In Selb und Hohenberg a. d. Eger hat man gerade einiges zu feiern. 125-jähriges Bestehen der Marke Rosenthal zum Beispiel oder den Geburtstag von Philip Rosenthal jun., der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre. Gründe genug, um eine neue Dauer- sowie Sonderausstellung mit dem Titel „Rosenthal – Ein Mythos. Zwei Männer schreiben Geschichte“ auf die Beine zu stellen, fanden die Porzelliner in Selb und Hohenberg a.d. Eger. Zu diesem Zweck wurde das Archiv auf den Kopf gestellt und tatsächlich einige vergessene Schätze zutage befördert.
Rosenthal ist eine Hausmarke, das muss man nicht mal dem Laien erklären. Mütter und Töchter, SammlerInnen und KunstliebhaberInnen schwören seit 125 Jahren drauf. In der heimischen Stube wird der Dauerbrenner „Maria“ aufgetragen, wann immer es sich anbietet. Aber die Firma und spätere Marke Rosenthal ist mehr als nur weißes Porzellan mit Kantenrelief. Das zu vermitteln und die weitreichende Geschichte des Unternehmens Revue passieren zu lassen, ist Aufgabe der jüngst gestarteten Dauer- und Sonderausstellung.
Im Zuge der Neukonzeption einer Ausstellung stellt sich immer auch die Frage nach der Gestaltung und angemessenen Präsentation der Exponate. Schließlich soll der Museumsgast am Ende seines Besuches etwas mitnehmen – neue möglichst gebündelte Informationen und Eindrücke. Bei Porzellan erweist sich die Ausstellungskonzeption insofern als schwierig, da ein bloßes Aufreihen hübscher Tischgedecke wenig Nährwert hat. Anlässlich des Doppeljubiläums wurde die Rosenthal-Abteilung des Porzellanikons im ehemaligen Brennhaus der Selber Rosenthalfabrik deshalb komplett neugestaltet. Zu Beginn der Dauerausstellung stehen sich Vater Philipp Rosenthal sen. und Sohn Philip Rosenthal jun. gegenüber. Der Vater, ein Macher, fing als Tellerwäscher an und gründete 1891 seine eigene Porzellanfabrik in Selb. Der Sohn, ein Visionär und Kunstkenner, modernisierte das Unternehmen, nachdem er 1950 in die väterliche Firma eintrat und bereits zwei Jahre später die Produktgestaltung übernahm. Er war ein Pionier des modernen Marketings und wusste schon früh um dessen Bedeutung. Vater und Sohn einte jedoch nicht nur die Liebe zum Porzellan, sondern auch ihr fortwährendes soziales und politisches Engagement. Der ehrgeizige Versuch des „Juniors“, in seiner Funktion als Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium unter Karl Schiller die Arbeitnehmer am Produktivvermögen zu beteiligen, scheiterte indes leider kläglich.
Im Anschluss an den kurz gewährten Einblick in das Leben der beiden Persönlichkeiten zeigen schwarze, mit samtenen Stoffen ausgelegte Tischvitrinen, wie sich die Marke Rosenthal von ihren Anfängen bis heute entwickelt hat. Hier konkurrieren Formen, Farben und Stofflichkeiten miteinander um die Wette, Kontraste werden erzeugt. Trotzdem nimmt sich die Farbgestaltung zugunsten des industriellen Charakters des Brennhauses gezielt zurück. Die 44 Fenster an der Giebel- und Traufseite des Hauses sind mit berühmten Porzellandekoren versehen und verleihen der Halle sakralen Charakter. Ein 25 Meter langer Zeitstrahl im hinteren Teil der Ausstellung zeichnet die Geschichte der Rosenthaler Porzellangeschichte mit Hilfe von Fotos, Einzelexponaten und Texttafeln nach. Einen weiteren Besichtigungspunkt im Brennhaus bilden die räumlich abgesetzten Archivschränke, hinter deren Sichtfenstern Zierporzellane, entworfen von namenhaften Künstlern wie Salvadore Dalí oder Henry Moore, zu bestaunen sind.
In der Zusammenarbeit mit internationalen Künstlerikonen sah Philip Rosenthal jun. seine Passion. Neben figürlichem Porzellan, entstanden auch streng limitierte Tischgeschirre des dänischen Künstlers Bjørn Wiinblad oder die 1976 erschienene Kunst-edition Suomi, entworfen von Timo Sarpaneva. In höherer und erschwinglicherer Auflage erschienen weitere Künstlergeschirre, entworfen u. a. von Bauhauslegende Walter Gropius. Und auch an der Wand ist Porzellan durchaus kleidsam: in einer Auflagehöhe von 20 Exemplaren entstand 1968 das Relief „Der Töpfer“ von Oskar Kokoschka. Unter dem Titel „Vom Dreiklang auf dem Tisch zur Manufaktur des Wohnens“ kann all das auf einem zweiten Ausstellungsareal in Selb begutachtet werden.
Ein weiterer Teil der Sonderausstellung befindet sich in Hohenberg a. d. Eger und widmet sich ausschließlich dem Schaffen des Unternehmensgründers Philipp Rosenthal sen. Die Idee zur Produktion von Kunstporzellanen geht zuweilen auf seine Kappe, womit er 1910 eine Vorreiterrolle in der Porzellanbranche übernahm. Gezeigt werden vor allem die künstlerische, technische und thematische Bandbreite der Rosenthal AG von 1908/10 bis zum Ende der 1930er-Jahre, als der Senior aufgrund seiner jüdischen Abstammung aus dem Unternehmen ausscheiden musste. Aber auch dieser Rückschlag konnte dem Unternehmen kaum schaden, denn ohne Frage: der Mythos Rosenthal lebt.
Die Sonderausstellungen rund um Rosenthal sind noch bis zum 13. November zu sehen. Informationen zu Öffnungszeiten und Eintrittspreisen finden Sie unter www.porzellanikon.org.