Wilco ist eine Band, bei der sich über die Jahre nicht allzu viel ändert. Sie steht für meisterhaften, todtraurigen, unendlich einsamen Folkrock zwischen Neil Young-Gitarrendonnern, kammermusikalischer Empfindsamkeit und dezentem, repetitivem Groove. Gesungen von dem ewig zerknautscht dreinsehenden Jeff Tweedy, einem der besten Sänger und Gitarristen des Fachs und einem Atmosphärenmeister vor dem Herrn. 1994 formierte er die Band, um die amerikanische Wurzelmusik auf den Kopf zu stellen und zu schütteln.
Doch das Leben mit Wilco reicht Tweedy offenbar nicht aus, deshalb hat er nun sein zweites Soloalbum veröffentlicht. „Warm“ heißt das Werk, das sich als biografischer Blick zurück lesen lässt – und gleichzeitig auch als aktuelles, politisches Œuvre, das mit diesen Zeilen beginnt: „I leave behind a trail of songs / From the darkest gloom to the brightest sun.” Mehr noch als auf die Politik der aktuellen US-Regierung schaut „Warm“ zurück auf das eigene Leben Tweedys. Auf eine Karriere, die Mitte der 1980er-Jahre beginnt. Auf Wegmarken wie den Tod des Vaters, den er in „In How Hard It Is For A Desert To Die“ beschreibt, oder auf die Geburt seiner Söhne. Warm klingt dieses Werk, auf dem sich Country, Folk, Rock und Americana kreuzen.
Auf dem ersten Soloalbum spielte Tweedy ausschließlich akustische Versionen von Wilco-Songs. Diesmal hat er neue Solo-Songs geschrieben, die nach Wilco klingen. Das ist naturgemäß fantastisch, weil Tweedy eben einer der besten Songwriter ist, die in den vergangenen Dekaden den Weg vom Pop-Himmel auf die Erde gefunden haben. Mal rauschen die Gitarren markanter, mal flechtet Tweedy elektronische Störgeräusche in seine Songs. Tweedys Songs erzählen von Krisen, vom Tod und von Schmerzmitteln – und trösten gleichzeitig.
„Warm“ ist ein Veto, ist wärmender Protest, der den Präsidenten der USA nicht mal nennen muss. Jeder weiß, was für ein Vogel in dem gutgelaunten „Some Birds“ gemeint ist.
