisgegeben werden. Fest also steht, dass Nora Gomringer lesen wird. Sie war auch im vergangenen Jahr bereits mit dabei.
Ansonsten bleibt uns, die poetische Lizenz zu ergreifen, uns die dichterische Freiheit zunutze zu machen, und zu spekulieren, wer denn wohl alles vom 27. August bis zum 30. August zum Poetenfest kommen mag. Sicherlich Maike Albath, denn die Literaturkritikerin (Schwerpunkt: Italien) ist seit über einer Dekade Moderatorin und Beraterin des Erlanger Literaturspektakels. Seit bereits zwei Jahrzehnten moderiert Michael Braun das Poetenfest und ist zudem als dessen Berater tätig. Vielleicht bringt Braun ja den Heidelberger Lyriker, Übersetzer und Verleger Hans Thill mit, den Leiter des Künstlerhauses Edenkoben, mit dem zusammen Braun die sehr feine Anthologie „Lied aus reinem Nichts. Deutschsprachige Lyrik des neuen Jahrtausends“ (Heidelberg: Wunderhorn, 2010) herausgebracht hat.
Zu den wichtigen Lyrikerinnen dieses Millenniums zählt Nora Bossong, deren um den Kommunisten Antonio Gramsci kreisender Roman „36,9°“ Ende August bei Hanser erscheinen wird. Ohne Bossong hätte im Übrigen Gomringers Klagenfurter Siegertext „Recherche“ nicht geschrieben werden können. Also nehmen wir auch Bossong in unsere imaginäre poetische Erlanger Arche Noah des Jahres 2015 auf. Ins Boot wünschen wir uns zudem Gunhild Kübler, die doch bitte im Rahmen der Erlanger Übersetzerwerkstatt gemeinsam mit der Bamberger Amerikanistin Christine Gerhardt über „Sämtliche Gedichte“ von Emily Dickinson diskutieren möge, die Kübler übertragen hat. Zur Zwölften Erlanger Übersetzerwerkstadt bitten wir auch Elisabeth Edl und Wolfgang Matz, die Yves Bonnefoy („Die lange Ankerkette“, Edition Akzente, 2014) übersetzt haben.
Zu dem Erlanger Fest gehört immer auch ein Filmprogramm. Vielleicht wird man ja Tom Tykwers „Lola rennt“ (1998) zeigen, denn geschnitten hat den Thriller Yves Bonnefoys Tochter Mathilde. Und zeigen möge man bitte auch, als Hommage an Robin Williams, „Dead Poets Society“. Zu Walt Whitman, der in dem Streifen zitiert wird, könnte sich wiederum Christine Gerhardt äußern, die 2014 eine blendende Studie zu Whitman und Dickinson vorgelegt hat. Whitmans „Grasblätter“ hat erstmals komplett Jürgen Brôcan ins Deutsche gebracht, der somit ebenfalls eingeladen werden sollte. Zumal er mit einem der wenigen gelungenen Gedichte im „Jahrbuch der Lyrik 2015“ vertreten ist, das Nora Gomringer gemeinsam mit der Jahrbuch-Konstante Christoph Buchwald verantwortet hat. Mitherausgeber des ersten Jahrgangs war 1979 Harald Hartung. Auch diesen großartigen Lyriker und Lyrikkritiker können wir uns sehr gut in Erlangen denken.
Auf unserer filmischen Desiderata-Liste ist weiters die im Juli in Deutschlands Kinos gekommene Verfilmung von Thomas Hardys Roman „Far from the Madding Crowd“ durch den Dänen Thomas Vinterberg zu finden, der sich John Schlesingers Version von 1967, mit Juli Christie, gegenüberstellen ließe. Beifall fände gewiss auch Frank Wierkes dokumentarisches Portrait über Michael Hamburger, „Ein englischer Dichter aus Deutschland“. Zur Podiumsdiskussion einladen könnte man dann den Leipziger Literaturwissenschaftler, Autoren, Maler und Pfeifenraucher Elmar Schenkel, der mit Hamburger befreundet war, ihn übersetzt und über ihn publiziert hat. Hamburger selbst hat Celan übertragen, Peter Huchel und Günter Eich, Rilke und Hölderlin. Letzteren veröffentlicht immer wieder und auf allerschönsten Bütten in bibliophilen Kleinauflagen Hermann Rapp in seiner Offizin „Die Goldene Kanne“, die im Taunus beheimatet ist. Im vergangenen Jahr beteiligte sich Rapp an der Buchkunst-Ausstellung „Druck & Buch“, die seit jetzt acht Jahren zum Poetenfest gehört. Mag ja sein, dass er in diesem August wieder nach Franken findet. Mit dabei war auch Beat Brechbühls Frauenfelder Atelier Bodoni, das sich der Fertigung und Gestaltung von wundersamen Büchern und Einblattdrucken in Bleihandsatz verschrieben hat.
Erlangen nimmt selbstverständlich die seit dem letzten Fest herausgekommenen, wichtigen Neuerscheinungen in den Blick. Wir wünschen uns den Dresdner Volker Sielaff mit dem „Glossar des Prinzen“ (luxbooks, 2015) und tippen zudem auf Heinrich Detering, der bei Wallstein im März seine „Wundertiere“ vorgelegt hat, auf Christoph Meckel, dessen „Gesammelte Gedichte“, herausgegeben von Wolfgang Matz (siehe oben), gleichfalls im März erschienen sind, und auf Paulus Böhmer, dessen Langgedicht „Zum Wasser will alles Wasser will weg“ an Whitman (abermals: siehe oben) erinnert und das – siehe oben – Michael Braun in der Neuen Zürcher Zeitung hymnisch feierte. Erschienen ist es in Peter Engstlers Einmann-Verlag in Ostheim vor der Rhön. Und das Poetenfest nimmt sich auch der Literatur für junge Leser an. Wir schlagen vor, dem noch arg jungen, aber schon längst erfolgreichen Bamberger Magellan-Verlag eine Bühne zu schenken, irgendwo zwischen Schlossgarten, Markgrafentheater und Orangerie. Näheres, wie eingangs gesagt, nicht vor Ende Juli unter http://www.poetenfest-erlangen.de/.
Copyright Fotos: Poetenfest Erlangen, Foto © Erich Malter