„Marc Chagall – Bildsprachen“

Marc Chagall war ein Erzähler mit Farben. Worte flossen in seine Bilder, Sprache wurde Form, Metapher, Traum. Der im Hirmer Verlag erschienene Bildband „Marc Chagall – Bildsprachen“ begleitet die gleichnamige Ausstellung, die noch bis zum 9. Juni im Kunstmuseum Pablo Picasso Münster zu sehen ist und macht diese vielschichtige Beziehung von Text und Bild sichtbar.

Über 120 farbige Abbildungen – darunter auch bislang unveröffentlichte Skizzen – führen durch ein Werk, das von literarischen Quellen lebt: von der Bibel über Gogols „Tote Seelen“ bis zu La Fontaines Fabeln. Chagall las nicht nur, er übersetzte das Gelesene in eine visuelle Poesie, die zugleich leicht, rätselhaft und zutiefst menschlich wirkt. Seine Bildsprache vereint Erinnerung, Religion, Mythos und Fantasie zu einem ganz eigenen Kosmos. Oft liegt ein Hauch von Melancholie über seinen Motiven, doch nie verlieren sie ihre leuchtende Hoffnung.

Ein besonderer Schatz des Buches sind rund vierzig Entwurfsskizzen, die zeigen, wie eng bei Chagall das Denken in Sprache und Bild verbunden war. Der Stift tastet vor, Linien werden Sätze, Figuren erzählen. Man spürt: Hier entsteht Kunst nicht aus Kalkül, sondern aus Intuition, Erinnerung, innerem Rhythmus. Der Leser ist eingeladen, Chagalls kreative Prozesse aus nächster Nähe nachzuvollziehen.

Der Herausgeber Markus Müller führt kenntnisreich durch diesen Kosmos. Seine Texte öffnen Zugänge zu Chagalls Bildwelt, ohne sie zu entzaubern. Er zeigt, wie sehr Chagalls jüdische Herkunft, seine Liebe zur Literatur und seine biografischen Brüche in seine Kunst eingeschrieben sind.

Auch gestalterisch überzeugt das Buch: hochwertiger Druck, ruhiges Layout, großzügige Typografie. Kein reiner Ausstellungskatalog, sondern ein eigenständiges Werk – und eine Einladung, Chagall neu zu lesen: als Maler, Dichter und Träumer in Farben.

Marc Chagall: Bildsprachen, Hirmer Verlag München, 2024, 224 Seiten mit 120 Abbildungen, 29,4 x 22,3 x 2,7 cm, 49,90 Euro. ISBN: 978-3-777-44574-8