So lange ist er noch gar nicht im Geschäft, zumindest nicht als Intendant. Und doch ist Marcus Axt – seit August vergangenen Jahres Intendant der Bamberger Symphoniker – Bayerische Staatsphilharmonie – bereits bestens vertraut mit der Stadt, mit den Politikern, den Verantwortlichen, dem Spitzenorchester, dessen Findungskommission ihn aus einer Handvoll von Bewerbern, die in die engere Auswahl gekommen waren, in seine jetzige Position berief. Das rührt daher, dass Axt schon von 2005 an als Orchestermanager des oberfränkischen Hochglanzklangkörpers gearbeitet hatte, ehe er drei Jahre später als Leiter der Konzertplanung zu den Berliner Philharmonikern geholt wurde.
Die Rückkehr von der Spree und der Havel an die Regnitz – Axt ging also den umgekehrten Weg wie beispielsweise die ehemaligen Bamberger Symphoniker Albrecht Mayer, Oboe, und Máté Szücs, Solo-Bratsche – war für den eloquenten Neununddreißigjährigen mithin eine Art Nachhausekommen. Und ja, versichert Axt im entspannten Gespräch, er und seine Familie (dreieinhalb Jahre alt ist seine älteste Tochter, die kleine fange gerade an zu laufen) fühlten sich im Oberfränkischen sehr wohl. Irgendwie zwingend war dieses „Homecoming“ auch, wenn man die Häufigkeit des Anfangsbuchstabens B in Axts bisherigen Lebensstationen bedenkt.
Die Kindheit verbrachte Axt im Bayerischen Wald, Jugend und Adoleszenz in Hersbruck, Abitur machte er am musischen Labenwolf-Gymnasium Nürnberg, das Studium der Musik- und Theaterwissenschaft sowie der Germanistik absolvierte Axt in Bayreuth und Bologna (wo er bereits am Teatro Comunalo hospitierte und italienische Liedermacher schätzen lernte, darunter Claudio Baglioni). An der Komischen Oper Berlin folgte eine weitere Hospitanz, dann Tätigkeiten als Betriebsbüroleiter des Internationalen Jugend-Festspieltreffens Bayreuth und als Referent für Sonderaufgaben beim Schleswig-Holstein Musikfestival, 1997/98, kurz vor Beginn der Ära Rolf Beck, des ehemaligen Intendanten der Bamberger Symphoniker und jetzigen Leiters des Chors der Bamberger Symphoniker, als Franz Willnauer noch Intendant des Festivals war.
Mit Willnauer, so etwas wie eine Leitfigur in Axts Leben, ging dieser dann als dessen Persönlicher Referent und Leiter der Konzertorganisation zum Bonner Beethovenfest. „In Bonn lernte ich, wie man mit zwei Leitz-Ordnern startet und ein Festival von Grund aufbaut“, sagt Axt anerkennend über die (Zusammen-)Arbeit mit Willnauer. Unter der neuen Intendantin Ilona Schmiel übernahm Axt 2003 die Leitung des Künstlerischen Betriebs und die Programmplanung. Es gelang ihm, Gustavo Dudamel, der damals den Dirigentenwettbewerb der Bamberger Symphoniker gewonnen hatte, als Einspringer 2004 nach Bonn zu holen. In der Beethoven-Stadt war es auch, dass Axt zu den Klängen des Walzers aus Dimitri Schostakowitschs Suite für Jazzorchester Nr. 2 heiratete.
Schließlich ging es, wie eingangs angedeutet, 2005 erstmals, noch unter Paul Müller, zu den Bamberger Symphonikern, 2008 nach Berlin und im vergangenen August, als die Bamberger beim Lucerne Festival konzertant den kompletten Ring machten, zurück an die Regnitz. Seither gibt Axt im Konzert mit Jonathan Nott die künstlerische Linie vor und zeichnet darüber hinaus auch für die wirtschaftliche Ausrichtung verantwortlich. Ein enormer Erfolg ist das, in Axts immer noch recht jungen Jahren.
Dessen Wurzeln liegen in der niederbayerischen Provinz, in einer Gegend, die ein die Kreativität enorm begünstigender Wind durchweht. Aus dem kleinen Markt Hengersberg beispielsweise kommen der Autor Harald Grill (er war 2012/2013 Stipendiat des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg), der Kabarettist Django Asül, die Geigerin Monika Drasch – man kennt sie unter anderem aus gemeinsamen Auftritten mit Hubert von Goisern – sodann Manfred Preis, den Axt gut kennt als Bassklarinettist der Berliner Philharmoniker, auch Judith Siedersberger, die zusammen mit Rosa Brunner den Kunstraum bluemerant in der Bamberger Siechenstraße betreibt und die Sachbuchautorin Michaela Karl, die Biographien zu Rudi Dutschke, zu Dorothy Parker, zu Zelda und F. Scott Fitzgerald vorgelegt hat. Karl ist in Straubing geboren, ganz wie – 1974 – Marcus Rudolf Axt.
Axts Eltern besaßen in dem Luftkurort und Wintersportgebiet Sankt Englmar im Bayerischen Wald eine Pension, wo Axt und sein Zwillingsbruder eine glückliche Kindheit in der Idylle verbrachten. Man kommt nicht umhin, an Beethovens Pastorale zu denken, an die „Szene am Bach“, an das „Erwachen heiterer Gefühle bei der Ankunft auf dem Lande“. Ach ja, apropos kreativer Wind in Niederbayern: Im nur durch einen Bach und eine Wiese von den Axts getrennten Nachbarhaus wuchsen die wenige Jahre älteren Gebrüder Gerhaher heran. Christian Gerhaher, der weltweit vor allem als begnadeter Liedsänger gefeierte Bariton, dessen Klavierbegleiter Gerold Huber, man mag es kaum für möglich halten, ebenfalls aus Straubing gebürtig ist, war mit Mahlers Gesellenliedern (unter Chefdirigent Jonathan Nott) und den Kindertotenliedern (unter dem Ersten Gastdirigenten Robin Ticciati) schon im Joseph-Keilberth-Saal der Bamberger Konzerthalle zu erleben.
Über seine Führungsposition bei der Bayerischen Staatsphilharmonie ist Axt auch insofern sehr glücklich, als er sagt: „Die Verankerung der Kultur im Selbstverständnis der Politik ist in keinem anderen Bundesland so gegeben wie in Bayern.“ Erst von der Saison 2014/2015 an wird Axt den Bamberger Symphonikern seinen künstlerischen Stempel aufdrücken können, denn die laufende Spielzeit hatte noch Wolfgang Fink geplant, der angesichts der Querelen um eine ausreichende Finanzierung recht kurzfristig die Segel gestrichen hatte. Axt denkt daran, jeweils einen verbindenden Saisonschwerpunkt zu thematisieren. Aufgrund des Jubiläums liegt 2015 Jean Sibelius nah, das könne aber auch einmal ein Instrument sein, meint Axt, der Klavier und Geige jetzt nur noch spielt, „wenn niemand in der Nähe ist“. Weiters möchte sich der Intendant für die zeitgenössische Musik starkmachen, ohne sich auf Uraufführungen zu beschränken. Vielmehr will er den Fokus auf ein, zwei Komponistenpersönlichkeiten legen.
Wichtig ist Axt zudem die Pflege eines authentischen (wiedererkennbaren) Klanges, wie ihn auch Traditionsorchester wie die Staatskapelle Berlin und die Sächsische Staatskapelle Dresden besitzen. Gemeinsam mit den Orchestermitgliedern muss er außerdem einen Nachfolger für Jonathan Nott suchen, dessen Vertrag 2016 ausläuft. Man werde sehen, ob sich die Bamberger einen „jungen Wilden“ wünschen oder doch lieber einen vom klassisch-romantischen Repertoire geformten Maestro. Axt denkt ferner an eine Förderstiftung für Unternehmen ebenso wie für private Mäzene. In diese Richtung zielte bereits ein Privatkonzert in der Luzerner Villa Tribschen, bei welchem im kleinen Kreis Wagners Siegfried-Idyll erklungen war.
In der Orchesterakademie, „wo wir potentielle Nachfolger für die Musiker unseres Orchesters ausbilden“, sieht Axt ein bedeutsames Instrument der Nachwuchseliteförderung. Und was die Arbeit an der Basis anbelange, leiste das „Education Team“ um Barbara Bode, Martin Timphus und Heiko Triebener „sehr, sehr viel“. Probenbesuche für Schulklassen würden ermöglicht, dann wieder gingen die Musiker selbst zu Schulklassen und zu Kindergartengruppen. Über seine Zukunft macht Axt sich verständlicherweise noch keinerlei Gedanken. Er ist, so wie es ist, sehr glücklich in Bamberg und sieht hier durchaus Potential für zehn Jahre.
Was nun macht ein so wichtiger Intendant wie Marcus Axt in seiner knapp bemessenen freien Zeit? „In meiner Freizeit beschäftigen mich – und beschäftige ich – meine beiden kleinen Töchter, die ich bei so einem Job leider viel zu wenig erleben kann. Daher nutze ich jeden Moment, um bei ihnen zu sein. Außerdem schätze ich gute Literatur, bildende Kunst, guten Wein, manchmal auch Jazz.“ So ist Axt beispielsweise von Stacey Kents Version von „Jardin d’hiver“ begeistert: „Oh ja, das ist klasse!“
Auf die Frage nach dem ihm liebsten Komponisten antwortet der vielsprachige Axt, er leide hier an einer „déformation professionnelle“. Nur einen Komponisten zu nennen, falle ihm wirklich schwer: „Da kann ich es nur mit Mauricio Kagel halten, der einmal sagte, manche Musiker mögen nicht an Gott glauben, an Johann Sebastian Bach jedoch glaubten sie alle. Ansonsten geht es mir eher um Lieblingsstücke verschiedenster Komponisten, und das wechselt auch nach Anlass oder Stimmung.“ Als ihm der Bayerische Rundfunk im November eine Stunde schenkte, wünschte er sich neben Schostakowitsch, Schumann und Schubert auch Mahlers Erste, allerdings mit Rattle und den Berlinern. Und den italienischen Liedermacher Claudio Baglioni.
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