Auch in der „Anatomie der Wolken“ (ist das nicht, für das eine Mal, ein schöner Titel?) treffen ein bildender Künstler und ein Schriftsteller aufeinander, Caspar David Friedrich nämlich und Johann Wolfgang Goethe. Obgleich er sich bald wieder von ihm abwandte, zählte der am Weimarer Frauenplan residierende Dichterfürst zu den frühen Förderern des 1774 in Greifswald geborenen, 1840 in Dresden verstorbenen Friedrich. Mindestens anno 1810 (in Dresden) und im Sommer darauf (bei einer Wanderung auf die bei Jena gelegene Lobdaburg) sind sich die beiden tatsächlich begegnet. Mit von der durchaus romantischen Romanpartie ist auch Louise Seidler, Malerin aus Jena, die Fichte kannte, Hegel, Schelling, die Humboldts, Tieck, Brentano, die Schlegels und eben auch Goethe, dessen Vertraute sie war, den sie 1811 mit Pastellkreide zeichnete.
„Sie roch Friedrich“, heißt es von der Seidler, „bevor sie ihn sah. Diese Mischung aus Modermief, Röstzwiebeln und Terpentin, das war er.“ Zutiefst melancholisch, Mundwinkel nach unten, Lider auf Halbmast. Auf der anderen Seite der italophile Goethe, der gern isst, trinkt, den Frauen mehr als schöne Augen macht. Das verbindende Glied zwischen den Ungleichen ist ihr Interesse an Wolken. Aber auch und gerade darüber kommt es zum endgültigen Zerwürfnis. Lesenswert! Gewidmet hat Singer, die eigentlich Eva Gesine Baur heißt und unter diesem Namen Künstlerbiographien schreibt, über Chopin etwa, Schikaneder, zuletzt – ganz fabelhaft – über Mozart, die „Anatomie“ übrigens „Hildegard, die Wolkenbilder liebt“, weil sie das „Unberührbare berührbar“ machen. Eine ungemein schöne Widmung, n’est-ce pas?
Lea Singer, Anatomie der Wolken. Roman. Hamburg: Hoffmann und Campe, 2015. 256 Seiten, 20 Euro.